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Politik

Kritik an Abschiebungen nach Afghanistan

3. August 2021

Pro Asyl wirft der Bundesregierung vor, ihre Pläne für Abschiebungen nach Afghanistan rücksichtslos voranzutreiben. Das sei völlig unverantwortlich, angesichts des unaufhaltsamen Vorrückens der Taliban.

München, Deutschland | Demo gegen Abschiebungen nach Afghanistan
Protestaktion gegen Abschiebungen nach Afghanistan im Juni in MünchenBild: Alexander Pohl/NurPhoto/picture alliance

Die Menschenrechtsorganisation teilte mit, nach ihren Erkenntnissen stehe ein Abschiebeflug von Deutschland über Wien nach Kabul unmittelbar bevor. "Es ist völlig unverantwortlich, trotz des unaufhaltsamen Vorrückens der Taliban weiter nach Afghanistan abzuschieben", erklärte die rechtspolitische Referentin bei Pro Asyl, Wiebke Judith. Nach Informationen aus "gut unterrichteten Kreisen" sei ein eigentlich für den 10. August geplanter Abschiebeflug auf diesen Dienstag vorverlegt worden, erklärte die Organisation.

"Die Bundesregierung zieht alle Register, um die Menschen noch gerade rechtzeitig loszuwerden, bevor die Taliban auch Kabul eingenommen haben", kommentierte Judith das Vorgehen. "Das offenbart eine menschenverachtende Haltung." Nach Angaben der Organisation, die sich für den Schutz und die Rechte von asylsuchenden Menschen in Deutschland und Europa einsetzt, handelt es sich bei dem Flug um eine gemeinsame Aktion mit Österreich. Zunächst werde eine Maschine aus Deutschland Richtung Wien starten, von dort aus gehe es weiter nach Kabul.

Eilmaßnahme des Europäischen Gerichtshofs

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wandte sich mit einer Eilmaßnahme gegen eine mögliche Abschiebung aus Österreich nach Afghanistan gewandt. Ein Sprecher des Gerichtshofs bestätigte in Straßburg auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd), dass am Vortag eine sogenannte Vorläufige Maßnahme nach Artikel 39 der Verfahrensordnung ergriffen wurde. Der Artikel wird laut Gericht meist angewendet, wennunmittelbare Gefahr eines nicht wiedergutzumachenden Schadens droht.

 

Aufbruch afghanischer Sicherheitskräfte zum Einsatz gegen die TalibanBild: AA/picture alliance

Davon abgesehen gab es aus Berlin ein Dementi. "Planungen für einen solchen Flug bestehen nicht", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums der Nachrichtenagentur dpa auf Anfrage. Darüber hinaus könne sich das Ministerium zu etwaigen bevorstehenden Rückführungen grundsätzlich nicht öffentlich äußern, um die Durchführung der Maßnahmen nicht zu gefährden.

Deutschland plant keine Änderung der Abschiebepraxis

Ungeachtet des Vormarschs der radikalislamischen Taliban lehnt die Bundesregierung einen Stopp von Abschiebungen nach Afghanistan weiterhin ab. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums werden prioritär Straftäter abgeschoben. Allerdings seien grundsätzliche alle Afghaninnen und Afghanen ausreisepflichtig, die nicht über ein Aufenthaltsrecht in Deutschland verfügen.

Abschiebeflug nach Afghanistan vom Flughafen Leipzig aus (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

In den vergangenen Jahren waren ausschließlich Männer - vorwiegend Straftäter und sogenannte Terrorgefährder - gegen ihren Willen von Deutschland nach Afghanistan zurückgebracht worden.

Aus Deutschland sind 2021 laut Ministerium bislang 167 Menschen nach Afghanistan "zurückgeführt" worden. Die afghanische Regierung hatte die EU-Mitgliedsstaaten Mitte Juli aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage um einen Abschiebestopp gebeten.

Taliban übernehmen vielerorts die Kontrolle

Die afghanische Armee befindet sich derzeit an zahlreichen Fronten unter massivem Druck der Taliban. Mit Blick auf die Belagerung der südafghanischen Provinzhauptstadt Laschkar Gah durch die radikale Miliz hat ein afghanischer Kommandeur die Bewohner dazu aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen. Nach UN-Angaben wurden in Afghanistan seit Montag bei Gefechten mindestens 40 Zivilisten getötet und mehr als hundert weitere verletzt.

Afghanische Soldaten haben dem Druck der Taliban oftmals nur wenig entgegenzusetzenBild: AA/picture alliance

Die Vereinten Nationen haben die Kriegsparteien dazu aufgerufen, Zivilisten besser zu schützen. Die Bodenoffensive der militant-islamistischen Taliban und Luftangriffe der afghanischen Luftwaffe verursachten momentan den größten Schaden, teilte die UN-Mission in Afghanistan (Unama) auf Twitter mit. Sollten die Beteiligten nicht mehr für den Zivilschutz tun, drohten "katastrophale" Auswirkungen.

Unterdessen sind in der afghanischen Hauptstadt Kabul bei einer Explosion in der Nähe des Hauses des Verteidigungsministers mehrere Menschen verletzt worden. Mindestens sechs Patienten seien gebracht worden, teilte die Nichtregierungsorganisation Emergency, die ein Krankenhaus im Zentrum Kabuls betreibt, auf Twitter mit.

qu/ml (dpa, afp, epd)

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