Eine ungewöhnliche Geste
18. Februar 2015Zumindest ein Wunsch geht für Angela Merkel an diesem Samstag nicht in Erfüllung. "Beim nächsten Mal gehen wir auf die Piazza und essen eine Pizza", sagte die deutsche Regierungschefin am Pfingstsamstag 2013 zu ihrem Gastgeber Papst Franziskus. Nun reist sie wieder nach Rom, fährt am Samstag wieder zur Privataudienz in den Vatikan. Nach Franziskus' Amtseinführung, bei der Merkel auch zugegen war, nun zwei solcher offizieller Audienzen in 21 Monaten - das hat im offiziellen päpstlichen Rahmen einen ausgesprochenen Seltenheitswert. Die Kanzlerin steht nun eben auch für die G7-Präsidentschaft - so bekommt sie es hin.
Nach der ersten Begegnung 2013 wirkte Merkel - was sie sich sonst selten anmerken lässt - spürbar gelöst und gerührt und fast auch ein wenig stolz. Franziskus, gerade einmal neun Wochen im Amt, saß mit ihr im Apostolischen Palast 47 Minuten zum Vier-Augen-Gespräch zusammen. Selbst für Staatspräsidenten und gekrönte Häupter sieht das Protokoll meist nur 20 Minuten vor. Nun ist es wieder ein Samstag, doch aus der Pizza auf der Piazza wird nichts (auch wenn man diesem Kirchenoberhaupt so manches zutraut). Das mag daran liegen, dass der Übersetzer die Bemerkung damals deutsch einfach so stehen ließ. Aber die Zeiten und Themen sind auch ernster 2015.
Klimaschutz und Konflikte
Der Papst interessiere sich für Themen wie Armutsbekämpfung, Klimaschutz und Gesundheit, erläuterte Merkel am Wochenende. Das Bundespresseamt nannte zudem den interreligiösen Dialog, die Globalisierung, internationale Krisen und Konflikte sowie die Rolle Europas in der Welt. Den Papst beschäftigt sicher die vielfach dramatische Lage der Christen im Nahen Osten und Europas Abschottung gegenüber Flüchtlingen, vermutlich auch der Krieg in der Ost-Ukraine. Mit mehreren, zum Teil untereinander verfeindeten christlichen Konfessionen ist die Ukraine für Rom ein schwieriges Pflaster. In dieser Woche berichten die katholischen Bischöfe des Landes dem Papst, der einen seiner Top-Diplomaten, Erzbischof Thomas Gullickson, als Botschafter in Kiew hat. Eigentlich arbeitet der Vatikan seit langem an besseren Beziehungen zur russischen Orthodoxie. Denn Russland und Moskau - sie gehören auf der päpstlichen Reisekarte noch zu den weißen Flecken.
Neben aller Politik: Am Samstag begegnen sich auch getrennte Konfessionen. Franziskus aus dem überwiegend katholischen Argentinien - die Kanzlerin, Tochter eines protestantischen Pfarrers, die vor dem Mauerfall 1989 Katholiken kaum begegnete. Beide werden gewiss auch das Jahr 2017 im Blick haben, in dem sich der legendäre Thesenanschlag Martin Luthers und der Beginn der Reformation zum 500. Mal jähren. Mit seiner Warnung, der Glaube dürfe nicht allein zu einer "Kulturangelegenheit" werden, habe Franziskus "sehr Recht", sagte Merkel am Samstag. "Es geht hier nicht darum, dass wir irgendeine kulturelle Schilderung geben, sondern Glauben betrifft ja jeden einzelnen Menschen." Ihr persönlich als evangelische Christin sei der Glaube "in der Frage der eigenen Lebensführung eine wichtige Sache", so die Kanzlerin. Gott gebe ihr Orientierung, Halt, auch Zutrauen.
Im Herbst am East River?
Bemerkenswert ist übrigens nicht nur die bereits zweite Audienz binnen 21 Monaten. Diese Wiederholung erinnert auch daran, dass Angela Merkel während der knapp acht Jahre von Benedikt XVI. (2005-2013), dem Papst aus Deutschland, kein einziges Mal direkt in den Vatikan reiste. Es gab ein erstes Treffen im August 2006 in Castelgandolfo bei Rom, danach kam es nur noch zu offiziellen Begegnungen während Benedikts Deutschlandreisen 2006 und 2011. Spätestens seit dem Skandal um einen Holocaust-leugnenden Traditionalistenbischof im Jahr 2009 und Merkels ungewöhnlich deutlicher Aufforderung zu mehr kirchlichem Engagement gegen Antijudaismus war die Atmosphäre dahin. Der Protestantin Merkel scheint der volksnah wirkende Argentinier näher als ihr Landsmann.
Audienz eins, Audienz zwei. Wer weiß, vielleicht begegnen Papst und Kanzlerin einander in diesem Jahr noch einmal. Ende September will Franziskus in New York sein. Vieles deutet darauf hin, dass er - wie seine Vorgänger Paul VI, Johannes Paul II. und Benedikt XVI. - vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen sprechen wird, an der zahlreiche Staats- und Regierungschefs aus aller Welt teilnehmen werden. Seit vielen Monaten arbeitet die Unionsfraktion an einer internationalen Parlamentarier-Tagung zum Thema Religionsfreiheit Ende September in New York, am Rande der UN-Vollversammlung. Die deutsche Regierungschefin wurde da früh als Rednerin genannt.