1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Merkel: Die Spaltung überwinden

21. März 2018

Ein halbes Jahr nach der Bundestagswahl stellt die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel die zentralen Programmpunkte ihrer vierten Amtszeit vor. Als stärkste Oppositionspartei antwortet die AfD.

Bundestag - Angela Merkel gibt Regierungserklärung ab
Bild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Obwohl Deutschland wirtschaftlich und finanziell gut dastehe und es den Deutschen gut gehe, seien das gesellschaftliche Klima rauer und die Ängste größer geworden. Diese Verunsicherung hätten auch die Koalitionsparteien bei der Bundestagswahl im September 2017 zu spüren bekommen. Die längste Regierungsbildung in der Bundesrepublik sei ein Zeichen dafür, bilanzierte die Bundeskanzlerin (Artikelfoto) zum Auftakt ihrer Regierungserklärung. 

Als wesentliche Ursache für Spaltung und Polarisierung nannte Angela Merkel die jüngste Flüchtlingspolitik und ihre tiefgreifenden Folgen. Vor dem Berliner Parlament verteidigte sie die Aufnahme der Verfolgten, räumte aber auch Fehleinschätzungen und Versäumnisse in dieser "Ausnahmesituation" ein. Dies dürfe sich nicht  wiederholen, beteuerte die CDU-Vorsitzende.

Abschiebung oder Integration

Merkel kündigte - wie im Vertrag der großen Koalition (GroKo) festgeschrieben - eine Reihe internationaler und nationaler Maßnahmen an. Deutschland werde Schutzsuchende auch weiterhin aufnehmen, so die Regierungschefin. Jene Menschen, die keinen Anspruch darauf hätten, müssten das Land aber wieder verlassen. Darauf werde man in Zukunft verstärkt drängen. Wer den Aufenthaltsstatus habe, müsse integriert werden. Dabei werde man mit den islamischen Organisationen kooperieren und sie werde diesen Prozess persönlich begleiten. Das "Zusammenleben der Religionen" sei eine besondere Herausforderung.  

Angela Merkel vor ihrer Rede im Gespräch mit Vizeregierungschef Olaf Scholz von der SPD Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Schreiber

Merkel bezeichnete den Islam erneut als einen Teil Deutschlands und widersprach damit offen ihrem Innenminister Horst Seehofer von der CSU. "Es steht völlig außer Frage, dass die historische Prägung unseres Landes christlich und jüdisch ist", sagte sie. "Doch so richtig das ist, so richtig ist es auch, dass mit den 4,5 Millionen bei uns lebenden Muslimen ihre Religion, der Islam, inzwischen ein Teil Deutschlands geworden ist."

Merkel zitierte den Artikel 1 des Grundgesetzes: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Dieser Satz sei "Kern unseres Zusammenlebens". Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus hätten demgemäß "in unserem Rechtsstaat keinen Platz".

Kinderarmut ist eine Schande 

Die CDU-Vorsitzende sprach von einem guten Sozialsystem Deutschlands, gab aber auch gravierende Missstände zu. Ziel der Koalition mit den Sozialdemokraten sei die Spaltung in der Gesellschaft zu überwinden und den Zusammenhalt zu stärken. "Wenn wir Familien stärken, stärken wir den Einzelnen und gleichzeitig die Gemeinschaft", sagte Merkel und betonte: "Kinderarmut in einem reichen Land wie Deutschland ist eine Schande, und wir müssen sie mit aller Kraft bekämpfen." 

Wichtigste Voraussetzung für die sozialen Reformen sei aber eine florierende Wirtschaft, mahnte die Kanzlerin. Die Bundesrepublik stehe in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung dabei vor großen Veränderungen. Zwar gehe es der deutschen Wirtschaft derzeit gut, es sei aber nicht garantiert, dass Deutschland in fünf oder zehn Jahren wirtschaftlich so gut dastehe wie heute. Das betreffe auch die Leitindustrien Auto, Pharma oder Maschinenbau.

Zuwanderung von Fachkräften 

"Fehler" in einzelnen Branchen könnten sehr schnell zu "systemischen Problemen" werden. Merkel erinnerte an das Beispiel Nokia, dem einstigen Weltmarktführer bei Handys, der den Trend zu Smartphones verpasst hatte und heute in der Branche keine Rolle mehr spielt. Die Kanzlerin verwies auch auf den Fachkräftemangel bei Unternehmen und auf das geplante Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz. Außerdem müssten Langzeitarbeitlose besser gefördert werden. Merkel kündigte wie im Koalitionsvertrag zudem einen Pakt für Berufsbildung an. Die Berufsschulen seien nun "auch einmal dran". 

Fraktionschef Gauland (r.) vor der Regierungsbank Bild: Reuters/F. Bensch

Für die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) antwortete deren Fraktionschef Alexander Gauland auf Merkel und eröffnete die Generalaussprache über die Regierungserklärung. Er hätte sich ein bisschen mehr Pathos oder Tiefgang gewünscht, polemisierte Gauland. Aber immerhin habe Merkel "das erste Mal wieder von Deutschen gesprochen" und das sei "ein Erfolg der AfD."

Gauland: Macron der letzte Verbündete

Wenige Tage vor dem EU-Gipfel in Brüssel sieht die AfD Merkel in Europa isoliert. Schuld daran sei vor allem ihre Flüchtlingspolitik, kritisierte Gauland. "Die Kanzlerin hat Europa gespalten." Viele Länder würden sich "völlig zurecht" weigern, Flüchtlinge aufzunehmen. Wegen ihrer Isolierung versuche Merkel jetzt, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron entgegenzukommen. Macron sei Merkels letzter Verbündeter. Dessen Vorschläge für eine Stärkung der EU liefen aber auf einen "europäischen Zentralstaat" hinaus. "Das alles wollen wir nicht", sagte der Oppositionsführer, und auch Teile der CDU hätten es bisher nicht gewollt. 

SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles nahm für die große Koalition in Anspruch, dass sie sich der Alltagssorgen der Menschen annehme. Das gelte etwa für die Vorhaben, extreme Mieterhöhungen nach Modernisierungen zu stoppen und junge Familien mit dem Baukindergeld beim Erwerb von Wohneigentum zu unterstützen. Der Bundestag werde "hoffentlich sehr schnell" über entsprechende Gesetzesinitiativen beraten.

SC/se (rtr, dpa, phoenix)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen