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Politik

Merkel: Einheit ist Erfolgsgeschichte, aber...

29. September 2018

Vier Tage vor dem Feiertag hat die Bundeskanzlerin in einem Interview um Verständnis für die Befindlichkeit der ostdeutschen Bürger geworben. Nur beim Umgang mit Minderheiten fordert sie eine klare Grenzziehung.

Bundeskanzlerin Angela Merkel beim "Bürgerdialog zur Zukunft Europas" im August 2018 in Jena (Foto: Reuters/F. Bensch)
Die Bundeskanzlerin beim "Bürgerdialog zur Zukunft Europas" im August in JenaBild: Reuters/F. Bensch

Vor dem Tag der Einheit hat Bundeskanzlerin Angela Merkel für mehr Verständnis für manchen Unmut in Ostdeutschland geworben. Insgesamt sei die Deutsche Einheit eine Erfolgsgeschichte, sagte Merkel der "Augsburger Allgemeinen". "Aber es ist schon auch so: Vieles, was Anfang der neunziger Jahre passiert ist, kommt jetzt bei den Menschen nochmal auf den Tisch", betonte die Kanzlerin. "Viele Menschen haben ihre Arbeit verloren, mussten neu anfangen. Das Gesundheitssystem, das Rentensystem - alles wurde anders."

"Wenn du Tierarzt bist, kannst du nicht sagen: Morgen werde ich Ingenieur" 

Die Einheit habe zu harten Umbrüchen geführt, viele Ostdeutsche hätten nie wieder in ihrem Beruf arbeiten können. "Zum Tag der Währungsunion haben 13 Prozent der Menschen im Osten in der Landwirtschaft gearbeitet - am Tag danach waren es noch 1,5 Prozent", betonte die CDU-Vorsitzende. "Wenn du Tierarzt bist, kannst du ja nicht zu Siemens gehen und sagen: Morgen werde ich Ingenieur", verwies Merkel auf die Lage in ihrem Wahlkreis Vorpommern-Rügen. "Wenn dann plötzlich die 28-jährigen Volkswirte aus dem Westen kommen, die sagen, was man alles nicht kann - so etwas arbeitet in den Leuten". Dies sei "niemals eine Rechtfertigung für Hass und Gewalt", sagte die Kanzlerin. "Aber es ist eine Erklärung für eine andere Lebensbiografie."

Hass gegen die Kanzlerin: Bei einer CDU-Wahlkampf-Kundgebung im September 2017 in Finsterwalde in BrandenburgBild: Getty Images/S. Gallup

Zudem habe die Herausforderung der Migration "zu einer neuen Spaltung geführt", räumte Merkel ein. Dies dürfe aber nicht zu einer Vergiftung der Auseinandersetzungen führen: "Diese völlige Enthemmung in der Sprache ist etwas, das wir nicht tolerieren dürfen in Deutschland", so Merkel. "Davon bin ich zutiefst überzeugt. Ich habe diesen Hass auch im Wahlkampf zu spüren bekommen." Zugleich betonte die Kanzlerin, es brauche Debatten, um zu Lösungen zu kommen. "Wenn jede Debatte, jedes Ringen um eine Lösung nur noch unter 'Zoff' abgebucht wird, dann hilft uns das auch nicht weiter."

"Wir sollten alles tun, damit die AfD so klein wie möglich wird"

Sie bedaure im Hinblick auf die Flüchtlingsfrage, dass die Situation in Syrien, Jordanien, im Libanon und in der Türkei zu lange auf wenig Interesse gestoßen sei, fügte Merkel hinzu. Es gelte, die verschiedenen Positionen zu den Themen Migration und Flüchtlinge zu versöhnen. Probleme, die die Menschen umtrieben, müssten ernst genommen werden. "Aber auch da müssen wir einen klaren Schlussstrich ziehen, dort, wo Hass ist, wo generelle Verdächtigungen sind, wo Minderheiten ausgegrenzt werden", so die Kanzlerin. Merkel kündigte in diesem Zusammenhang einen entschiedenen Kampf gegen die AfD an. "Wir sollten alles tun, damit die AfD so klein wie möglich wird."

sti/mak (dpa, rtr, kna)