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Proteste unerwünscht

18. Dezember 2008

Erneut wurden in Russland Aktionen der Opposition von Sicherheitskräften verhindert. Dutzende Teilnehmer wurden festgenommen. Der Menschenrechtler Lew Ponomarjow erläutert, warum die Staatsmacht die Proteste so fürchtet.

Lew Ponomarjow kämpft für BürgerrechteBild: Sergej Morozow

DW-Russisch: Herr Ponomarjow, auf was führen Sie die Verbissenheit der Staatsmacht zurück, mit der sie Aktionen der Opposition unterdrückt?

Lew Ponomarjow: Ich würde nicht von einer Verbissenheit der Staatsmacht sprechen. Es handelt sich um die feste Entscheidung, in Moskau keine Massenproteste zuzulassen, weil man genau weiß, dass Anfang der 90er Jahre die sogenannte "friedliche demokratische Revolution" hauptsächlich in Moskau, St. Petersburg und mehreren größeren Städten stattfand. Später kam es zu den "bunten Revolutionen". Sie siegten in Kiew, in Tiflis, aber sie erfassten nicht das gesamte Land. Deswegen weiß ich genau, dass man gegenüber den Massen in Moskau kein Auge zudrücken wird, weil ansonsten die Menschen mehr verlangen werden. Aber hier kann die Staatsmacht auch falsch liegen, denn die Unzufriedenheit wächst. Das brutale Vorgehen gegen die Massenproteste kann dazu führen, dass die Opposition an Anhängern gewinnt. Alles hängt von der realen Lage im Lande ab.

Glauben Sie, dass die Staatsmacht die Opposition fürchtet? Muss sie wirklich Angst vor den einigen hundert, manchmal sogar nur Dutzenden Menschen haben, die demonstrieren?

Wenn man den "Marsch der Dissidenten" genehmigt hätte, dann wäre man nicht auf mehr als 2.000 Teilnehmer gekommen. Die Staatsmacht befürchtet, dass, wenn man eine Aktion erlaubt, es bei der nächsten erlaubten Aktion 4.000 Teilnehmer sein werden und bei der übernächsten schon 8.000.

Die jüngsten Aktionen Mitte Dezember waren nicht genehmigt. Halten Sie das Vorgehen der Oppositionellen für gerechtfertigt, die trotzdem den "Marsch der Dissidenten" durchführen wollten?

In der Verfassung steht, dass das Volk das Recht hat, Massenaktionen durchzuführen. Es gibt ein Gesetz, in dem steht, dass die Behörden, mit denen die Aktionen abzusprechen sind, darüber informiert werden müssen, dass aber die Aktionen von den Behörden nicht zu genehmigen sind. Deswegen liegt hier ein grober Verstoß gegen das Gesetz vor.

Wird die Finanz- und Wirtschaftskrise die Proteststimmung in der Gesellschaft verstärken?

Man kann sagen, dass sie schon jetzt verstärkt wird. Die Proteste werden zunehmen. Wenn natürlich die Finanzkrise morgen überwunden wäre, würde sich die Proteststimmung in dieser Hinsicht schnell legen. Aber die Protestaktion, zu der es im Fernen Osten gekommen ist, zeigt, dass die Aktionen massenhaft und aggressiv sein können. Dort wurde versucht, einen Flughafen zu blockieren. Und das ist erst der Anfang, glaube ich. Die Staatsmacht hat immer noch nicht gelernt, mit den Bürgern zu kommunizieren.

Das Gespräch führte Viacheslav Yurin

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