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Politik

Putin setzt auf die erneute Hilfe der EU

22. April 2021

In seiner mit Spannung erwarteten Rede ging Präsident Putin kaum auf die Außenpolitik ein. Er will Gegner vernichten, Loyalität kaufen und Belarus unter Kontrolle behalten, meint Konstantin Eggert.

Inszenierung auf großer Bühne - Putins Rede an die Nation vor beiden ParlamentskammernBild: Sergei Karpukhin/Tass/dpa/picture alliance

Der russische Präsident Wladimir Putin hält sich gerne für unbesiegbar. In seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation vor beiden Häusern des Parlaments verglich der 68-Jährige diejenigen, die es wagen, dem Kreml die Stirn zu bieten, mit dem Schakal Tabaqui aus Rudyard Kiplings Klassiker "Das Dschungelbuch".

"Es gibt alle Arten von kleinen Tabaquis, die um Shir Khan herumhängen und heulen, um ihren Herrscher zu besänftigen", sagte Putin und bezog sich dabei auf einen menschenfressenden Tiger, den Hauptantagonisten des Dschungelbuchs - eine nicht wirklich subtile Anspielung auf die Beziehung zwischen den USA und ihren Verbündeten, betrachtet aus der Sicht des Kremls. Obwohl er es nicht gesagt hat, sieht sich der russische Machthaber selbst als Mogli, den Haupthelden des Buches, der über den Tiger siegt.

Kein Wort zur Ukraine

Das Publikum, bestehend aus den willfährigen Apparatschiks des Regimes, belohnte diesen Vergleich mit unterwürfigem Gelächter und Applaus. Putin versprach auch eine "verheerende" Antwort an diejenigen, welche die russischen Interessen mit Füßen treten. Dies war wahrscheinlich der denkwürdigste Moment einer Rede, die sich ansonsten - in einem Jahr, in dem die Staatsduma neu gewählt wird - vor allem den Plänen für eine Vielzahl von neuen Sozialausgaben widmete.

Im Vorfeld der Veranstaltung in der Manege, einer Ausstellungshalle in Nachbarschaft des Kreml, war spekuliert worden, dass Putin den Konflikt mit der Ukraine eskalieren und vorschlagen werde, die separatistische "Republik" in der vom Kreml kontrollierten Ostukraine offiziell anzuerkennen.

Unter Hinweis auf den massiven Aufmarsch russischer Streitkräfte an der ukrainischen Grenze warnten einige Analysten davor, dass eine groß angelegte Invasion bevorstehen könnte. Der Plan sei, den Rest der Ost- und Südukraine zu besetzen, um eine ununterbrochene Frischwasserversorgung der wasserarmen Krim zu sichern. Doch Putin hat die Ukraine am Mittwoch nicht einmal erwähnt.

Lukaschenkos Rettung hat Priorität

In seiner Ansprache stimmte er ausdrücklich der Behauptung des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko zu, dass es ein Komplott des Westens gebe, Lukaschenko und seine Familie zu töten. Dies sei mit mit Hilfe von Putins Sicherheitsdiensten aufgedeckt worden. Ob wahr oder nicht - diese Behauptung stimmt zumindest mit Putins Überzeugung überein, dass der Westen es letztlich auch auf ihn abgesehen habe.

Konstantin Eggert ist russischer Journalist

Der weißrussische Diktator wird Putin am Donnerstag in Moskau treffen. Sofort kamen Gerüchte auf, dass Lukaschenko entweder Putin bitten werde, russische Truppen nach Belarus zu schicken, um dieses vor "NATO-Verschwörungen" zu schützen, oder die beiden Länder direkt zu verschmelzen. 

So oder so wird Putin seinem autoritären Amtskollegen gerne "brüderlichen Beistand" leisten - zumal er eine Reaktion des Westens nicht zu befürchten hat. Die wirkungslosen Sanktionen der EU und der USA gegen das Minsker Regime haben Putin inzwischen zur Überzeugung kommen lassen, dass Brüssel und Washington die prodemokratische Bewegung in Belarus längst aufgegeben haben.

Sanfter Druck auf Kiew

Mit der Stationierung russischer Streitkräfte in Belarus würde der Kreml einen neuen Brückenkopf an der Nordgrenze der Ukraine schaffen - nicht weit entfernt von der Hauptstadt Kiew. Dies erhöht nicht nur den Druck auf die ukrainische Führung, sondern auch die Chance, dass Deutschlands Angela Merkel und Frankreichs Emmanuel Macron die Szene betreten und ihre Vermittlung anbieten - darauf kann er immer zählen, hat Putin gelernt.

Was Putin letztlich will, ist, dass Merkel und Macron sich den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vornehmen, um ihm ein paar Zugeständnisse abzuringen - wenn schon nicht die Wiedereröffnung der wichtigen Trinkwasserleitung von der Stadt Cherson zur Krim oder die Aufhebung des Verbots prorussischer Fernsehsender in der Ukraine, dann doch zumindest ein öffentliches Bekenntnis zum Minsker Abkommen.

Väterchen Putin

Nach seiner Ansprache zu urteilen, will sich Putin darauf konzentrieren, die Vaterfigur zu spielen - eine Vaterfigur, auf die sich die Russen verlassen können und die ein für alle Mal diejenigen zerschlagen wird, die sich ihm widersetzen, insbesondere den russischen Oppositionsführer Alexej Nawalny und seine Anhänger.

Die Rede Putins vom Mittwoch klang wie ein Signal an den Westen: Solange man ihn innerhalb seines Reiches gewähren lässt - um die Opposition zu unterdrücken und den Einfluss über Belarus zu wahren - wird er vielleicht aufhören, sich in der Ukraine einzumischen. Vor allem, wenn die Ukraine endlich dazu gebracht wird, sich "zu benehmen". Aber, wie bei allem, was mit Putin zu tun hat, besteht die Gefahr, dass auch dies nur eine Täuschung ist.

Diese Text wurde aus dem Englischen adaptiert von Felix Steiner

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