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PolitikAfrika

Weniger Militär, mehr Zusammenarbeit mit den Menschen

Koepp Dirke Kommentarbild App
Dirke Köpp
17. Februar 2022

Der Abzug der europäischen Truppen unter Frankreichs Führung schockiert in Mali kaum jemanden. Es ist an der Zeit, alte Strategien zu überdenken und weniger mit korrupten Eliten zusammenzuarbeiten, meint Dirke Köpp.

Die Streitkräfte Malis müssen sich künftig ohne französische Unterstützung behauptenBild: Etat-major des armées / France

Oft wurde dieser Schritt angedroht und immer wieder verschoben: Doch am Donnerstag haben Frankreich und seine europäischen Partner angekündigt, ihre Soldaten aus Mali abzuziehen. Man wolle den Kampf gegen den Terror im Sahel aus einem anderen Land fortsetzen. Während diese Ankündigung wegen der Beteiligung der Bundeswehr in Mali auch in Deutschland für Aufregung sorgt, ist in Mali vielen dieser Abzug gleichgültig. Oder besser: Viele Malier begrüßen vor allem den französischen Rückzug sogar.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Da ist zum einen ein System, das "Françafrique" genannt wird. Gemeint ist damit ein System, mit dem sich der französische Staat mit Hilfe korrupter Eliten der jeweiligen Länder über Jahrzehnte den Zugang zu Ressourcen in Afrika gesichert hat. Davon haben viele Menschen im frankophonen Afrika - zu Recht! - die Nase voll.

Russland - Profiteur der Abkehr von Frankreich

Diese anti-französischen Ressentiments macht sich inzwischen Russland mehr und mehr zunutze für seine eigenen Ziele - die natürlich um keinen Deut hehrer sind als die vieler anderer. Neben dem Zugang zu Ressourcen wie Gold, Uran oder Edelsteinen geht es auch Moskau in erster Linie um eine geostrategische Vorherrschaft. Russische Trolle überschwemmen deswegen die sogenannten Sozialen Netzwerke mit anti-französischer Propaganda, Fake News und angeblichen Erfolgsmeldungen russischer Militäroperationen.

Dirke Köpp leitet die Redaktion Französisch für Afrika

Das malische Militärregime - in Europa, aber auch in Russland ausgebildet - segelt auf dieser Anti-Frankreich-Welle und nutzt sie für ihre Zwecke: den eigenen Machterhalt. So liefert sich die malische Militärregierung seit Monaten ein (wenig) diplomatisches Kräftemessen mit Frankreich und intensivierte zugleich die militärische Zusammenarbeit mit Russland. Welcher Natur diese genau ist (Zusammenarbeit mit Söldnern der Wagner-Truppe oder der regulären russischen Armee?), darüber lässt die Junta ihre bisherigen Verbündeten im Unklaren.

Augenfällig ist dabei, dass Frankreich, aber auch die EU mit zweierlei Maß messen. Und genau das ärgert viele Malier: Während die (unbequemen) Putschisten in Mali mit Sanktionen belegt sind, bleibt der Übergangspräsident des Tschad ein gern gesehener Gast. Dabei hat er sich nach dem ungeklärten Tod seines Adoptivvaters ebenfalls höchst undemokratisch die Macht genommen.

"Sicher" meint nicht nur den Schutz vor Terror

Doch nach kurzem Nachdenken ist ohnehin klar: Die Lösung für den Sahel kann gewiss keine militärische sein! Was die Menschen dort brauchen, sind Entwicklung, zuverlässige Staatsstrukturen und Perspektiven für eine sichere Zukunft. Und mit "sicher" ist nicht allein der Schutz vor Terror gemeint! Nein, hier es geht um das schiere Überleben.

Wenn so viele Milliarden Euro in die Entwicklung der Gesellschaften gesteckt würde, wie bislang in die Militärmissionen, und zugleich sichergestellt würde, dass dieses Geld bei der Bevölkerung und nicht in den Taschen korrupter Eliten ankommt, dann wäre den Menschen im Sahel mehr geholfen. Die Situation vor Ort ist desaströs: Der Klimawandel lässt Ernten vertrocknen oder schwemmt sie davon. Wegen der Bevölkerungsexplosion müssen immer mehr Menschen ernährt werden. Doch der Staat ist in vielerorts abwesend: Banditen treiben schadlos ihr Unwesen, Dschihadisten errichten parallele Steuersysteme. Arbeit gibt es kaum. Krankenhäuser oder intakte Straßen sind selten.

Immer öfter geraten Mitglieder unterschiedlicher Volksgruppen in Konflikt um die knappen Ressourcen. Millionen Menschen im Sahel sind auf der Flucht und/oder von Hunger bedroht. Millionen Kinder können wegen der terroristischen Bedrohung nicht zur Schule gehen: Es wächst eine verlorene Generation heran.

Mit den Menschen vor Ort nach Lösungen suchen

Dieser tägliche Kampf und der Mangel an Perspektiven lassen viele verzweifeln. Dschihadisten, die mit Geld und Hoffnung auf ein besseres Leben locken, haben leichtes Spiel. Das ist kein Vorwurf. Beileibe nicht jede oder jeder lässt sich von Terroristen anheuern. Aber wer aus dem wohlhabenden und sicheren Europa könnte mit Sicherheit sagen, dass er oder sie jeder Versuchung widerstünde, wenn die eigene Familie in Gefahr ist?

Die internationale Gemeinschaft hat zu lang allein auf militärische Lösungen gesetzt. Jetzt müssen Wege gesucht werden, der abgehängten Bevölkerung im Sahel anders zu helfen. Und das heißt auch: Die Menschen und ihre Bedürfnisse ernst nehmen. Mit ihnen nach lokalen Lösungen suchen. Dafür sorgen, dass Kinder wieder zur Schule und Menschen wieder auf die Felder gehen können. Und wenn das heißt, dass man in einem ersten Schritt mit bewaffneten Gruppen sprechen muss, muss man vielleicht selbst das ins Auge fassen. Mancherorts haben lokale Initiativen dieser Art schon dazu geführt, dass Menschen wieder sicherer leben können.

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