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Politik

Merkel: Türkei muss Deutsche freilassen

29. August 2017

Die Kanzlerin sieht die Türkei und Deutschland in "einer komplizierten Phase der Beziehungen". Ausdrücklich rief sie vor der Hauptstadtpresse die Türkei auf, die inhaftierten deutschen Staatsbürger freizugeben.

Deutschland PK Merkel
Bild: Reuters/F. Bensch

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die türkischstämmigen Menschen in Deutschland um Verständnis für das harte Vorgehen ihrer Regierung gegenüber Ankara gebeten. "Ich würde sehr gerne bessere Beziehungen zur Türkei haben, aber wir müssen die Realität betrachten", sagte Merkel am Dienstag in ihrer Sommerpressekonferenz in Berlin. Sie sprach von einer "sehr komplizierten Phase" in den deutsch-türkischen Beziehungen.

Wegen der Inhaftierung deutscher Staatsbürger in der Türkei sei die Neuorientierung in den Beziehungen "leider notwendig" gewesen, betonte Merkel. Eine Verbesserung hänge mit der "Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien" zusammen, erklärte die CDU-Vorsitzende. "Die sehen wir im Augenblick in der Türkei nicht gewährleistet." Außerdem gebe es die "ganz eindeutige Forderung" der Bundesregierung, die aus politischen Gründen inhaftierten Deutschen freizulassen.

Merkel wirft Türkei Missbrauch von Interpol vor

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Derzeit sitzen nach Angaben des Auswärtigen Amtes zehn deutsche oder deutsch-türkische Staatsbürger aus politischen Gründen in der Türkei im Gefängnis, darunter die Journalisten Deniz Yücel und Mesale Tolu sowie der Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner.

Klare Ansage an Warschau

Ungewöhnlich deutlich kritisierte die Bundeskanzlerin die polnische Regierung wegen deren Umgang mit dem Rechtsstaat. "Das ist ein ernstes Thema, denn die Voraussetzungen für die Kooperation in der Europäischen Union sind die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit" sagte Merkel. So wichtig der Zusammenhalt der EU-Staaten auch gerade angesichts des geplanten Austritts Großbritannien sei, die Rechtsstaatlichkeit dürfe nicht vernachlässigt werden. Sie wünsche sich ein gutes Verhältnis zu Polen und die Beziehungen zu dem Land seien ihr wichtig. "Aber wir können da auch nicht einfach den Mund halten und nichts sagen um des lieben Friedens willen. Hier geht es um Grundlagen der Kooperation in der EU." Mit Blick auf den Besuch von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Mittwoch sagte Merkel, sie nehme sehr ernst, was die Brüsseler Behörde dazu sage.

So entspannt wie hier in Hannover ist das Verhältnis zwischen Merkel und Polens Regierungschefin Szydlo nicht immer Bild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Die EU-Kommission hat der nationalkonservativen Regierung in Warschau wegen ihrer umstrittenen Justizreformen im Juli mit Sanktionen bis zur Einleitung eines Verfahrens zum Stimmrechtsentzug auf europäischer Ebene gedroht. Dafür wäre aber die Einstimmigkeit der EU-Staaten nötig. In Deutschland wurde zudem darüber diskutiert, Ländern bei Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien EU-Fördermittel zu kürzen. Polen hatte am Montag die Einwände Brüssels erneut zurückgewiesen und erklärt, diese seien "ohne Grundlage".

Merkel verteidigt Flüchtlingskurs

Die Kanzlerin äußerte sich auch zur Flüchtlingspolitik der Bundesregierung: Hier trat sie dem Eindruck entgegen, sie habe sich von ihrer Willkommenspolitik für Flüchtlinge verabschiedet. Die von ihr angeregten Schritte gegen Schlepper, für mehr Entwicklungshilfe und eine humanitäre Unterbringung in Libyen seien "dem gleichen Geist entsprungen" wie die Hilfe für Flüchtlinge im Sommer 2015, sagte Merkel. Dass sie damals entschieden habe, die Grenze für Flüchtlinge offen zu halten, sei eine wichtige und richtige Entscheidung in einer humanitären Ausnahmesituation gewesen.

Jetzt aber seien Maßnahmen gefragt, um langfristige Lösungen zu finden. Diese seien "davon geleitet, dass wir uns eben nicht einfach abschotten und einfach so weitermachen können", betonte die Kanzlerin. Die Europäer könnten nur dann in Wohlstand und Sicherheit leben, "wenn wir über den Tellerrand schauen und uns mit unserer Nachbarschaft und mit ihrer wirtschaftlichen Entwicklung befassen". Merkel wiederholte ihre Kritik an EU-Staaten, die sich gegen eine "faire Verteilung" der Flüchtlinge in Europa sträubten. Sie sagte: "Es kann nicht sein, dass Europa Solidarität nur dann zeigt, wenn es einigen hilft." Länder wie Italien und Griechenland, wo zurzeit die meisten Flüchtlinge und illegalen Migranten ankommen, dürfe man nicht allein lassen.

Zweiter Dieselgipfel

In der Bundespressekonferenz nutzte die Kanzlerin die Gelegenheit, für November einen zweiten Dieselgipfel mit der Autoindustrie zur Reduzierung von Schadstoffemissionen anzukündigen. Schritt für Schritt solle erreicht werden, dass keine Fahrverbote in Städten notwendig seien und zugleich Umweltvorschriften eingehalten würden, erklärte Merkel. Die bisher von der Autobranche zugesagten Software-Nachbesserungen bei Diesel-Autos und Prämien für den Kauf sauberer Wagen reichten noch nicht aus. Als ein weiterer Baustein sollten daher auch individuelle Maßnahmen in Kommunen angegangen werden.

Über eine Unterstützung des Bundes hierfür will Merkel an diesem Montag bei einem Treffen mit Städten und Ministerpräsidenten beraten. Merkel betonte, neue Antriebstechnologien sollten auch ein zentraler Punkt bei der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) werden, die sie am 14. September eröffnen werde. Allerdings dürften auch Verbrennungsmotoren nicht vernachlässigt werden, die noch auf Jahrzehnte eine wichtige Rolle spielen würden.

kle/jj (afp, rtre, ape, Phoenix)

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