1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Menschen strömen zu Grab von Jina Mahsa Amini

26. Oktober 2022

40 Tage nach dem Tod der 22-jährigen Iranerin in Polizeigewahrsam gedenken zahlreiche Menschen der Verstorbenen. Aktivisten hatten zu landesweiten Protesten aufgerufen. Deutschland verschärft seinen Kurs gegen Teheran.

Iran I Proteste nach Tod von Jina Mahsa Amini
Proteste in Jina Mahsa Aminis Heimatstadt SakesBild: ESN/AFP

Iran 40 Tage nach dem Tod von Jina Mahsa Amini

01:17

This browser does not support the video element.

In verschiedenen Regionen des Landes haben sich Menschen versammelt, um zum Abschluss der traditionellen Trauerzeit von 40 Tagen der jungen iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini zu gedenken. Aktivisten hatten anlässlich des Trauertags zu landesweiten Protesten aufgerufen, die sich längst nicht mehr nur gegen die strengen Auflagen für Frauen richten, sondern gegen die Führung der Islamischen Republik insgesamt.

Mit Tränengas gegen Demonstranten 

In Aminis Heimatstadt Sakes in der Provinz Kurdistan war die Polizei Augenzeugen zufolge mit einem Großaufgebot im Einsatz. Polizei und Sicherheitsbehörden riegelten viele Zufahrten in die Stadt ab. Die in Oslo ansässige Menschenrechtsorganisation Hengaw schrieb auf Twitter, Sicherheitskräfte hätten in Sakes Tränengas gegen die Protestierenden eingesetzt. Ein Augenzeuge berichtete, es sei auch scharf geschossen worden. "Dutzende wurden festgenommen", erklärt er weiter. Die halbstaatliche Nachrichtenagentur Insa meldete, rund 10.000 Menschen hätten sich in Sakes am letzten Tag der Trauerperiode beteiligt.

Der Friedhof in Sakes, auf dem Amini begraben liegt, sei voller Polizisten und Angehörigen der freiwilligen Basidsch-Miliz, berichteten Augenzeugen. Sicherheitskräfte hätten versucht, sie daran zu hindern, den Friedhof zu betreten. Dessen ungeachtet versammelten sich zahlreiche Menschen am Grab der jungen Frau.

Alle Schulen und Universitäten in der Provinz Kurdistan blieben am Mittwoch geschlossen, berichteten Staatsmedien. Begründet wurde dies offiziell mit einer Grippewelle. Kritiker der Führung in Teheran gehen hingegen davon aus, dass mit den Schließungen Proteste verhindert werden sollten.

Gedenken an Jina Mahsa Amini in der Khajeh-Nasir Universität in TeheranBild: UGC

Auch in der Hauptstadt Teheran sowie in Täbris und Rascht im Norden des Landes berichteten Zeugen von einer enormen Polizeipräsenz auf den Straßen.

Anschlag auf schiitische Pilgerstätte in Schiras

Zeitgleich wurden bei einem bewaffneten Angriff auf eine bedeutende schiitische Pilgerstätte in der südiranischen Millionenstadt Schiras mindestens 13 Menschen getötet und 40 weitere verletzt. "Ein Terrorist" habe das Mausoleum Schah Tscheragh attackiert, erklärte der Chef der örtlichen  Justizbehörden, Kasem Mussawi, im iranischen Staatsfernsehen. Ein Mann mit "Verbindungen zu 'Takfiri'-Gruppen" sei festgenommen worden, hieß es im Fernsehen weiter. Der Begriff "Takfiri" wird von den iranischen Behörden verwendet, um sunnitische Dschihadisten zu bezeichnen. Die Terrorgruppe "Islamischer Staat" übernahm die Verantwortung für den Anschlag.

Das Mausoleum Schah Tscheragh ist die beliebteste Pilgerstätte im Süden des Landes. Die Mehrheit der Muslime im Iran gehört dem schiitischen Glauben an. In Schah Tscheragh befindet sich das Grab von Ahmed, dem Bruder des achten schiitischen Imams Reza.

Polizei geht gegen Ärztedemo in Teheran vor

Die Polizei in Teheran ging mit Tränengas gegen eine Demonstration von Ärzten vor. Die Mediziner protestierten gegen die Präsenz von Sicherheitskräften in den Kliniken, wo auch Teilnehmer der systemkritischen Proteste der vergangenen Wochen behandelt werden. Viele Läden blieben aus Sorge vor Ausschreitungen geschlossen.

Deutschland verschärft Kurs gegen Teheran

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat die sich mit jedem Tag verschlechternde Situation im Iran angeprangert. "Tag für Tag verschlechtert sich die Menschenrechtslage in Iran, gehen die Sicherheitskräfte brutaler gegen die Frauen und Männer auf der Straße vor, die nichts anderes einfordern als ihre universellen Menschenrechte", teilte die Grünen-Politikerin in einer Presseerklärung des Auswärtigen Amtes mit. Mit einem Staat, "der derart menschenverachtend mit seinen eigenen Bürgerinnen und Bürgern umgeht", könne es kein "Weiter so" in den bilateralen Beziehungen geben.

Bundesaußenministerin Baerbock prangert die sich verschlechternde Menschenrechtslage im Iran anBild: Janine Schmitz/photothek/IMAGO

Die systematische Unterdrückung von Frauen und ethnischen, religiösen und sexuellen Minderheiten im Iran sei nicht neu - "aber sie erreicht im Moment eine beispiellose neue Härte", erklärte die Ministerin. Auch für deutsche Staatsangehörige werde die Lage im Iran immer gefährlicher.

Wegen des harten Vorgehens der iranischen Behörden gegen die dortige Protestbewegung werde Deutschland den Kurs gegen Teheran verschärfen. Über die auf EU-Ebene beschlossenen Sanktionen hinaus sollen demnach zusätzliche nationale Einreisebeschränkungen verhängt werden. Die ohnehin eingeschränkten Wirtschaftskontakte sollen weiter reduziert werden, auch mit Blick auf noch bestehende Geschäftsbeziehungen iranischer Banken.

Zehntausende Demonstranten in Berlin soldarisieren sich am vergangenen Wochenende mit der Protestbewegung im IranBild: Paul Zinken/dpa/picture alliance

Die Menschenrechtsanwältin Shadi Sadr sagte der DW, Teheran kommuniziere mit Protestierenden nur über "Gewalt". Das sei die einzige Sprache des Regimes und dies seit der Gründung der Islamischen Republik im Jahr 1979, fügte Sadr hinzu.

Auslöser der systemkritischen Massenproteste im Iran war der Tod von Jina Mahsa Amini. Die junge Frau starb am 16. September in Polizeigewahrsam. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie gegen die islamischen Kleidungsvorschriften verstoßen haben soll. Seit ihrem Tod demonstrieren landesweit Tausende gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie das islamische Herrschaftssystem.

Die iranische Regierung beschuldigt die USA und andere westliche Länder, Unruhen zu schüren. Laut Menschenrechtsgruppen wurden bislang mindestens 250 Protestierende im Iran getötet. Tausende Menschen sollen festgenommen worden sein.

qu/se (rtr, dpa, afp, dw)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen