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Politik

Merkel: "Ich stehe zu dieser Aussage"

16. Februar 2017

"Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht", sagte die Kanzlerin zur Spionage der USA in Deutschland. Wie glaubwürdig dieser Satz war, ist auch nach ihrem Auftritt im NSA-Untersuchungsausschuss schwer zu beurteilen.

Deutschland Merkel vor dem NSA Untersuchungsausschuss
Bild: picture alliance/AP Photo/M. Sohn

Angela Merkel, die wohl letzte Zeugin im NSA-Untersuchungsausschuss, überlässt nichts dem Zufall. Bevor die Abgeordneten am Donnerstag in Berlin ihre vielen Fragen zur transatlantischen Spionage-Affäre stellen können, verliest die deutsche Regierungschefin ein gut halbstündiges Statement. Als "Vorbemerkung" will sie ihren Hinweis verstanden wissen, das "menschliche Erinnerungsvermögen" sei nach so vielen Jahren "nicht immer ganz zuverlässig". Deshalb zieht Merkel vor, ihre Sicht der Dinge in Form zahlreicher Zitate aus Medienberichten, Pressekonferenzen und Interviews darzulegen.

Demnach hat die Kanzlerin im Juni 2013 durch Presseberichte von NSA-Spionage-Programmen wie "Prism" erfahren, also zum selben Zeitpunkt wie die Öffentlichkeit. Die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden bestimmten in den folgenden Tagen, Wochen und Monaten die Agenda des Kanzleramts. Merkels wichtigster Gesprächspartner war der damalige US-Präsident Barack Obama, der wenig später zu einem lange geplanten Besuch nach Berlin kam. Bei dieser Gelegenheit und in Telefonaten sei es um "Fragen des Internets", auch um "Prism" gegangen. Sie habe dabei deutlich gemacht, dass "Verhältnismäßigkeit" wichtig sei.

"Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg"

"Ausspähen unter Freuden, das geht gar nicht!" Dieser berühmte Merkel-Satz machte im Juli 2013 die Runde. Ein anderer Ausspruch lautete: "Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg." Auch daran erinnert die Kanzlerin im NSA-Untersuchungsausschuss. Sie erwähnt auch ihren Auftritt in der Bundespressekonferenz, in der hunderte Journalisten der Hauptstadt zusammengeschlossen sind. Merkel zitiert sich selbst: "Der Zweck heiligt nicht die Mittel." Nicht alles, was technisch machbar sei, dürfe gemacht werden. "Auf deutschem Boden hat man sich an deutsches Recht zu halten."

Mit der ausführlichen Schilderung ihres Tuns und Handelns in der frühen Phase des NSA-Skandals nimmt Merkel den Abgeordneten des Untersuchungsausschusses viel Wind aus den Segeln. Das gilt auch für ihren Umgang mit dem mutmaßlichen Abhören ihres eigenen Handys. Darüber berichtete das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" im Oktober 2013, also vier Monate nach den Snowden-Enthüllungen. Als "völlig inakzeptabel" will sie das gegenüber Obama bezeichnet haben. Dabei sei es ihr "nicht vordergründig um mich, sondern um alle Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland gegangen", fügt Merkel hinzu. Sie betont aber auch, es gebe keine Beweise für das Abhören ihres Handys.

Merkel: Volles Vertrauen in ihre rechte Hand

Als endlich die Abgeordneten zu Wort kommen, fragt der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg (CDU) die Kanzlerin, wie ihr "erstes Gefühl" nach den Snowden-Enthüllungen gewesen sei? Als "bedeutsamer Sachverhalt, der die Bundesregierung eine bestimmte Zeit beschäftigen werde", antwortet Merkel nach einer kurzen Denkpause. Sie habe dann ihren damaligen Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) gebeten, möglichst schnell für Aufklärung zu sorgen. Der erklärte die NSA-Affäre nach einer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Nachrichtendienste (PKGr) schon Mitte August 2013 für beendet.

Einen Monat später fand die Bundestagswahl statt. Deshalb glauben die damals wie heute oppositionellen Grünen und Linken, Merkels rechte Hand Pofalla habe die NSA-Affäre aus dem Wahlkampf heraushalten wollen. Das ist ihm - ob gewollt oder ungewollt - in der Tat gelungen. Der NSA-Untersuchungsausschuss tagte erstmals im April 2014. Zu diesem Zeitpunkt amtierte bereits die neue, wieder von Merkel angeführte Koalition aus CDU/CSU und SPD. Pofalla, inzwischen zur Deutschen Bahn gewechselt, musste zweimal als Zeuge erscheinen. Auf Fragen nach dessen Rolle beim Umgang mit der NSA-Affäre antwortet die Kanzlerin mehrmals mit den gleichen Worten: "Ich habe und hatte Vertrauen zu meinem damaligen Kanzleramtsminister."

Ex-Kanzleramtschef Pofalla im Juli 2015 bei seinem ersten Auftritt im NSA-Untersuchungsausschuss Bild: picture-alliance/dpa/S. Stache

Keine neuen Einsichten

Alle Versuche der Abgeordneten, Neuigkeiten von ihrer prominenten Zeugin zu erfahren, verlaufen im Sande. Es sind Fragen nach einem sogenannten No-Spy-Abkommen zwischen Deutschland und den USA, dem Ausspähen europäischer Partner durch den BND, der Steuerung US-amerikanischer Drohnen über den US-Stützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz. Merkel verweist stets auf ihren dafür zuständigen "Fachexperten" im Kanzleramt. Bis 2013 war das Pofalla, seit 2014 sind es dessen Nachfolger Peter Altmaier und der Geheimdienstbeauftragte Klaus-Dieter Fritsche. Alle waren schon vor ihrer Chefin als Zeugen im NSA-Untersuchungsausschuss. 

Die Zeugin Merkel kann oder will nichts sagen über das hinaus, was andere aus ihrem engsten Umfeld bereits gesagt haben. Wohl auch deshalb fragen die Parlamentarier immer wieder nach der Bedeutung ihres berühmten Satzes: "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht!" Ob sie das auch in Kenntnis der erst später bekannt gewordenen BND-Ausspähung befreundeter Staaten gesagt hätte, will der Unionsabgeordnete Tankred Schipanski wissen. "Ich stehe zu dieser Aussage", antwortet Merkel.

Zu diesem Zeitpunkt dauert die öffentliche Sitzung des NSA-Untersuchungsausschusses schon zweieinhalb Stunden. Nach viereinhalb Stunden gibt es die erste Pause. Auch danach dreht sich die Befragung der Bundeskanzlerin im Kreis. Auf der anfangs überfüllten Zuhörer-Tribüne ist inzwischen ein Drittel der rund hundert Plätze frei. Nach sieben Stunden ist die Sitzung beendet.

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