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Politik

"BND arbeitet unter Hochspannung"

28. November 2016

Die Bundeskanzlerin beehrt den Bundesnachrichtendienst auf seinem Festakt zum 60. Gründungsjubiläum. Dabei findet sie neben vielen lobenden Worten auch ein paar nachdenkliche - und witzige.

Deutschland 60 Jahre Bundesnachrichtendienst
Bild: picture-alliance/AP Photo/H. Hanschke

Bruno Kahl (im Artikelbild) ist keiner, der die Öffentlichkeit sucht. Das liegt an seinem Amt, denn er ist seit Juli Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND). Kahl wirkt bei seinen öffentlichen Auftritten aber generell eher zurückhaltend. Wie jemand, der gerne anderen die Bühne überlässt. Und wenn dann noch die Bundeskanzlerin am Montag in Berlin ihre Aufwartung macht, um dem deutschen Auslandsgeheimdienst zu seinem 60. Gründungsjubiläum zu gratulieren, räumt der Mann ganz schnell das Feld. Denn jedes weitere Wort ginge von Angela Merkels Redezeit ab und daran wolle er "nicht schuld sein".

Nach dieser charmanten Begrüßung fällt es der Regierungschefin besonders leicht, ihren Gastgeber und dessen Behörde zu würdigen. Gleich zu Beginn ihrer immerhin 18 Minuten dauernden Rede lobt sie den BND in den höchsten Tönen. Er sei ein "unverzichtbarer Bestandteil unserer Sicherheitsarchitektur". Ausdrücklich bedankt sich Merkel bei den rund 6000 Mitarbeitern, die zum Teil unter Einsatz ihres Lebens ihren "Dienst für unser Land" täten.    

Beiläufig, aber mit Bedacht fallen die Worte "Gestapo" und "Stasi"

Als Beispiele für das oft höchst gefährliche Betätigungsfeld von BND-Leuten erwähnt sie die Namen einiger Länder. Darunter so unterschiedliche Brandherde wie Afghanistan und die Ukraine. Ein paar Sätze mehr verliert Merkel über die Lage im Irak ("äußerst prekär") und Syrien ("eine einzige Tragödie"). Es müsse alles daran gesetzt werden, dass das Sterben dort ein Ende finde. Außerdem gelte es, ein weiteres Ausbreiten des Flächenbrandes in der Region zu verhindern. Zudem müsse der Bedrohung "für unsere Sicherheit durch Dschihadisten begegnet werden, die aus dieser Region nach Europa zurückkehren".

"Unverzichtbarer Bestandteil der Sicherheitsarchitektur" - Kanzlerin Angela Merkel über den BND Bild: Reuters/H. Hanschke

Mit diesen Stichworten spannt die Kanzlerin geschickt den Bogen bei einem Thema, das in Deutschland aus historischen Gründen als besonders sensibel gilt. Es ist deshalb kein Zufall, dass die in Hamburg geborene, aber im kommunistischen Ostdeutschland sozialisierte Merkel auch die Geheime Staatspolizei (Gestapo) der Nazis und das Ministerium für Staatssicherheit (MfS, auch "Stasi") der DDR erwähnt. Um unmittelbar daran anschließend auf die demokratischen Fundamente der Bundesrepublik zu verweisen, in der es auf das rechte "Augenmaß" für Freiheit und Sicherheit ankomme.

Mit Blick auf die Arbeit von Nachrichtendiensten wie den BND betont Merkel, "Geheimes muss geheim bleiben". Sie sagt aber auch: "Geheimhaltung ohne Kontrolle ist undenkbar." In diesem Zusammenhang preist sie die jüngst vom Bundestag beschlossene Novelle des BND-Gesetzes als "international einzigartig". Solche Sätze lösen bei den vielen geladenen Gästen allerdings unterschiedliche Assoziationen aus. Gastgeber Kahl oder der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, teilen die positive Interpretation der Kanzlerin.

Lob für das neue BND-Gesetz und den NSA-Untersuchungsausschuss

Die Oppositionspolitiker Konstantin von Notz (Grüne) und Martina Renner (Linke) hingegen halten das neue Gesetz für eine Lizenz zum grenzenlosen Ausspionieren. Beide sind Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, der sich um die weltweite Ausspähung der Telekommunikation durch den US-Geheimdienst "National Security Agency" (NSA) kümmert. Dass der deutsche Auslandsgeheimdienst in diese Affäre verstrickt ist, weiß natürlich auch die Kanzlerin.    

Wo über Geheimdienste gesprochen wird, fällt oft sein Name: Edward SnowdenBild: picture-alliance/dpa/O.Spata

Den Namen Edward Snowden nimmt Merkel aber lieber nicht in den Mund. Dabei wäre die von ihr befürwortete BND-Reform ohne die Enthüllungen des Whistleblowers kaum vorstellbar. Mitte Februar soll die Regierungschefin als Zeugin im NSA-Untersuchungsausschuss aussagen. Ein Auftritt, der ihr weniger Freude bereiten dürfte, als der beim BND-Festakt. Trotzdem bricht Merkel für das Gremium eine Lanze. Die öffentliche Diskussion trage dazu bei, dass sich mehr Menschen Gedanken machen könnten, "welchen wichtigen, ja unverzichtbaren Beitrag die Nachrichtendienste für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland leisten". Ihr Fazit: Der BND könne stolz auf seine Arbeit sein, müsse aber auch empfänglich sein "für eine ebenso kritische wie faire Begleitung seiner Tätigkeit".   

Geheimdienst-Experte Sönke Neitzel rät zu mehr Lockerheit

Für sein Kerngeschäft, außen- und sicherheitspolitisch relevante Informationen im Auftrag der Bundesregierung zu sammeln, scheint der BND besser denn je gewappnet zu sein. Wie viel Geld die dem Kanzleramt unterstellte Behörde exakt bekommt, ist zwar ein gut gehütetes Betriebsgeheimnis. Aber dass es etwa eine halbe Milliarde Euro allein für die technische Aufrüstung sind, erwähnte Merkel ganz ungeniert. Und damit werde der BND für die internationale Zusammenarbeit "wertvoller".

 

Um die Akzeptanz des BND in Deutschland insgesamt zu erhöhen, empfiehlt der Geheimdienst-Experte Sönke Neitzel von der Universität Potsdam eine Transparenz-Offensive nach britischem Vorbild. Dort hätten Geheimdienstler schon vor Jahrzehnten Memoiren oder gar Romane geschrieben. Neitzel spricht auf dem Festakt direkt nach der Kanzlerin. Der Wissenschaftler wundert sich, der Dialog über den BND sei erstaunlich eindimensional. "Entweder wird gar nicht gesprochen und wenn, dann negativ." Das kann, das soll sich nach dem erklärten Willen des Dienstes auch mithilfe der Unabhängigen Historiker-Kommission ändern, die vor kurzem ihre ersten Bände über die Frühzeit des BND veröffentlicht hat.

In der Berliner BND-Zentrale wird es Besucherzentrum geben 

Ihren Beitrag zu einem weniger verkrampften Umgang mit dem deutschen Auslandsgeheimdienst leistet an diesem Tag in Berlin auch die Kanzlerin. Sie spielt auf den Ort des Festaktes an, ein ehemaliges Umspannwerk. Die frühere Generatorenhalle, in der man sich befinde, habe wie der BND eine facettenreiche Geschichte. Hier sei buchstäblich "unter Strom" gearbeitet worden. Und auch der BND arbeite oft "unter Hochspannung" - natürlich im übertragenen Sinne, fügt Merkel hinzu. Und einmal so in Fahrt, spricht sie vom "Transformationsprozess", den die Halle durchlaufen habe. Heute sei sie Teil des modernen Berlins. Dass kann auch der BND von sich behaupten, dessen neues Hauptquartier am Rande des Regierungsviertels bald fertig sein soll. Dann wird es auch ein Besucherzentrum für neugierige Bürger geben. 

 

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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