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So entsteht das Masken-Filtervlies

24. Mai 2020

Coronaviren sind winzig klein - viel zu klein um in irgendeinem Sieb hängen zu bleiben. Damit sie trotzdem nicht durch den Maskenfilter kommen, müssen Ingenieure verschiedene physikalische Tricks anwenden.

Corona-Schutzmaksen
Bild: picture-alliance/dpa/maxppp/Pierre Teyssot

Vliesstoffe vom Maschinenbauer

02:25

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Wo mehrere Menschen zusammenkommen, tragen sie in Corona-Zeiten Masken. Der medizinische Mund-Nasen-Schutz und hochwertige Schutzmasken haben dabei immer auch ein spezielles Filtervlies eingebaut. Hergestellt wird es im sogenannten Meltblown-Verfahren. Das Familienunternehmen Reifenhäuser mit seiner Tochter Reicofil in Troisdorf bei Bonn ist einer der Weltmarktführer für Produktionsmaschinen, die solche Spezialvliese herstellen können.

Detlef Frey ist Leiter der Forschung und Entwicklung bei Reicofil. Er öffnet uns die Tür zum Technikum, wo er und seine Kollegen an der Produktion von sogenannten nonwoven Textilien forschen, also Stoffen aus Kunststofffasern, die aber nicht zuerst gesponnen und gewebt werden müssen.

Versuchsanlage im Krisenbetrieb

"Wir haben hier 2000 Quadratmeter und drei Produktionsanlagen. Alles, was wir hier aufgebaut haben, entspricht den Anlagen, die draußen bei den Kunden produzieren," sagt Frey. "Normalerweise haben wir die Anlagen hier aufgebaut, damit wir den Kunden bei der Entwicklung von Produkten helfen können. Alles, was wir hier mit den Rezepturen machen, können unsere Kunden vor Ort schon einsetzen. Aufgrund der Corona-Pandemie haben wir uns aber entschlossen, dass wir die Laboranlagen jetzt zur Herstellung von Masken-Filtermaterial nutzen." 

Das Ausgangsmaterial ist der Kunststoff Polypropylen Bild: DW/F. Schmidt

Und das soll allerhand Schadstoffe aus der Luft holen: Neben Viren und Bakterien sind das auch Schleif- oder sonstige Stäube, winzige Aerosoltröpfchen oder Asbestfasern. Damit das gelingen kann, muss das Vlies extrem fein strukturiert sein. 

Bei der Herstellung wird zunächst der Kunststoff Polypropylen (PP) geschmolzen, bis er etwa die Konsistenz von flüssigem Honig hat. Dann fließt er durch winzige Düsen und bildet darunter einen hauchdünnen Faden. Der ist aber noch lange nicht so dünn, wie er später einmal sein soll. Also muss er noch dünner gezogen werden. Dazu wird der geschmolzene Faden geblasen. Deshalb heißt es auch "Schmelzblasen", also Meltblown-Verfahren. 

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Extrem dünn, aber extrem haltbar 

"Unser Prolypropylen hat einen Schmelzpunkt von 160 Grad Celsius. Die Luft ist etwa 250 Grad heiß. Diese heiße Luft und die heiße Schmelze treffen kurz unterhalb der Düsen aufeinander und der flüssige Kunststoff wird extrem stark beschleunigt."

Die Luft erfasst die Kunststofffäden mit etwa 300 Metern pro Sekunde. Das wäre in normaler Atmosphäre fast Schallgeschwindigkeit. Weil der Luftstrom aber von zwei Seiten auf die Kunststofffäden trifft und dazu noch in einem sehr kleinen Bereich chaotische Wirbelzustände auftreten, vervielfacht sich die Relativgeschwindigkeit, die auf die flüssigen endlos langen Kunststofffäden wirkt.

Kaum aus der Düse geblasen, fallen die Spinnweben-ähnlichen Polypropylen-Filamente herab wie SchneeBild: DW/F. Schmidt

Für kurze Zeit werden sie auf fast 40.000 Stundenkilometer beschleunigt – mehr als die Kreisbahngeschwindigkeit der Internationalen Raumstation (ISS). Dadurch werden die Fäden - auch Filamente genannt - unvorstellbar dünn. Diese Geschwindigkeit lässt sich zwar nicht messen, aber anhand der später tatsächlich vorhandenen Filamentstärke theoretisch errechnen. 

"Wir müssen gleichzeitig verhindern, dass die Filamente abreißen", sagt Ingenieur Frey. "Es ist schon faszinierend, sich vorzustellen, dass dieser Kunststoff das aushält und es uns gelingt, mit gleichbleibender Qualität so ein Produkt herzustellen." 

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Qualitätskontrolle im Labor und an der Maschine

Einfach ist das nicht, ergänzt Alexander Klein, der im Technikum als Entwicklungsingenieur arbeitet. "Man muss die Einstellungen so treffen, dass man eine homogene Vliesablage ohne Störstellen hat, also kontinuierliche Filamente ohne Filamentabrisse."

Deshalb ist auch die Kontrolle des Produktionsprozesses wichtig. "Wir nutzen dazu Inspektionssysteme, die optisch Störstellen im Produkt finden," sagt Klein. "Zum anderen nehmen wir regelmäßig Materialproben, die wir im Labor testen: Luftdurchlässigkeit und Filterwirkung, damit wir die Spezifikationen der jeweiligen Klassifizierung erfüllen."

Zudem messen Sensoren automatisch unter anderem die Luftdurchlässigkeit des fertig produzierten Filtermaterials. "Durch die Prüfung können wir erkennen, wenn sich etwas ändert, was darauf hindeutet, dass irgendetwas im Prozess nicht so läuft, wie es laufen soll," sagt Ingenieur Klein. 

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Alexander Klein steuert die Composite-Anlage, die Meltblown-Filter und Spinnvlies gleichzeitig herstellt Bild: DW/F. Schmidt

Und das kann leicht passieren, denn die Fäden sind, wenn sie von der Heißluft durcheinandergewirbelt werden, fast noch flüssig und ziemlich klebrig.

"Diese chaotischen Bewegungen helfen uns dabei, eine Wirrablage zu bilden, also ein Netz. Weil die Kunststofffäden noch nicht völlig erkaltet sind, kleben sie zusammen. Dieses Netz hat eine physikalische Porengröße von etwa zehn Mikrometer - vielleicht auch etwas kleiner," erklärt Forschungsleiter Frey. 

Die Filamente aus denen das Netz besteht, sind nur einen halben Mikrometer dünn. Mit einem einzigen sieben Gramm leichten Faden könnte man zum Beispiel die ganze Erde umspannen. Solch ein Faden würde wiederum für etwa zwei bis vier Gesichtsmasken reichen - je nach Maskenqualität.

Viren sind noch viel, viel kleiner

Obwohl es schon sehr fein ist, würde das nonwoven Netz aber noch lange nicht ausreichen, um Viren allein aufgrund ihrer Größe aus der Luft herauszusieben. Die Öffnungen in dem Filtermaterial sind etwa hundertmal so groß wie das Virus mit seinen 0,12 Mikrometern. 

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Also nutzen die Ingenieure physikalische Tricks - etwa die Bestrebung kleiner Teilchen, sich an Oberflächen festzusetzen. 

"Das sind beispielsweise die Diffusion und die Trägheit. Auf dem Weg wird das Partikel an der Oberfläche angelagert. Es trifft auf das Filament und bleibt darauf aufgrund von Reibungskräften oder auch intermolekularen Kräften hängen," erklärt Frey. "Kräfte zwischen Molekülen sind wichtig, wenn wir in der Größenordnung von Viren denken." 

Aber das würde immer noch nicht reichen, um Viren aus der Luft zu filtern. Den Ingenieuren kommt noch zugute, dass Viren meist fettige Oberflächen haben. "Polypropylen ist lipophil, das heißt fettanziehend", sagt er. Viren bleiben deshalb an den Fasern hängen.

Elektrostatische Anziehungskraft

Doch auch damit wäre noch viel dem Zufall überlassen. Also helfen Frey und seine Kollegen weiter nach: "Wir müssen eine zusätzliche Kraft einführen, die die Viren aussondert und heranzieht. Das sind elektrostatische Kräfte, die wir im Augenblick maßgeblich einsetzen." 

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An der Maschine sieht das so aus: Bei der Produktion läuft das fertige Vlies über eine geerdete Walze. Auf der anderen Seite liegen zahlreiche Hochspannungselektroden. "Also eine relativ einfache Technologie aber sehr effektiv," betont Ingenieur Frey. "30 Kilovolt liegen an, und durch die Luft, die ionisiert wird, fließt ein kleiner Strom."

Danach fühlt sich das Vlies an wie ein elektrostatisch geladener Wischmopp, wie es ihn in vielen Drogerien zum Staubwischen zu kaufen gibt. Das Filtermaterial funktioniert genauso.

Das Filtervlies läuft über eine geerdete Walze. Darüber befinden sich unzählige HochspannungselektrodenBild: DW/F. Schmidt

"Ich bringe also eine elektrostatische Ladung in das Produkt hinein, habe so eine gewisse Polarität und kann dann damit Kräfte ausüben  - und jetzt kommt die Einschränkung - auf Partikel, die irgendwie leitfähig sind. Solange Wasser vorhanden ist, sind sie leitfähig."

Das würde also etwa auf Aerosoltröpfchen zutreffen, die jemand aushustet. Solange die Viren bereits an diesen Tröpfchen anhaften, oder darin schwimmen, fängt der Filter sie auf – auch wenn sie winzig klein sind.

Vereinzelte, völlig frei in der Luft schwebende Viren könnten den Filter also theoretisch noch passieren, wenn keine der anderen physikalisch wirksamen Kräfte sie aufhält. In der Praxis ist das wahrscheinlich eher die Ausnahme.

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Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen
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