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Politik

Menschheit lebt fortan bis Jahresende bei der Natur auf Pump

28. Juli 2022

Ab sofort hat die Erdbevölkerung rechnerisch die verfügbaren natürlichen Ressourcen für dieses Jahr verbraucht. Darunter leiden Wälder, Gewässer und Felder, aber auch künftige Generationen.

Brasilien Abholzung des Regenwaldes
Viele Stämme aus dem Regenwald in Brasilien landen in einer Holzfabrik wie dieser in AltamiraBild: Marcelo Sayao/dpa/picture alliance

Der Donnerstag markiert nach Berechnungen von Umweltexperten als sogenannter Erdüberlastungstag den Zeitpunkt, an dem die Menschheit alle Ressourcen aufgebraucht hat, die ihr eigentlich zur Verfügung stehen und die der Planet in einem Jahr auf natürlichem Wege ersetzen könnte. Der Tag liegt damit früher als noch im vergangenen Jahr. Das ergaben Berechnungen des Global Footprint Networks mit Sitz in den USA und der Schweiz. Damit bräuchte die Weltbevölkerung nach Angaben der Organisation angesichts ihres wachsenden Ressourcenverbrauchs eigentlich 1,75 Erden.

"In den (bis zum Jahresende) verbleibenden 156 Tagen wird unser Verbrauch erneuerbarer Ressourcen darin bestehen, am Natur-Kapital des Planeten zu knabbern", sagte Laetitia Mailhes vom Global Footprint Network. Besonders hoch ist der ökologische Fußabdruck von Industriestaaten. Einzeln betrachtet hatte Deutschland schon Anfang Mai den ihm zustehenden Vorrat an natürlichen Ressourcen für dieses Jahr aufgebraucht. Würden alle Länder so haushalten wie Deutschland, wären nicht nur 1,75, sondern rund drei Erden nötig.

Übermäßiger Ressourcenverbrauch wächst und wächst

Der globale Erdüberlastungstag ("Earth Overshoot Day") verschiebt sich bereits seit 20 Jahren nahezu kontinuierlich immer weiter nach vorn. 1970 überstieg der Verbrauch nach Angaben von Germanwatch zum ersten Mal die vorhandenen Ressourcen, bis 2000 wanderte der Erdüberlastungstag bereits vom Dezember in den September. Im Jahr 2000 fiel das Datum noch auf den 23. September und lag damit fast zwei Monate später als heute. Die Coronapandemie bewirkte eine Ausnahme: Im Jahr 2020 ließen gedrosselte Wirtschaftsaktivitäten und Lockdown-Maßnahmen insbesondere den CO2-Ausstoß sinken und verzögerten das symbolträchtige Datum bis zum 22. August.

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Schon im Folgejahr trat die Gegenbewegung ein und der Erdüberlastungstag wurde im Jahr 2021 auf den 29. Juli berechnet - wie auch schon vor der Pandemie im Jahr 2019. Nachträglich wurde der entsprechende Termin auf den 30. Juli korrigiert. In diesem Jahr ist es nun der 28. Juli. Die Umweltschutzorganisation WWF hat das Vorrücken des Erdüberlastungstags als "ökologische Bankrotterklärung der Menschheit" bezeichnet.

Ist das Lieferkettengesetz ein wirksamer Hebel?

Gerade Industrieländer seien Teil des Problems, sagte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze. Deutschland habe mit dem Lieferkettengesetz bereits einen wichtigen Schritt gemacht. Wichtig sei nun, auch auf europäischer Ebene beim Lieferkettengesetz Umweltschutz und Klima stärker miteinzubeziehen, so die SPD-Politikerin. "Wir dürfen es uns in Europa nicht länger erlauben, mit unserem Konsum Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen in anderen Teilen der Welt zu importieren", sagte sie.

"Die Konsequenzen dieser Übernutzung bürden wir insbesondere den Armen heute und den nachfolgenden Generationen auf - und das mit wachsender Intensität", erklärte Christoph Bals von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch. Das Klima sei aus den Fugen, betonte Olaf Bandt, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND). "Wir müssen die dramatischen Auswirkungen der Klimakrise und des weltweiten Artensterbens unverzüglich begrenzen."

Der Gesetzgeber ist gefragt

Die Organisationen sehen vor allem Unternehmen und Politik in der Verantwortung. "Die Bundesregierung muss klare gesetzliche Vorgaben in die Wege leiten, die den planetaren Grenzen Rechnung tragen: Für den Ressourcenschutz, die Energieeffizienz und den Bodenschutz", sagte Bandt.

Germanwatch sieht Deutschland und die Europäische Union in der "besonderen Verantwortung", den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Dafür solle sich die Bundesregierung stärker in die Verhandlungen zum Klimapaket der EU einbringen. "Das Paket sollte beispielsweise sicherstellen, dass der Luftverkehr endlich Zertifikate im Emissionshandel für seine volle Klimawirkung kaufen muss."

kle/se (dpa, afp)

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