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Politik

Mehr Menschenschmuggel nach Griechenland

Diego Cupolo
15. September 2017

Seit einem Jahr sind nicht mehr so viele Migranten von der Türkei aus auf die griechischen Ägäisinseln gekommen wie jetzt. Die Aufnahmezentren platzen aus allen Nähten. Diego Cupolo berichtet.

Griechenland Lesbos Ankunft von Flüchtlingen an der Küste
Bild: DW/Diego Cupolo

Wieder haben Hilfsorganisation Mühe, die wachsende Zahl von Menschen unterzubringen, die über das Meer kommen und auf den griechischen Inseln um Asyl bitten. Trotz verstärkter Patrouillen in der Ägäis, die die Schleuser abschrecken sollen, erreichten im August rund 3700 Menschen die Inseln, seitdem waren es immerhin noch etwa 400 pro Woche.

Als Ursache gilt das für die Jahreszeit typische stabile Wetter mit entsprechend ruhiger See. Manche Leute sagen aber auch, die Befreiung von Gebieten in Syrien und dem Irak vom "Islamischen Staat" könnte eine Rolle spielen, da neue Flüchtlinge in der Türkei einträfen und sich von dort gleich weiter nach Griechenland aufmachten. "Aus Syrien und aus bisher belagerten Städten gibt es viele Neuankömmlinge", sagt Louise Roland-Gosselin von der Organisation Ärzte ohne Grenzen. "Für uns ist es schwierig, das zu überprüfen, aber das sagen jedenfalls die, die hier ankommen."   

Nachdem im März 2016 das EU-Türkei-Abkommen in Kraft getreten war, das die irreguläre Migration stoppen sollte, ging die Zahl der Flüchtlinge zunächst stark zurück. Im Oktober vergangenen Jahres stieg sie noch einmal an, bevor sie wieder abnahm und bis vor kurzem niedrig blieb.

Eine Gruppe Asylbewerber erreicht Lesbos auf dem Höhepunkt der FlüchtlingskriseBild: DW/Diego Cupolo

Die Inseln quellen über

Auch wenn sich die jetzigen Zahlen nicht mit denen auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 vergleichen lassen, als es täglich 10.000 waren, kommen doch wieder so viele Menschen, dass sich die Hilfsorganisationen Sorgen machen. Sie berichten von überfüllten Aufnahmezentren auf Lesbos, Chios, Samos und Leros. Seit Ende Juli habe sich die Zahl der Asylbewerber beispielsweise auf Samos fast verdoppelt, sagt Bogdan Andrej von der Organisation Samos Volunteers. Das einzige Aufnahmezentrum der Insel ist für 700 Menschen ausgelegt, beherbergt aber zur Zeit etwa 2200, darunter rund 600 Minderjährige. Wegen Platzmangels haben einige Neuankömmlinge um die Unterkunft herum Zelte aufgeschlagen. Circa 200 Menschen haben versucht, eine Unterkunft bei religiösen oder Wohltätigkeitsorganisationen zu finden, die auf der Insel tätig sind.

Bogdan Andrej, der seit dem Sommer vergangenen Jahres auf der Insel arbeitet, erzählt von unhygienischen Verhältnissen in den Aufnahmelagern und verschärften Spannungen unter Flüchtlingen durch die Überfüllung; dadurch litten die Schwächsten besonders. "Jedesmal, wenn das Lager überfüllt ist, steigt auch das Sicherheitsrisiko", sagt Andrej der Deutschen Welle. "Vergangene Nacht zum Beispiel gab es eine Riesenschlägerei zwischen Kurden und syrischen Arabern." Boris Tscheschirkow, Sprecher des UNHCR in Griechenland, berichtet außerdem von sich häufenden Fällen von Selbstverletzungen und sexuellen Übergriffen, die er ebenfalls auf Platzmangel und die lange Aufenthaltsdauer auf den Inseln zurückführt.

Im Moment, so Tscheschirkow, lebten in den Aufnahmezentren auf den Inseln insgesamt etwa 10.000 Personen. In den Zentren beginnt der Asylprozess für diejenigen, die um internationalen Schutz bitten. Wer Aussicht  auf Erfolg hat, wird oft in Unterkünfte auf dem griechischen Festland überführt, um die Inseln zu entlasten. Doch im vergangenen Monat kamen mehr Menschen auf den Inseln neu an als aufs Festland gebracht wurden.Das hat zu der jetzigen Überfüllung geführt.

"Die Asylverfahren sind immer noch ziemlich langsam, vor allem die Berufungsphase. Daher staut es sich trotz der Anstrengungen der Regierung und des UNHCR", sagt Tscheschirkow der Deutschen Welle. Seit März 2016 sind etwa 1300 Menschen, denen Asyl verwehrt wurde, unter dem EU-Türkei-Abkommen von Griechenland in die Türkei zurückgebracht worden.

Das Aufnahmezentrum Moria auf Lesbos platzt aus allen NähtenBild: DW/Diego Cupolo

Mögliche "Push"-Faktoren

Abgesehen von der Vermutung, Menschen flüchteten jetzt aus Gegenden, die vom IS befreit wurden, glauben manche auch, die sich verschlechternden Beziehungen zwischen der EU und der Türkei spielten eine Rolle. Ali Guray Yalvacli, Leiter der Hilfsorganisation Imece Inisiyatifi Cesme, die sich um Flüchtlinge in der Nähe des türkischen Izmir kümmert, sagt, die Boote der NATO und der griechischen und türkischen Küstenwache patrouillierten zwar nach wie vor in der Ägäis, doch ein Teil der Flüchtlinge fühle sich offenbar durch die zunehmend feindselige Rhetorik zwischen EU-Vertretern und dem türkischen Präsidenten Erdogan zur Flucht ermutigt.

"Die Flüchtlinge glauben, dass die türkische Seite die Patrouillen zurückfahren wird, wenn die Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei anhalten", sagt Yalvacli gegenüber der DW. "Aber als jemand, der in Cesme lebt und die Lage dort ständig beobachtet, kann ich sagen, dass es so etwas wie verminderte Patrouillen nicht gibt. Sie gehen ganz normal weiter."

Auf den griechischen Inseln sagen die freiwilligen Helfer der Flüchtlingsorganisationen, sie würden zunächst einmal weiter versuchen, die Neuankömmlinge unterzubringen, dies in der Hoffnung, dass sich die Bedingungen vor dem Beginn der Winterkälte verbessere. "Wenn sich keine anderen Unterkunftsmöglichkeiten finden, bevor das Wetter schlechter wird", sagt Bogdan Andrej auf Samos, "wird es viel schlimmer als letztes Jahr".    

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