Kamerun schiebt geflüchtete Nigerianer ab
27. September 2017Sie fliehen vor dem Grauen und werden auf brutale Art und Weise zurückgetrieben: Nach Recherchen von Menschenrechtlern hat Kamerun trotz der Bedrohung durch die islamistische Terrorgruppe Boko Haram tausende Flüchtlinge nach Nigeria abgeschoben. Ihnen drohe dort neue Gewalt, Vertreibung und Not, warnte Human Rights Watch (HRW) in ihrem Bericht. Seit Januar 2015 sollen demnach rund 100.000 Flüchtlinge zurück in den Nordosten Nigerias gebracht worden sein. Aus Kameruns einzigem offiziellen Flüchtlingscamp Minawao im äußersten Norden des Landes waren allein im April und Mai dieses Jahres 13.000 Flüchtlinge zur Grenzstadt Banki im Nordosten Nigerias gebracht worden.
Physische Gewalt durch Soldaten
HRW wirft den nigerianischen Behörden vor, Militärfahrzeuge für die Abschiebungen zur Verfügung zu stellen und sich damit mitschuldig zu machen. Auch sollen Soldaten die vor der Gewalt geflohenen Asylsuchenden in abgelegenen Grenzgebieten "misshandelt, angegriffen und sexuelll ausgebeutet" haben. Ziel von Kameruns Armee sei es offenbar, andere Asylsuchende abzuschrecken. Die Schutzbedürftigen seien überdies daran gehindert worden, Kontakt zum UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) aufzunehmen. Darum habe auch das UN-Flüchtlingshilfswerk bereits an Kamerun appelliert, die Abschiebungen einzustellen, bis sich die Sicherheits- und Versorgungslage im benachbarten Nigeria verbessert habe.
Kollektive Bestrafung aller Nigerianer
Human Rights Watch beruft sich dabei auf Gespräche mit mehr als 60 betroffenen Flüchtlingen. Das Verhalten komme einer kollektiven Bestrafung aller Nigerianer gleich und ziele wohl darauf ab, Nigerianer davon abzuhalten, in Kamerun Asyl zu suchen, hieß es weiter.
Die sunnitischen Extremisten der Boko Haram terrorisieren seit 2009 den Nordosten Nigerias und angrenzende Gebiete. Bei Anschlägen und Angriffen der Gruppe sind seither mindestens 20.000 Menschen ums Leben gekommen, über zwei Millionen sind vor der Gewalt geflohen. Laut UNHCR sind in der Region 2,4 Millionen Menschen aus ihren Dörfern und Städten vertrieben worden und kriegsbedingt mehr als zehn Millionen Menschen auf Hilfe angewiesen.
sam/se (AFP, dpa, epd, kna)