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Politik

"Das Virus ist eine demokratische Zumutung"

28. August 2020

Wegen der Corona-Regeln konnten nur 41 Journalisten im Saal an der Sommerpressekonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnehmen. Die Pandemie war aber längst nicht das einzige Thema.

Angela Merkel bei der Sommerpressekonferenz
Bild: Getty Images/AFP/M. Kappeler

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Bürger in Deutschland auf dauerhafte Veränderungen durch COVID-19 eingestimmt. "Nicht alles wird wieder so sein wie vor der Corona-Pandemie", sagte die CDU-Politikerin bei ihrer Sommerpressekonferenz in Berlin - jedenfalls nicht, solange es keinen Impfstoff und kein wirksames Medikament gebe. Im Herbst und im Winter könne es sogar noch schwieriger werden.

"Es gibt Härten, das ist gar keine Frage, für ganze Gruppen", so Merkel. Die Politik wolle diese Härten abfedern. Es gehe darum, die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, aber auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu bewahren. Beispielhaft nannte die Kanzlerin Senioren, Familien in beengten Wohnverhältnissen, Arbeitssuchende, Kleinunternehmen und Künstler, denen man helfen müsse. Kinder dürften nicht zu Verlierern der Pandemie werden. Wenngleich die Länder direkt für das Thema Bildung zuständig seien, stehe der Bund hier in der Mitverantwortung.

"Keine großen Fehler"

Beim Krisenmanagement der Regierung sieht die Kanzlerin keine großen Fehler. Mit dem Erreichten sei sie bisher "einigermaßen zufrieden". Zudem bewähre sich nun, "dass wir in den vergangenen Jahren ordentlich gewirtschaftet haben". Mit Blick auf staatlich verordnete Einschränkungen gestand Merkel allerdings ein: "Das Virus ist eine demokratische Zumutung."

Maskenkontrolle (in Würzburg)Bild: picture-alliance/dpa/N. Armer

Auch die eigene Arbeitsweise der Regierungschefin hat sich durch wegfallende Reisen stark verändert. Sie habe Videokonferenzen schätzen gelernt, obwohl man nicht wisse, "wer alles zuhört", sagte Merkel auf ihrem 26. Auftritt vor der Bundespressekonferenz. Gleichwohl finde sie nicht viel mehr Zeit, "um tagelang nachzudenken und dicke Bücher zu lesen".

"Lukaschenko wollte nicht mit mir reden"

Die 41 Journalisten, die in großem Abstand im Saal Platz gefunden hatten, und ihre Kollegen, die online zugeschaltet waren, hakten nicht nur in Sachen Corona-Pandemie, sondern auch bei zahlreichen anderen Themen nach. Angesprochen auf die drängenden Probleme in Belarus, sagte Merkel, sie habe vergeblich versucht, mit Staatschef Alexander Lukaschenko zu telefonieren. "Er hat das abgelehnt von seiner Seite."

Deutschland würde es "begrüßen", wenn die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) "einen Zugang bekäme zu den verschiedenen Organisationen in Belarus", wo die Opposition - ebenso wie die EU - die Wiederwahl Lukaschenkos mit dem offiziellen Ergebnis von etwa 80 Prozent der Stimmen nicht anerkennt.

"Hoffe, dass so eine Truppe nicht zum Einsatz kommt"

Angesprochen auf eine Aussage des russischen Präsidenten Wladimir Putin, für einen möglichen Einsatz in Belarus stünden Sicherheitskräfte bereit, entgegnete die deutsche Regierungschefin: "Ich hoffe, dass eine solche Truppe nicht zum Einsatz kommt und dass die Kräfte, die jetzt mutig auf die Straße gegangen sind, die Freiheitsmöglichkeiten haben, die wir als selbstverständlich ansehen."

Merkel mahnt Russland zu Achtung der Souveränität von Belarus

01:47

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In einem Telefonat mit ihrem polnischen Kollegen Mateusz Morawiecki habe sie dieser Tage auch die Frage erörtert, ob die Europäische Union einen gemeinsamen Repräsentanten für Belarus brauche. "Hier gibt es eine große Zahl von Übereinstimmungen zwischen der deutschen und der polnischen Sicht."

Mit Blick auf den Erdgasstreit und den Dissens über die staatlichen Territorien zwischen Griechenland und der Türkei unterstrich Merkel noch einmal, "dass wir alle als Mitgliedstaaten der EU die Rechte, die unsere griechischen Freunde vorbringen, sehr ernst nehmen". Letztlich müsse es zu Gesprächen zwischen beiden Kontrahenten kommen, sagte die Kanzlerin und wiederholte damit eine Forderung von Bundesaußenminister Heiko Maas, der jüngst beide Länder zu Vermittlungsgesprächen besucht hatte.

Kanzlerin Merkel vor der Hauptstadtpresse: Ticket für die Transsib?Bild: Getty Images/AFP/M. Tantussi

Von der Corona-Krise wird auch die EU-Ratspräsidentschaft überschattet, die Deutschland noch bis Ende des Jahres innehat. So muss der EU-China-Gipfel entfallen, der in Leipzig stattfinden sollte. Merkel betonte hierzu, sie hoffe auf Fortschritte beim geplanten Investitionsschutzgesetz. Natürlich gebe es unterschiedliche Meinungen zu dem, was gerade in Hongkong geschehe. Bei allen Differenzen und trotz aller Beschränkungen der Bürgerrechte in der Sonderverwaltungszone durch die Zentralmacht in Peking gelte: Deutschland bleibe mit China im Gespräch.

"Ich habe noch nicht gebucht"

Die Hauptstadtjournalisten richteten auch persönliche Fragen an die Kanzlerin, die nach eigener Aussage keine weitere Amtszeit anstrebt. So wollten sie wissen, ob Merkel die in früheren Interviews geäußerten Ideen realisieren werde, durch die Rocky Mountains zu reisen oder mit der Transsibirischen Eisenbahn zu fahren. "Ich habe noch nicht gebucht", sagte die konservative Politikerin, die seit 2005 die Regierung führt. "Ich werde erst noch weiterarbeiten, und dann wird sich etwas finden. Da bin ich optimistisch."

Hinweis auf Corona-Regeln im Saal der Bundespressekonferenz: Einstimmung auf dauerhafte VeränderungenBild: Getty Images/S. Gallup

Neben dem Ausblick war freilich auch der Rückblick ein Thema. Vor fünf Jahren hatte Merkel vor der Bundespressekonferenz ihren berühmtesten Satz zur Flüchtlingspolitik gesagt: "Wir schaffen das." Seither sei viel erreicht worden - sowohl durch Verantwortliche auf allen Ebenen wie durch Geflüchtete, die nach Deutschland gekommen sind. Die Wahrheit sei aber auch: Es gebe "noch kein System einer in sich geschlossenen Migrationspolitik" innerhalb der EU.

Mehrmals hakten die Journalisten nach, ob Merkel zu ihrem Drei-Wort-Satz stehe und ob die damalige Grenzöffnung für Flüchtlinge richtig gewesen sei. Die Antwort fiel eindeutig aus: "Ich würde die wesentlichen Entscheidungen wieder so fällen."

jj/AR (dpa, afp, Phoenix)

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