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Politik

Der Klimaschutz tritt auf der Stelle

19. Juni 2018

Beim Petersberger Klimadialog in Berlin sind die Rollen etwa anders verteilt als in den Jahren zuvor: Deutschland ist nicht mehr Vorreiter im Klimaschutz - und gibt das sogar zu. Aus Berlin Jens Thurau.

Petersberger Klimadialog
Er hält nicht viel vom Klimaschutz: Polens Premier Mateusz MorawieckiBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Endlich mal kein Streit mit der CSU, auch kein Tweet-Angriff von Donald Trump: Bundeskanzlerin Angela Merkel müsste diesen Termin gleich an diesem Dienstagmorgen eigentlich mögen. Eigentlich. Vor ihr in der noblen Niederlassung der DZ Bank - direkt am Pariser Platz im Herzen Berlins - sitzen Umweltpolitiker und Minister aus 30 Ländern. Mit Mateusz Morawiecki aus Polen ist sogar ein Ministerpräsident gekommen. Zum neunten Mal richtet die Bundesregierung den sogenannten "Petersberger Klimadialog" aus. Und Merkel, die frühere Umweltministerin, die einmal weltweit als "Klimakanzlerin" galt, muss Abbitte leisten: "Wir in Deutschland müssen zugeben, dass wir besser werden müssen", sagt die Kanzlerin. Zuletzt sind nämlich die Treibhausgase der Deutschen wieder mehr geworden. Die ehrgeizigen Ziele, bis 2020 40 Prozent einzusparen, werden verfehlt - krachend verfehlt sogar, nicht einmal 32 Prozent, so glauben Experten, sind noch zu schaffen. Eine Blamage.

Der Klimadialog: Eine deutsche Erfindung

Besonders peinlich ist es, dass beim Petersberger Klimadialog zugeben zu müssen. Denn den hat Deutschland 2010 selbst ins Leben gerufen, nachdem zuvor die UN-Klimakonferenz in Kopenhagen kläglich mit dem Plan gescheitert war, einen neuen weltweiten Klimavertrag auf die Beine zu stellen. Deutschland mit Merkel und ihrem damaligen Umweltminister Norbert Röttgen scharte eine Gruppe von Ländern um sich, die sich selbst als Klub der Willigen betrachtete. Man traf sich das erste Mal auf dem Bonner Petersberg, daher der Name des Treffens, das seit 2011 jährlich in Berlin stattfindet. In diesem Jahr findet es allerdings mit vertauschten Rollen statt. Die Deutschen treiben nicht mehr an, sie müssen erklären, warum der Klimaschutz bei ihnen nicht mehr funktioniert. 

Greenpeace-Aktivisten vor dem Brandenburger Tor enthüllen einen Pokal auf einem Haufen KohleBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Probleme bei der Kohle und beim Verkehr

Svenja Schulze von der SPD ist erst seit ein paar Monaten Bundesumweltministerin. Für die Sünden ihrer Vorgänger muss sie trotzdem schon einstehen. Sie sagt jetzt: "Es ist bitter für mich, Ihnen sagen zu müssen, dass wir unsere selbstgesteckten Ziele für 2020 verfehlen werden." Der Ausbau der Erneuerbaren Energien klappe ja ganz gut, sagt Schulze, aber um die Abkehr von der Kohle habe man sich "nicht im gleichen Maße gekümmert, weil es eben häufiger schwieriger ist, sich von Altem zu trennen als Neues aufzubauen". Jetzt soll eine Kommission aus Politikern und Experten bis Jahresende klären, wie Deutschland die Kohle loswerden kann, die noch immer für fast die Hälfte des Stroms in Deutschland sorgt. Bis zur Klimakonferenz der Vereinten Nationen im Dezember im polnischen Kattowitz soll der Plan vorliegen, damit sich Deutschland dort noch halbwegs sehen lassen kann.

"Wir sind längst keine Heiligen mehr"

Noch immer hat die deutsche Klimadiplomatie auf internationalem Parkett einen guten Ruf, weil fleißige Beamte Konzepte entwerfen und die armen Ländern des Südens beraten, die besonders unter dem Anstieg des Meeresspiegels und der Dürre leiden. Aber im deutschen Umweltministerium wächst der Frust über die Lage. Neben der Kohle ist der Verkehr das zweite Sorgenkind. Eine Besserung ist erst einmal kaum in Sicht. Im nächsten Jahr, so die Furcht, könnte die Blamage dann komplett werden: Wenn Deutschland dann seine Klimaziele verfehlt, müssten Verschmutzungszertifikate bei den osteuropäischen Nachbarn, etwa in Bulgarien, für viel Geld erworben werden, damit die Schlote in Deutschland weiter qualmen dürfen. So etwas war vor Jahren undenkbar.

"Tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen" - Umweltministerin Svenja Schulze (SPD)Bild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Polen letzter im Umweltranking

Auch um den Klimaschutz außerhalb Deutschland steht es nicht zum Besten. In Polen soll Ende des Jahres der Pariser Klimavertrag von 2015, damals frenetisch gefeiert, mit Leben erfüllt werden. Aber die Zeit ist eine andere als vor drei Jahren. In den USA regiert der Klimaleugner Donald Trump, der den Pariser Vertrag aufgekündigt hat. Polen, Gastgeber des nächsten UN-Klimatreffens, wird von vielen Umweltfachleuten skeptisch gesehen. Gerade erst belegte das Land beim Schutz des Klimas im Ranking von Umweltgruppen innerhalb der EU den letzten Platz. Und Premier Morawiecki machte auch jetzt in Berlin deutlich, dass der Schutz des Klimas für ihn keine hohe Priorität genieße: Die "Sorge um die Umwelt" dürfe nicht die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung bremsen. Keine gute Zeit für den Klimaschutz. Nicht in Deutschland und auch nicht anderswo.

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