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PolitikAsien

Menschenrechtstribunal erregt Zorn Teherans

9. Februar 2022

Iranische Aktivisten wollen hochrangige Funktionäre wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" anklagen. Sie berufen sich auf das Weltrechtsprinzip.

Betroffene und Augenzeugen wurden eingeladen, bei dem virtuellen Tribunal auszusagen
Betroffene und Augenzeugen wurden eingeladen, bei dem virtuellen Tribunal auszusagenBild: Aban Tribunal

Auf eine virtuelle Veranstaltung für die Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen im Iran hat Teheran mit Empörung reagiert. Das von den drei Organisationen "Justice for Iran", "Iran Human Rights (IHR)" und "Ensemble contre la peine de mort, ECPM (Gemeinsam gegen die Todesstrafe)" organisierte Tribunal in London sei "eine toxische Aktion gegen den Iran gewesen", schimpfte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Saeed Khatibzadeh am Montag gegenüber der Presse. Man habe sich bei der britischen Regierung beschwert. Diese solle solche Veranstaltungen verhindern. 

Die drei Menschenrechtsorganisationen hatten Betroffene und Augenzeugen aus dem Iran eingeladen, bei dem virtuellen Tribunal auszusagen. Konkret ging es um die Massenproteste im November 2019 und die Frage, ob die Machthaber bei der Unterdrückung der Proteste Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. 

Hochrangig besetztes Tribunal

Insgesamt seien gegen 160 hochrangige Funktionäre der Islamischen Republik schwere Vorwürfe erhoben worden, teilt Mahmoud Amiri Moghaddam, der Direktor der Organisation "Iran Human Rights (IHR)" im Gespräch mit der Deutschen Welle mit. Auch Staatsoberhaupt Ayatollah Chamenei und Präsident Raisi sind unter den Beschuldigten. Sie sollen unter anderem paramilitärischen Truppen befohlen haben, auf die Menschen zu schießen, die sich nach der plötzlichen Erhöhung der Benzinpreise auf den Straßen versammelt hatten. "Wenn die Jury sie schuldig spricht, dann könnten sie außerhalb des Irans vor Gericht gestellt und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt werden", sagt Moghaddam.  

Virtuelles Tribunal in LondonBild: Twitter/Aban Tribunal

Eine sechsköpfige Jury soll die Aussagen von insgesamt 275 Zeugen bewerten und beurteilen. Der Jury gehören an: Carla Forstmann, Expertin der UN-Antifolterkonvention; Wayne Jordash, internationaler Menschenrechtsanwalt mit Erfahrung beim Internationalen Strafgerichtshof; Nursyahbani Katjasungkana, Anklägerin beim 2017 geschlossenen Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien ("Haager Tribunal") ; Colleen Rohan, Anwältin mit Erfahrung in mehreren internationalen Tribunalen darunter ebenfalls das "Haager Tribunal"; Elham Saudi, Professorin für Völkerrecht und Leiterin der libyschen Organisation der MenschenrechtsverteidigerInnen; Zak Yakoob, Richter am Verfassungsgericht von Südafrika. 

Das Tribunal sei nur ein erster Schritt, betont Mahmoud Amiri Moghaddam. "Wir wollen den Tätern deutlich machen, dass ihre Verbrechen Konsequenzen haben werden." Das Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht soll verhindern, dass Menschen, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord oder Kriegsverbrechen  begangen haben, staatliche Zuflucht außerhalb ihrer Heimatländer finden können. Dieses Prinzip fand unter anderem beim Koblenzer Prozess gegen einen früheren syrischen Geheimdienstoffizier Anwendung.

Staatsfolter vor Gericht

12:33

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In Schweden steht ein Mitarbeiter der iranischen Justiz seit August 2021 vor Gericht: Wegen der mutmaßlichen Beteiligung an Massenhinrichtungen von politischen Gefangenen im Sommer 1988 im Iran. Er war 2019 auf einer Privatreise nach Schweden verhaftet worden.

Auch Irans Präsident Ebrahim Raisi trägt eine Mitverantwortung an den Massenhinrichtungen von 1988. Als stellvertretender Generalstaatsanwalt von Teheran war er Mitglied der sogenannten "Todeskommission". Während der Unterdrückung der Massenproteste im November 2019 war er Irans Justizchef. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International wollen Ebrahim Raisi wegen seiner Verwicklung in vergangene und anhaltende Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Rechenschaft ziehen.

Irans Präsident Ebrahim RaisiBild: Ebrahim Noroozi/AP/picture alliance

"Solange Raisi Irans Präsident ist, kann er leider nicht auf einer Auslandreise verhaftet werden", sagt Iraj Mesdaghi, ehemaliger politischer Gefangener im Iran, der das Massaker von 1988 überlebt hat; heute lebt er in Schweden. "Der UN-Sicherheitsrat ist das einzige Gremium, das eine Untersuchung gegen Irans Präsident vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag anordnen könnte. Aufgrund seiner Zusammensetzung wird er das aber vermutlich nicht tun. Irans Verbündete China und Russland sind Mitglied dieses Rates und werden das nicht erlauben."

Raisi wird aber nicht für immer Irans Präsident bleiben. Irans früherer Justizchef Ajatollah Mahmud Haschemi Shahroudi wäre 2018 fast in Deutschland verhaftet worden. Er war für eine medizinische Behandlung nach Hannover gereist. Nach Einschaltung der Bundesanwaltschaft wegen möglicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit hat er seine Behandlung in Deutschland abgebrochen und das Land schnell verlassen.

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