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Politik

Brüsseler Basar

Barbara Wesel Brüssel
23. Februar 2018

Der Sondergipfel in Brüssel war eine erste Aussprache zum heiklen Thema EU-Haushalt 2020. Denn nach dem Brexit fehlt im nächsten Budget Geld. Sollen also alle mehr zahlen oder mehr sparen? Aus Brüssel Barbara Wesel.

EU Gipfel Merkel Gespräche Orban Borissov
Bundeskanzlerin Merkel im Gespräch mit Ungarns und Bulgariens Premierministern Viktor Orban (l), Boyko Borissov (m) und Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite (r) Bild: Getty Images/AFP/O. Hoslet

Der Streit ums Geld ist wie in vielen Familien auch in der EU die Mutter aller Schlachten. Nach dem Brexit werden im nächsten Budget bis zu zehn Milliarden Euro fehlen. Wird die Lücke für die siebenjährige Haushaltsperiode ab 2020 gefüllt oder wird einfach gespart und weniger ausgegeben? Soll der rund eine Billion Eurostarke EU-Haushalt richtig wachsen, wie das Europaparlament fordert, oder wenigstens auf gleichem Niveau bleiben, wie Deutschland und andere vorschlagen? Am Ende des Kampfes wird ein Kompromiss stehen. Bis dahin wird gedealt und gefeilscht wie im Basar, und die Regierungschefs lassen ihrem inneren Teppichhändler freien Lauf.

Die großen Zwei

Angela Merkel war nach Ende des ersten Treffens zum Haushalt extrem diplomatisch: Die Gespräche seien "umfassend und konstruktiv" gewesen. Es gab keine roten Linien, sondern alle zeigten sich zunächst aufgeschlossen für Veränderungen, berichtete sie. Ein Konsens zeichnet sich schon jetzt dafür ab, den nächsten EU-Haushalt zu modernisieren: Das bedeutet, man will mehr Geld für die Stabilisierung von Afrika, für die Forschungsförderung besonders im Hinblick auf Digitalisierung, für die Verteidigung der EU und für den Schutz der Außengrenzen ausgeben. 

Der Frieden an der Oberfläche wird anhalten, bis es um die Um- und Neuverteilung geht. Bei den Verhandlungen, die Ende des Jahres beginnen, wird Deutschland eine starke Karte spielen können: Schon jetzt ist Berlin größter Nettozahler der EU. Kommt es Anfang März zu der neuen großen Koalition in Berlin, dann sei die Bundesregierung bereit, rund ein Drittel des Brexit-Finanzlochs zu schließen. So hat es jedenfalls EU-Haushaltskommissar Günther Öttinger angekündigt. Und mit diesem Hebel wird Kanzlerin Merkel in späteren Verhandlungsrunden eine Menge bewegen können, wenn es um die Umschichtung von Geldern und die Finanzierung neuer politischer Aufgaben geht.

Der andere Mitspieler heißt hier Emmanuel Macron. Von ihm hat man zwar noch nichts über den französischen Beitrag gehört, aber er hat angekündigt, das System der Agrarbeihilfen zu reformieren. Sie sind nach wie vor im EU-Haushalt der größte Posten. Macron kündigte jetzt an, fünf Milliarden Euro aus dem eigenen Etat zu investieren, um die französische Landwirtschaft zu modernisieren und den Bio-Anbau zu stärken.

Ein mutiges Unternehmen, an das sich noch kein französischer Präsident vor ihm herangewagt hat. Macht Macron wirklich Mittel aus dem europäischen Agrar-Etat frei, können sie endlich in andere Politikfelder umgeschichtet werden. Deutschland und Frankreich, so sieht es derzeit aus, werden darauf hinarbeiten, wenigstens den finanziellen Status quo der EU auch nach dem Brexit zu erhalten.

Die geizigen Vier

Die Niederlande, Österreich, Dänemark und Schweden sind bekannt dafür, dass sie regelmäßig gegen eine Ausweitung des EU-Haushalts auftreten. Österreichs neuer Kanzler Sebastian Kurz schlug in Brüssel schon gleich einen Pflock ein: "Die EU muss schlanker werden", sagte er bei seinem ersten Gipfel-Auftritt, man solle nach dem Brexit eben sparen. Und wer Geld für neue Aufgaben wie Sicherung der Außengrenzen oder Verteidigung wolle, müsse eben Mittel umschichten. Nettozahler Österreich jedenfalls weigert sich zum Auftakt, mehr in die Gemeinschaftskasse zu zahlen.

Der entschiedenste Sparmeister ist in diesem Quartett der Niederländer Mark Rutte. Sein Finanzminister beklagte vor Beginn der Gespräche erneut den Brexit: Die Briten seien immer verlässlichster Bundesgenosse gewesen, um EU-Verschwendung zu bremsen.

Verschärfte Kontrollen: Die EU will in die Digitalisierung und die Absicherung ihrer Aussengrenzen investierenBild: picture-alliance/dpa/T. Hase

Und Premier Rutte erklärte in Brüssel kategorisch, dass man eben mit einer Kürzung des Haushaltes leben müsse. Von den Niederlanden jedenfalls, pro Kopf größter Nettozahler der EU, sei kein Euro mehr zu erwarten. Gleichzeitig will auch er das Budget modernisieren, einige Ausgaben kürzen und stattdessen Geld in den Grenzschutz oder den Kampf gegen Cyber-Kriminalität stecken.

Musterschüler Slowakei und Rumänien

Alle osteuropäischen Länder, allen voran Polen und Ungarn als größte Empfängerländer, bekommen Milliarden aus dem Topf für Regionalhilfen. Daraus werden vor allem Infrastrukturmaßnehmen bezahlt, zu denen traditionell auch überflüssige Autobahnteilstücke, ungenutzte Regional-Flughäfen und Luxusprojekte gehören, wie die Privat-Bahnstrecke im ungarischen Heimatdorf von Viktor Orban. Es profitieren in strukturschwachen Gebieten allerdings auch Arbeitslose, Unternehmensgründer oder Jugendliche ohne Ausbildung.

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki gab sich in Brüssel ungewohnt versöhnlich, man wolle einen "guten und fairen Kompromiss". Sein Land hat bei Kürzungen und Umschichtungen am meisten zu verlieren. Und Slowaken und Rumänen zeigen sich sogar als Musterschüler und sind bereit, ihrerseits etwas mehr in den Haushalt einzuzahlen.

Zu den Empfängern gehören aber auch westliche Mitgliedsländer wie das ewig schwächelnde Griechenland, Spanien und Portugal. Angesichts der inzwischen genesenden starken spanischen Volkswirtschaft ist die Frage, inwieweit die Regierung in Madrid weiterhin mehr aus dem EU-Haushalt erhalten sollte, als sie einzahlt. Würde sich am Ende in Brüssel der Sparkurs durchsetzen, könnte das für einige das Ende jahrzehntelanger Privilegien bedeuten.

Plausch auf dem Sondergipfel: Frankreichs Präsident Macron und EU-Kommissionspräsident Juncker. Die Sondierungen für Junckers Nachfolger haben bereits begonnen Bild: Reuters/Y. Herman

Schlüsselamt Kommissionspräsident

Ausländische Journalisten hatten bei diesem Gipfel viel Spaß damit, das schwierige deutsche Wort "Spitzenkandidat" auszusprechen. Es geht um die Wahl des nächsten EU-Kommissionspräsidenten, einen der mächtigsten Posten in Europa. Die Christdemokraten im Europaparlament hatten gefordert, die stärkste Fraktion nach den Europawahlen im Frühjahr 2019 sollte über seine Ernennung bestimmen. Und damit meinte die EVP natürlich sich selbst. Die Regierungschefs aber sehen das anders: "Es gibt keinen Automatismus", sagte Angela Merkel kühl. Sie wollen sich die endgültige Auswahl des geeigneten Kandidaten oder der Kandidatin nicht aus der Hand nehmen lassen.

Und schließlich die sogenannte Konditionalität: Hinter dem Wort verbirgt sich eine Drohung gegenüber Ungarn und Polen, die Verteilung von Regionalhilfen künftig an demokratisches Wohlverhalten und Solidarität bei der Flüchtlingsverteilung zu knüpfen. Dafür gab es ziemlich wenig Unterstützung, obwohl viele westeuropäische Regierungen die anti-demokratischen Tendenzen in beiden Ländern sehr kritisch sehen.

Kommissionpräsident Juncker allerdings hatte eingewandt, so etwas werde zu einer weiteren Spaltung von Europa führen. Und dieses Argument scheint zu ziehen – am Ende schien auch Angela Merkel hierzurückzurudern. Aber die Haushaltsverhandlungen fangen gerade erst an. Echte Drohkulissen sind am europäischen Horizont noch nicht zu erkennen.

 

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