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Menschenrechte auf der Leinwand

8. Oktober 2011

Nicht nur wenn der Körper leidet, werden Menschenrechte verletzt. Auch Umweltzerstörung und Spekulanten werden an den Pranger gestellt. Das "Nuremberg International Human Rights Film Festival" spannt einen weiten Bogen.

Protagonisten des Films Sampaguita von Francis Xavier E. Pasion (Foto: (Filmfest der Menschenrechte 2011 Nürnberg)
Bild: Nuremberg International Human Rights Film Festival

Eigentlich hätte "Inside Job" der Eröffnungsfilm sein müssen. Einen aktuelleren und packenderen Film hätte das Nürnberger Filmfestival der Menschenrechte zum Auftakt nicht präsentieren können. Jetzt, wo sich gerade in New York und anderen amerikanischen Städten Protest regt gegen die Verwerfungen an den Finanzmärkten und die sozialen Folgen für die Amerikaner. Während in Europa die Architektur der Märkte aus dem Ruder zu laufen droht und die Welt auf den nächsten großen Finanzcrash wartet. Denn "Inside Job" erzählt davon, wie die letzte große Krise im Desaster um die Lehman-Bank endete – und wie es dazu kommen konnte.

Kaum Hoffnung auf eine bessere Zukunft

Das Bedrückende und wenig hoffnungsvoll Stimmende dabei ist, dass viele der Akteure, die das Chaos damals mit verantworteten, heute noch an den Schalthebeln der Macht sitzen. Wenn sie nicht – nach erwiesener Unfähigkeit – mit vielen Millionen Dollar Abfindung in den Ruhestand geschickt wurden. Die Deregulierung der Finanzmärkte ist ganz bewusst in der Ära Ronald Reagan in Gang gesetzt und danach von allen US-Präsidenten weiter betrieben worden, auch von Barack Obama. Ein Ende ist nicht in Sicht. Fest steht wohl nur eins: die weitere Aufspaltung der Welt in eine kleine Schicht der Superreichen und das wachsende Heer der Mittellosen.

Bild: Filmtage der Menschenrechte

Und auch das ist eine grobe Verletzung der Menschenrechte: dass die Mittel der Welt so ungerecht verteilt werden – das ist die Botschaft der Organisatoren des Nürnberger Filmfestival, deswegen platzieren sie Werke wie den Oscar-prämierten Dokumentarfilm "Inside Job" im Programm. Und das ist gut so. Indem der Fokus weit geöffnet wird, wird klar, wo ein Menschenrecht beginnt. Nicht nur dann, wenn Körper und Seele verletzt werden. Auch die verbrecherischen Machenschaften von Spekulanten gehören dazu und die Zerstörung der Umwelt. Beides hat enorme Folgen für die Menschen rund um den Globus.

Intakte Umwelt ist ein Menschenrecht

Gerade der Raubbau an der Umwelt zerstört ein fundamentales Menschenrecht – das auf ein Leben in einer intakten Umgebung mit der Natur. Gleich mehrere Filme in Nürnberg wiesen darauf hin. Ob gigantische chemische Anlagen, atomare Endlager oder die Bedrohung durch steigende Meeresspiegel infolge des Klimawandels, das Recht der Menschen auf ein Leben in einer halbwegs funktionierenden Umwelt wird überall mit Füßen getreten.

Protest gegen Behördenwillkür in Peking -"Petition" von Zhao LiangBild: Nuremberg International Human Rights Film Festival

Natürlich waren beim Festival auch die "klassischen" Menschenrechtsfilme zu sehen. Nach Regionen aufgeteilt, verwiesen sie in verschiedenen Programmen auf spezifische regionale Probleme. In Asien verschwindet das Individuum in der Masse – so der Tenor einiger Filme. Riesige Slums in Indonesien, das verzweifelte Bemühen der Chinesen um ein Rechtssystem, der Kampf der Südkoreaner gegen die Allmacht des Polizeiapparats, all diese Filme zeigten mit unterschiedlichen Mitteln und Formen, wie man sich als Regisseur für die Würde des Einzelnen einsetzen kann: Indem man das Unrecht und das Leid zunächst einmal auf die Leinwand bannt.

Ursprung von Gewalt und Krieg

Krieg ist dabei nicht immer ein Thema, doch Filme über den Krieg spielen die Verletzung von Menschenrechten natürlich am deutlichsten durch. Der Bosnier Danis Tanović zeigt in "Cirkus Columbia" eindrucksvoll und mit vielen satirischen Elementen, wie es überhaupt zum Krieg kommen konnte in seiner Heimat Anfang der 1990er Jahre. Ein Konglomerat aus privaten und politischen, aus ernsten und lächerlichen Zwistigkeiten führte irgendwann dazu, dass Bomben fielen. Demnach kann man nie früh genug auf Zeichen achten und beobachten, wie sich Konflikte hochschaukeln. Ein Krieg ist immer der Endpunkt einer verhängnisvollen Entwicklung. Die Menschen verletzten sich schon viel früher, will Tanović mit seiner intelligenten Filmsatire sagen.

Mira Furlan und Boris Ler in "Cirkus Columbia"Bild: Filmtage der Menschenrechte

In Deutschland schaut man noch immer gern zurück auf den großen Krieg um sich mit dem Thema zu beschäftigen. Zweiter Weltkrieg, Holocaust, Judenverfolgung – all das sind Konstanten in den Filmerzählungen auch jünger Regiegenerationen. Marcus O. Rosenmüller erzählt die Geschichte dreier Kinder in der Ukraine des Jahres 1941, die zwischen die Fronten der Erwachsenen geraten. Und Anna Justice blättert die schicksalhafte Begegnung eines jüdischen Mädchens und eines Polen in einem Konzentrationslager kurz vor Kriegsende auf. Beide Filme erzählen erschütternde Geschichten – und doch fällt das Ergebnis fundamental anders aus.

Entscheidend ist die filmische Form

Entscheidend für das Gelingen einer solchen Filmerzählung ist weniger die Haltung von Regisseur und Drehbuchautor, die wird von niemandem in Zweifel gezogen. Entscheidend ist, wie so ein Thema umgesetzt wird. Und da kann es passieren, dass der eine Film ("Wunderkinder") nur so von Klischees strotzt, die prominenten Darsteller chargieren lässt, die Dialoge hölzern und unbeholfen klingen und eine Kamera das Ganze brav nach Fernsehästhetik abfilmt. Während der andere ("Die verlorene Zeit") ungemein dicht an seinen Figuren bleibt, auf die Ausdruckskraft der Darsteller statt auf Kulissenschieberei setzt, und auch noch den Spagat zwischen Gegenwart und Vergangenheit meistert. Filme über Menschenrechte berühren die Zuschauer eben nur, wenn sie künstlerisch auch etwas zu sagen haben.

Autor: Jochen Kürten
Redaktion: Marlis Schaum

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