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Merkel, Gott und die Burka

Sabine Kinkartz, Berlin14. September 2016

Weltweit werden immer mehr Menschen wegen ihrer Religion unterdrückt. Das ist der Befund einer internationalen Parlamentarier-Konferenz in Berlin. Doch wohin entwickelt sich Deutschland? Die Kanzlerin warnt.

Parlamentarier aus Ghana im Bundestag macht Selfie mit Kanzlerin Angela Merkel (Foto: picture-alliance/dpa/M. Kappeler)
Baroud Ammo Aziza (re.), Parlamentarierin aus Ghana mit Bundeskanzlerin Angela MerkelBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Deutschland streitet über die Vollverschleierung muslimischer Frauen. Sollen Nikab und Burka im öffentlichen Leben verboten werden? Was würde damit erreicht? Würde die Integration gefördert oder wäre ein Verbot nur eine Beruhigungspille für die Bevölkerung, die angesichts der Zuwanderung hundertausender - zumeist muslimischer - Flüchtlinge ein wachsendes Unbehagen spürt?

Die Bundeskanzlerin mahnt Zurückhaltung in dieser Diskussion an. "Auch wenn uns manch religiös motiviertes Verhalten befremden mag, müssen wir uns stets den hohen Wert der Religionsfreiheit vor Augen führen", sagte Angela Merkel auf einer internationalen Parlamentarier-Konferenz in Berlin. Zusammen mit den anderen Freiheitsrechten des Grundgesetzes gehöre die Religionsfreiheit "zum Kernbereich dessen, was unser Land ausmacht und was uns lieb und teuer ist."

Gesichtsschleier: Eine Hürde für die Integration, aber durch das Grundgesetz geschützt?Bild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

Das gelte auch in Bezug auf Bekleidungsvorschriften. "Freiheitsrechte schützen auch die Freiheit, anders zu sein, als die Mehrheit es sich wünscht oder vorstellt", argumentiert die Kanzlerin. Zwar halte sie persönlich "eine Vollverschleierung für ein großes Hindernis bei der Integration", doch Einschränkungen könne es nur geben, wenn andere Grundrechte verletzt würden: die Rechte anderer oder der Grundsatz staatlicher Neutralität gegenüber den Religionen. Daher setze sie auf "präzise Handlungsvorgaben für die Bereiche, in denen eine Vollverschleierung nicht geboten ist", sagte Merkel weiter - zum Beispiel im öffentlichen Dienst oder vor Gericht.

Unterdrückung statt Freiheit

Um die Religionsfreiheit ist es weltweit schlecht bestellt. Und das, obwohl inzwischen 170 Staaten die entsprechende UN-Menschenrechtscharta ratifiziert haben. "Dieses Recht schließt die Freiheit ein, seine Religion oder Überzeugung zu wechseln, sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen", heißt es in Artikel 18.

"Früher war es die Regel, dass die Religionsfreiheit von Regierungen, also von politischer Seite beeinträchtigt wurde", sagt Volker Kauder, Chef der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag: "Heute wird die Religionsfreiheit vor allem dort massiv und mit Gewalt eingeschränkt, wo der Staat nicht mehr funktioniert oder nicht bereit ist, sich für Religionsfreiheit einzusetzen." Das sei vor allem in Teilen Afrikas und Asiens der Fall.

Parlamentarier mischen sich ein

Kauder beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit dem Thema, zunächst mit dem Schwerpunkt Christenverfolgung. Inzwischen hat sich sein Blickwinkel verändert: "Es sind nicht mehr nur Christen betroffen, auch wenn sie zahlenmäßig noch immer die größte Gruppe sind."

Konferenz zum Schutz der Religionsfreiheit

02:38

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Der CDU-Politiker ist Mitglied des "International Panel of Parliamentarians for Freedom of Religion or Belief", das sich vor zwei Jahren als unabhängiges Netzwerk in Oslo gründete. Juden, Buddhisten, Hindus, Muslime, Jesiden und Christen aller Konfessionen haben sich hier zusammengefunden. Insgesamt sind es mehr als 100 Abgeordnete aus rund 80 Ländern. In Berlin trafen sie sich jetzt zu ihrer zweiten internationalen Konferenz.

Die Parlamentarier eint der Wunsch sich einzumischen. Sie schreiben mahnende Briefe an Regierungen und besuchen die Länder, in denen die Religionsfreiheit gefährdet ist. "Das sieht natürlich dann ganz anders aus, wenn da eine internationale Parlamentarier-Konferenz mit Vertretern aller Religionen kommt und nicht nur Christen", berichtet Kauder. Die Besuche hätten durchaus Wirkung: "Selbst in einer Diktatur will niemand als Verfolger-Land hingestellt werden."

Mahnschreiben in Staaten, die Religionen unterdrücken

Aus Berlin wird die Konferenz Briefe in den Sudan und nach Myanmar schicken. In dem asiatischen Staat wird Muslimen und Christen seit 1982 systematisch die Staatsbürgerschaft aberkannt, indem sie gezwungen werden, ihren Stammbaum bis 1823 nachzuweisen. Wer das nicht kann, der erhält keinen Ausweis.

Buddhisten müssen solche Auflagen nicht erfüllen. Gewaltsame Übergriffe gegen religiöse Minderheiten hätten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, berichtet U Shwe Maung, ein ehemaliger Abgeordneter des Parlaments in Myanmar. Als Muslim hat er kaum noch Rechte in seinem Land.

Auch Asiya Nazir, pakistanische Christin und Parlamentarierin, kann aus ihrem Land nur wenig Gutes berichten. Die Gefängnisse seien voll mit Menschen, denen "religionsbezogene Vergehen" vorgeworfen würden. Im pakistanischen Strafgesetzbuch gibt es so etwas wie ein Blasphemiegesetz. Im Alltag führt es dazu, dass im Zuge von Nachbarschaftsfehden, politischen Querelen oder ökonomischen Streitigkeiten missliebige Personen und religiöse Minderheiten ausgeschaltet oder unter Druck gesetzt werden. Es habe sich eine Stimmung allgemeinen Misstrauens und der Einschüchterung entwickelt, die Gewalt schüre, berichtet Nazir.

Forderung nach mehr Integration in Deutschland

Die Pakistanerin hat eine Botschaft mit nach Deutschland gebracht: "Schauen Sie sich Ihre Integrationspolitik an, schauen Sie sich an, wie Sie diese Menschen, die jetzt zu ihnen kommen, in ihre Gesellschaft integrieren." Die Flüchtlinge hätten keine Ahnung von deutschen Werten. "Die müssen das aber begreifen", sagt Nazir.

Ähnlich äußert sich Vian Dakhil, Parlamentsabgeordnete und Jesidin aus dem Irak. Sie mache sich Sorgen, was passiere, wenn ein radikaler Islam aus dem Nahen Osten nach Europa komme: "Die Einstellungen sind einfach anders. Es gibt Menschen, die sagen: 'Wenn Sie kein Muslim sind, muss ich Sie umbringen'." Die beiden Frauen blicken ernst: "Wir wollen nicht, dass Europa das durchmachen muss, was wir durchmachen mussten."

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