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Politik

Merkel für europäische Impfstoff-Produktion

25. März 2021

Vor dem Bundestag hat die Kanzlerin einmal mehr für einen europäischen Weg bei der Pandemie-Bekämpfung geworben - auch und gerade beim Thema Impfen. Recht strenge Worte hatte Merkel für die Wirtschaft parat.

Bundeskanzlerin Angela Merkel gibt Regierungserklärung im Bundestag ab
Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Notwendigkeit einer eigenständigen Produktion von Corona-Impfstoffen in der Europäischen Union betont. Es gelte, eine Fertigung auf europäischem Grund sicherzustellen, machte Merkel in einer Regierungserklärung im Bundestag deutlich. In Großbritannien werde für Großbritannien produziert, die USA exportierten Impfstoffe nicht. Daher sei man auch noch auf längere Sicht darauf angewiesen, was in Europa produziert werden könne. Dies gelte über dieses Jahr hinaus.

"Gut, dass wir diese Europäische Union haben"

Generell verteidigte die Kanzlerin den gemeinsamen europäischen Weg bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie gegen Kritik. "Bei allen Beschwerlichkeiten  glaube ich, dass sich in der Pandemie wieder gezeigt hat, dass es gut ist, dass wir diese Europäische Union haben." Ausdrücklich nannte sie dabei auch die Impfstoffbeschaffung. "Es war richtig, auf die gemeinsame Beschaffung und Zulassung von Impfstoffen durch die Europäische Union zu setzen." Wenn man sehe, dass selbst bei kleinen Unterschieden in der Verteilung große Diskussionen ausbrechen, wolle sie sich nicht vorstellen, was wäre, wenn einzelne EU-Staaten Impfstoff haben und andere nicht. "Das würde den Binnenmarkt in seinen Grundfesten erschüttern", sagte Merkel.

Die Kommunen rief die Regierungschefin zu mehr Kreativität bei der Bewältigung der Pandemie auf. "Es ist keinem Bürgermeister und keinem Landrat verwehrt, das zu tun, was in Tübingen und Rostock gemacht wird." Die beiden Städte gelten als vorbildlich in ihrer Strategie bei der Pandemie-Bewältigung. Mit Blick auf die Teststrategie forderte Merkel zudem mehr Einsatz in den Bundesländern. Der Bund könne nicht für 40.000 Schulen in Deutschland die Testinfrastruktur vorhalten. Berlin helfe gerne, die Bundeswehr helfe auch gerne, aber hier seien die Bundesländer am Zug.

Auch Bürger und Wirtschaft in der Pflicht

Die Kanzlerin rief zugleich die Bürger dazu auf, von den nun bestehenden kostenlosen Testangeboten Gebrauch zu machen. "Die besten Testangebote nutzen nichts, wenn sie nicht wahrgenommen werden." Testen sei die "Brücke" auf den Weg dahin, bis eine Impfwirkung zu sehen sei. "Je mehr wir testen, umso weniger müssen wir einschränken." 

Der Wirtschaft drohte Merkel schließlich mit Auflagen für ein zweimaliges Testen pro Woche für ihre Mitarbeiter, wenn nicht "an die 90 Prozent" der Betriebe die Selbstverpflichtung freiwillig umsetzten. Anfang April erwarte die Bundesregierung eine Aussage der Wirtschaft, wie viele Firmen die Tests für ihre Mitarbeiter in den Betrieben anböten. Die Regierung werde aber auch eigene Erhebungen machen. "Wenn nicht der überwiegende Teil der deutschen Wirtschaft Tests seinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen anbietet, dann werden wir mit regulatorischen
Maßnahmen in der Arbeitsschutzverordnung dazu vorgehen." Das Bundeskabinett werde darüber am 13. April entscheiden.

Corona-Schnelltests am Fähranleger zu den Inseln Juist und NorderneyBild: Sina Schuldt/dpa/picture alliance

In der anschließenden Aussprache kritisierten die Oppositionsparteien teils scharf das Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte beim weiteren Vorgehen eine zentrale Rolle für das Parlament. Es häuften sich Fehlentscheidungen, Irrungen und Wirrungen, sagte Göring-Eckardt. Deutschland sei mitten in der gefährlichen dritten Welle der Pandemie in eine Sackgasse geraten. 

Lindner gegen "Showdown-Situationen"  

Auch der FDP-Vorsitzende Christian Lindner plädierte für eine grundlegende Änderung der Entscheidungsverfahren. "Showdown-Situationen, nächtliche Sitzungen und spontane Entscheidungen" seien nicht zielführend. Stattdessen müsse Merkel vor jeder Entscheidung zu Corona-Maßnahmen eine Regierungserklärung abgeben und eine parlamentarische Debatte ermöglichen, verlangte Lindner. 

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland rieb sich vor allem am von Merkel propagierten europäischen Weg bei der Pandemie-Bekämpfung. "Die EU ist unfähig, Impfstoff zu beschaffen und das Impfen in den Mitgliedsländern zu organisieren." Zentralismus sei schwerfällig, unflexibel und wirke chaotisch. "Dezentralisierung ist das Gebot der Stunde", so Gauland. Auch liege es im deutschen Interesse, dass zuerst die Menschen in Deutschland geimpft würden. Dies hat laut Gauland nichts mit Impfnationalismus zu tun, sondern geschehe "aus derselben Selbstverständlichkeit, mit der jeder zuerst an die Gesundheit seiner Familie denkt". 

Saarland als Corona-Modellregion

Das Saarland will nach Ostern als gesamtes Bundesland zur Modellregion für die Bekämpfung der Corona-Pandemie werden. Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung sollen zurückgenommen und gleichzeitig die Testungen ausgeweitet werden, wie Ministerpräsident Tobias Hans in Saarbrücken ankündigte. Sein Bundesland habe es bisher geschafft, sich von den bundesweit exponentiell steigenden Infektionszahlen abzukoppeln. Seit einem längeren Zeitraum liege die Sieben-Tages-Inzidenz bei rund 70, weswegen die Öffnungen möglich seien.

Demnach sollen im Saarland vom 6. April an wieder private Zusammentreffen im Freien mit zehn Menschen, kontaktloser Sport drinnen und Kontaktsport draußen möglich sein. Außengastronomie, Theater, Kinos und Glücksspielstätten sollen öffnen können. Das gehe nur unter den nach wie vor gültigen Hygiene-, Abstands- und Schutzregeln und mit einem tagesaktuellen Test, betonte Hans. 

Mehr als 22.500 Corona-Neuinfektionen

In Deutschland wurden innerhalb eines Tages mehr als 22.500 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Wie das Robert Koch-Institut (RKI) unter Berufung auf Angaben der Gesundheitsämter mitteilte, wurden 22.675 neue Ansteckungsfälle registriert - rund 6800 mehr als am Mittwoch und 5000 mehr als vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz - sie gibt die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen an - stieg den Angaben zufolge bundesweit auf 113,3.

Corona-Patient auf der Intensivstation des Universitätsklinikums GreifswaldBild: Jens Büttner/Zentralbild/dpa/picture alliance

Das RKI meldete außerdem 228 weitere Todesfälle im Zusammenhang mit einer COVID-19-Erkrankung. Die Gesamtzahl der verzeichneten Corona-Fälle in Deutschland seit Beginn der Pandemie erhöhte sich den Angaben zufolge auf 2.713.180. Insgesamt 75.440 Infizierte starben.

Wieler: Lockdown hat zentrale Bedeutung

Der Chef des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, betonte erneut die zentrale Bedeutung des Lockdowns im Kampf gegen die steigenden Corona-Zahlen. "Wir können diesen Anstieg nicht stoppen, es sei denn mit einem neuen Lockdown für das Land", sagte Wieler in einer Online-Veranstaltung der deutschen Botschaft in Washington.

Im Lockdown-Dissens: RKI-Chef Lothar Wieler (links) und Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt

Andere "Werkzeuge" zur Eindämmung der dritten Welle stünden derzeit nicht zur Verfügung. Das RKI gehe davon aus, dass rund 80 Prozent der Bevölkerung gegen das Virus immun sein müssten, um eine neue Welle zu stoppen. "Bis das erreicht ist, werden wir nicht sicher sein", sagte Wieler.

Reinhardt: Dauerlockdown zermürbt die Menschen

Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt forderte hingegen, bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie vermehrt auch andere Möglichkeiten als den Lockdown in den Blick zu nehmen. "Der monatelange Jo-Jo-Dauerlockdown zermürbt die Menschen. Er darf nicht unsere einzige Antwort auf die dritte Corona-Welle sein", sagte Reinhardt dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Es gibt vielversprechende Ansätze, die sogar in Teilen Schritte zur Rückkehr in die gesellschaftliche Normalität ermöglichen."

In Bezug auf den damit verbundenen breiten Einsatz von Schnelltests sagte er: "Zusammen mit einer schnellen Durchimpfung der Bevölkerung - und dafür brauchen wir dringend mehr Impfstoff sowie eine effektivere digitale Kontaktnachverfolgung - wäre das eine echte Alternative zum Hin und Her der vergangenen Monate."

sti/se (afp, dpa, rtr)

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