Der Regisseur von surrealen Meisterwerken wie "Blue Velvet" und wegweisenden TV-Serien wie "Twin Peaks" hat sich weitgehend aus dem Filmgeschäft zurückgezogen. Kurz vor seinem 70. Geburtstag meldete sich Lynch zurück.
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David Lynch: Der große Surrealist des Films
Kein anderer amerikanischer Regisseur schuf geheimnisvollere Filme. Werke wie "Blue Velvet" und "Wild at Heart" wurden Welterfolge. Mit "Twin Peaks" revolutionierte David Lynch auch noch das Fernsehen.
Die 1980er und 1990er Jahre gehörten ihm: David Lynch. In dieser Zeit drehte der US-Amerikaner einige einflussreiche Kinofilme und Fernsehserien. Die unnachahmliche Mischung aus Surrealismus und Expressionismus auf der Leinwand grub sich tief in das Gedächtnis der Zuschauer ein.
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Schockdebüt "Eraserhead"
1977 debütierte David Lynch mit seinem ersten langen Spielfilm. "Eraserhead" war eine Art Horrorfilm mit sanftem Einschlag. Mit wenig Geld entstanden, drehte Lynch den Film fast allein. "Eraserhead" entwickelte sich zu einem Überraschungserfolg und machte ihn international bekannt.
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Humanistische Tragödie
Drei Jahre später zeigte Lynch, dass er auch die Klaviatur des großen Kinos beherrschte. "Der Elefantenmensch" war eine ungemein eindringliche Studie in Sachen Menschlichkeit. Der in Schwarz/Weiß gedrehte expressionistisch angehauchte Film erzählt die authentische Geschichte des Joseph Merrick, der im London des 19. Jahrhunderts mit schweren körperlichen Deformationen auf die Welt kommt.
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Finanzielles Desaster
David Lynchs dritter Film "Dune" aus dem Jahre 1984 gilt bis heute als sein einziger Misserfolg. Das mit großem finanziellen Aufwand gedrehte Science-Fiction-Opus scheiterte am Anspruch, Kunst und Kommerz miteinander zu verbinden. Viele Szenen des Films faszinieren aber noch heute. Doch fürs ganz große Publikum war "Dune" zu sperrig.
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Schreckensvision "Blue Velvet"
Der bis heute wohl bekannteste Film Lynchs dürfte "Blue Velvet" sein. Hier war der Regisseur wieder ganz bei sich. Ein überschaubares Budget, eine verzwickte, durchgängig geheimnisvolle Story, Darsteller abseits des Mainstreams und ein stilistisches Film-Feuerwerk. "Blue Velvet", der die packende Geschichte des Collegestudenten Jeffrey Beaumont erzählt, begeisterte das Publikum.
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Triumph in Cannes
1990 befand sich David Lynch auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Für seinen fünften langen Spielfilm "Wild at Heart" bekam er bei den Filmfestspielen in Cannes die Goldene Palme. Das mit vielen verschiedenen Genrezutaten erzählte Melodram um ein Pärchen auf der Flucht spaltete allerdings auch die Kritiker: Vielen waren einige Szenen des Films zu brutal und spekulativ.
Parallel zu "Wild at Heart" hatte David Lynch Ende der 1980er Jahre auch noch an einem anderen Projekt gearbeitet. Die Fernsehserie "Twin Peaks" war auch ein Ergebnis gescheiterter Filmprojekte. Doch für den Regisseur wurde sein Ausflug ins Medium Fernsehen zum Triumph. Noch heute wird "Twin Peaks" als Vorläufer für den derzeit grassierenden weltweiten Serienboom gefeiert.
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Lost Highway
Nach einer längeren Pause meldete sich Lynch 1997 auf der Kinoleinwand zurück. "Lost Highway" war - wie auch seine späteren Filme "Mulholland Drive" und "Inland Empire" - eine düstere Reise in das menschliche Unterbewusstsein. Vielen Zuschauern fiel es aber immer schwerer, Lynch auf seinen komplexen filmischen Reisen zu folgen.
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Überraschung mit "The Straight Story"
1999 konnte der US-Amerikaner die Filmwelt allerdings auch noch einmal überraschen. Sein Film "The Straight Story" war der bisher wohl untypischste David-Lynch-Film. Der langsam inszenierte Streifen über einen Farmer, der sich mit seinem Rasenmäher-Traktor auf eine Reise quer durch die Vereinigten Staaten macht, überzeugte mit viel menschlicher Wärme und leisem Humor.
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Rückkehr nach "Twin Peaks"
"Twin Peaks"-Fans und auch Kritiker begeisterte Lynch 2017 mit einer neuen Staffel der Kultserie. Einige der Lynch-typischen visuellen Sequenzen machen "Twin Peaks: The Return" zu einem Kunstwerk fürs Fernsehen. Ähnlich wie die Originalserie endet auch diese neue Produktion mit einem nervenaufreibenden Cliffhanger.
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Künstler Lynch
Auch abseits der Kamera war David Lynch schon immer sehr produktiv. Er hat Bildende Kunst studiert und eine große Auswahl an gemischten Materialarbeiten, Fotos und Skizzen gefertigt. Seine Werke zeigen dabei oft verzerrte Menschen mit verdrehten Gliedmaßen, sich selbst verschlingende Monster - und viel Rot.
Bild: Bonnefantenmuseum/David Lynch
Filmlegende David Lynch
Mit seiner Kunst findet er Aufmerksamkeit bei Ausstellungen auf der ganzen Welt. Als bekanntes Gesicht der Transcendental Meditation (TM) Community reist Lynch aber auch zum Thema Meditation durch die Lande - und lebt ansonsten, wie so viele Stars, zurückgezogen in den Hollywood Hills von Los Angeles.
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Wer Ende der 1970er Jahre begann ins Kino zu gehen und damals Augen und Ohren hatte für US-amerikanische Filmkunst außerhalb von "Star Wars" und anderen Hollywood-Blockbustern, der wurde in den Mitternachtsvorstellungen der Arthaus-Kinos belohnt. Ein kleiner, billiger, noch dazu schwarz-weiß gedrehter Film mit dem seltsam klingenden Titel "Eraserhead" tauchte da auf von einem jungen amerikanischen Regisseur, von dem niemand etwas zuvor gehört hatte: David Lynch.
Der Zuschauer verfolgte in dem Film ein seltsames kleines Wesen zwischen Mensch und Tier in Windeln, das pausenlos vor sich hin wimmerte oder auch schrie. Es hauste in einer heruntergekommenen Wohnung, versorgt und betreut von einem heillos überforderten Vater. "Eraserhead" war einerseits düsterer Horrorfilm und filmische Schreckensvision für alle angehenden Eltern, andererseits auch mitleiderregende Studie über ein gänzlichs fremdes Lebewesen und faszinierendes filmisches Experiment.
Wer "Eraserhead" gesehen hat, der dürfte die Bilder des Films wohl auch nach fast 40 Jahren nicht vergessen haben. Und man ahnte, dass dieses Kino-Kleinod nur von einem Künstler stammen konnte, von dem noch einiges zu erwarten war. Mit David Lynch betrat Ende der 1970er Jahre ein Regisseur die Welt des Kinos, der zu einem der einflussreichsten Filmkünstler überhaupt werden sollte.
Ein ungemein phantasievoller Regisseur: David Lynch
Auch wenn heutigen Kinogängern der Name David Lynch nicht mehr ganz so viel sagt, weil sich der US-Amerikaner vor zehn Jahren praktisch von der Kinoleinwand verabschiedet hat und auch seine Filme zuletzt nicht mehr allzu erfolgreich waren, so ist der Rang Lynchs innerhalb des US-amerikanischen Films nicht hoch genug einzuschätzen.
Lynch hat seine Visionen an nachfolgende Regiegenerationen weitergeben. Das wird heute deutlich. Ein Regisseur wie Quentin Tarantino, der seit seinem Welterfolg "Pulp Fiction" (zu Recht) überall gefeiert wird - ohne die Vorarbeit von Lynch wäre das wohl nicht denkbar. Dessen Film "Wild at Heart", der 1990 in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, hat erstmals im modernen amerikanischen Kino jene gewagte Kombination zwischen Gewalt und Witz, zwischen Horror und Sarkasmus auf die Leinwand gebracht, die Tarantino später variierte und neu gestalten sollte.
Lynchs an der Kasse gnadenlos gescheiterter Versuch, einen Blockbuster in Szene zu setzen, das 1984 inszenierte Science-Fiction-Epos "Dune", zeigte späteren Regisseuren, dass auch große kommerzielle Filme mit Finesse und viel Fantasie zu Kunstwerken werden konnten. David Lynchs erschreckende filmische Vision "Blue Velvet", ein Hit in den Kunstkinos Mitte der 1980er Jahren, mit Isabella Rossellini und Dennis Hopper prominent besetzt, ist heute noch eines der faszinierendsten Beispiele für ein Kino, das aus verschiedenen Genrezutaten etwas völlig Neues zusammensetzt.
Mit "Twin Peaks" schrieb Lynch auch Fernsehgeschichte
Und dass die vor einem halben Jahrhundert fürs Fernsehen gedrehte Serie "Twin Peaks" den momentan so populäre Serienhype inspiriert und erst in die Wege geleitet hat, wird heute von vielen Experten bestätigt.
Lynchs Filme nach "Wild at Heart" (1990) wurden bis auf eine Ausnahme (der heiter-besinnliche "The Straight Story") immer unzugänglicher. Im gleichen Maße wie sich der Regisseur in seinen Filmen immer mehr tieferen Schichten des menschlichen Bewusstseins zuwandte, beschäftigte sich der 1946 in Montana geborene Amerikaner mit der Transzendentalen Meditation. Wenn über Lynch in den letzten Jahren berichtet wurde, dann geschah das häufiger im Zusammenhang mit Meditation als mit Kino und Film.
Doch David-Lynch-Fans dürfen hoffen. Derzeit sitzt der Meister nach längerer Pause wieder auf dem Regiestuhl. Viel weiß man nicht über die Details der Fortsetzung der legendären Twin-Peaks-Serie. Nur soviel: 18 weitere Folgen des Kleinstadtdramas um den unaufgeklärten Mord an der jungen Laura Palmer sind geplant. Bei allen soll David Lynch selbst Regie führen. 2017 kommen die neuen Folgen zur Ausstrahlung - bis dahin heißt es für alle Lynch-Fans warten.
Man darf davon ausgehen, dass Lynch dann etwas abliefern wird, das vielen Soap-Fans unserer Tage die Haare zu Berge stehen lassen wird. Jetzt gilt es erst einmal, einen Glückwunsch zu übermitteln: Happy Birthday, Mr. Lynch zum 70. Geburtstag!