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Politik

Menschenrechtsverteidiger in Gefahr

Nina Werkhäuser
8. Dezember 2016

Wer sich für die Menschenrechte einsetzt, riskiert in vielen Ländern sein Leben: Mehr als 150 Menschenrechtsaktivisten wurden 2015 weltweit getötet. Und die Repressionen nehmen zu, so Amnesty International.

Protest für freie Meinungsäußerung in der Türkei in Berlin, Foto: picture-alliance/dpa/N. Armer
Bild: picture-alliance/dpa/N. Armer

"Erst gestern wurde uns eine Geldstrafe von 300.000 Rubeln aufgebrummt", berichtet der russische Menschenrechtsaktivist Grigory Okhotin auf einer Pressekonferenz von Amnesty International in Berlin. Okhotin ist Vorstandsmitglied der NGO Memorial International. Die weigert sich, sich als sogenannter "ausländischer Agent" beim russischen Justizministerium registrieren zu lassen, wie es das Gesetz von Nichtregierungsorganisationen verlangt, die Geld aus dem Ausland erhalten. Dafür wurde die Geldstrafe von umgerechnet rund 5000 Euro verhängt.

"Das war keine große Überraschung für uns", sagt Okhotin. In Russland stünden Nichtregierungsorganisationen allgemein unter großem Druck, auch Memorial. "Sie diffamieren uns, sie nennen uns Feinde des Staates oder Unterstützter des Terrorismus", erklärt Okhotin. Damit meint er die Berichterstattung in den staatlichen Medien sowie Demonstranten, die regelmäßig vor dem Büro der Organisation aufkreuzen oder Veranstaltungen stören. "Wenn sie aggressiv werden, dann greift die Polizei nicht ein."

"Der Staat diffamiert uns" - Grigory Okhotin von der russischen Nichtregierungsorganisation Memorial InternationalBild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Angriffe auf die Zivilgesellschaft

Nach den Recherchen von Amnesty International haben bereits 27 der 148 als "ausländische Agenten" registrierten russischen NGOs ihre Arbeit eingestellt. Auch in vielen anderen Ländern seien Menschenrechtsaktivisten zunehmend Repressionen und Gewalt ausgesetzt. Mindestens 156 Verteidiger von Menschenrechten seien im vergangenen Jahr weltweit getötet worden, berichtet die Organisation anlässlich des Internationalen Tags der Menschenrechte. "Die Lage ist alarmierend." Vor diesem Hintergrund müssten Einrichtungen wie die Vereinten Nationen und der Internationale Strafgerichtshof gestärkt werden. Amnesty International selbst will den Schutz von Menschenrechtsverteidigern im kommenden Jahr zu einem Schwerpunktthema machen.

Menschenrechtsverletzungen in der Türkei

"Türkei foltert": Amnesty-Generalsekretär Markus BeekoBild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Als besonders schwierig wertet Amnesty International die derzeitige Lage in der Türkei, wo seit dem gescheiterten Putschversuch der Ausnahmezustand herrscht. "Der UN-Sonderberichterstatter gegen Folter spricht von weit verbreiteter Folter unmittelbar nach dem gescheiterten Putschversuch", sagt Markus Beeko, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland. "Nach unseren Erkenntnissen wird auch weiterhin in der Türkei gefoltert." Unabhängige Beobachter müssten daher ungehinderten Zugang zu Polizeistationen und Gefängnissen erhalten. 

"Die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsrechte bleiben in der Türkei weiter massiv eingeschränkt und die türkische Regierung geht systematisch gegen jegliche Form von Kritik vor", kritisiert Beeko. Seit Beginn des Ausnahmezustands seien mehr als 160 Medien geschlossen worden und 130 Journalisten säßen in Untersuchungshaft. Die Regierung von Recep Tayyip Erdogan habe außerdem die Schließung von 375 Nichtregierungsorganisationen angeordnet, darunter Anwaltsvereine, Frauenrechtsorganisationen und die führende Kinderrechtsorganisation in der Türkei. 

Seit dem gescheiterten Putschversuch gibt es in der Türkei eine Welle von Entlassungen und Verhaftungen Bild: Reuters/S. Kayar

Nach Kritik entlassen

Die Einschränkungen für die Zivilgesellschaft hat Zeynep Kivilcim, Professorin für Völkerrecht an der Universität Istanbul, am eigenen Leib erfahren: Ende Oktober wurde sie entlassen - wegen ihrer Unterschrift unter der Petition "Akademiker für den Frieden", die mehr als 2000 türkische Akademiker und Wissenschaftler unterzeichnet haben. Darin distanzieren sie sich von der Gewalt des türkischen Staates gegenüber der Zivilbevölkerung, insbesondere in den Kurdengebieten. Von ihrer Entlassung erfuhr die Professorin während eines Aufenthalts in Deutschland, wo sie vorerst bleiben möchte. In der Türkei, so berichtet sie auf der Pressekonferenz von Amnesty International, drohe ihr eine Gefängnisstrafe von siebeneinhalb Jahren.

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