1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Vereint im Antiterrorkampf

Joseph Croitoru
2. März 2017

Bundeskanzlerin Merkel reist nach Kairo. Deutschland nähert sich der ägyptischen Regierung an, die Muslimbrüder und Demokratieaktivisten verfolgt. Die Kooperation soll auch beim Thema Flüchtlinge weiter vertieft werden.

Polizei auf dem Tahrir Platz in Kairo
Polizei auf dem Tahrir Platz in Kairo (Archivbild)Bild: picture-alliance/AP Photo/A. Nabil

Angela Merkel steht zum Auftakt ihrer Nordafrika-Reise in Kairo ein schwieriger Termin bevor. Die ägyptische Regierung steht international in der Kritik, seit General Abdel Fattah al-Sisi im Sommer 2013 die demokratisch gewählte Regierung der Muslimbrüder stürzte und sich selbst zum Präsidenten wählen ließ. Seither werden nicht nur die gemäßigten Islamisten der gestürzten Partei erbarmungslos verfolgt. Auch zahlreiche ägyptische Demokratieaktivisten sind Repressionen ausgesetzt.

Wen es auch trifft aus beiden Gruppen: Der Vorwurf lautet in der Regel "Terrorismus", wofür jedoch - besonders im Falle der Muslimbrüder - meist die Belege fehlen. Die im ägyptischen Kernland und auf dem Sinai seit einigen Jahren verübten Terroranschläge tragen vielmehr die Handschrift lokaler Anhänger von Al-Kaida und ihres Ablegers "Islamischer Staat".

Al-Sisi: "Reformator" und Partner des Westens

Parallel zum Antiterrorkampf, der das ideologische Rückgrat des ägyptischen Regimes bildet, inszeniert es sich als Botschafter der Toleranz: Al-Sisi, selbst frommer Muslim, gefällt sich in der Rolle des Reformators. Für sein Projekt einer "Erneuerung des religiösen Diskurses" konnte er die konservativen Rechtsgelehrten der Kairoer Al-Azhar-Universität bislang gewinnen, die neuerdings gerne religiösen Extremismus scharf verurteilen und für einen gemäßigten Islam plädieren.

Mit ihrer Kampagne zur religiösen Mäßigung signalisiert die ägyptische Regierung, dass sie vom Westen hochgehaltene Werte wie Aufklärung und Gleichberechtigung der Geschlechter schätzt. Das hat es ihr erleichtert, westliche Partner für den Antiterrorkampf zu finden - und einen zehn Milliarden Euro schweren Kredit vom Internationalen Währungsfonds zu erhalten, der dem Land aus seiner andauernden Wirtschaftskrise helfen soll.

Gute Geschäfte für deutsche Unternehmen

Zu den neuen Kooperationspartnern gehört seit einiger Zeit auch die Bundesrepublik. Sie war in den ersten Jahren der Regierung al-Sisi auf Distanz zu Kairo gegangen, hat aber seit 2015 ihren Kurs massiv geändert - zur Überraschung vieler Kommentatoren in Deutschland. Kurz ergab sich ein möglicher Erklärungsansatz für den Kurswechsel: Mitte 2015 erteilte der ägyptische Präsident Siemens einen Milliardenauftrag zum Bau eines Gas-Dampf-Kraftwerks im oberägyptischen Beni Suef. Im selben Jahr genehmigte der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel - trotz Kritik der deutschen Opposition an der bedenklichen Menschenrechtslage in Ägypten - den Bau von vier U-Booten für die ägyptische Marine durch die Kieler Thyssenkrupp-Werft.

Sigmar Gabriel bei einem Besuch in KairoBild: picture-alliance/dpa/B.v. Jutrczenka

Das erste U-Boot wurde im Dezember 2016 übergeben. Bei der Übergabezeremonie beschwor der ägyptische Marinechef Usama Munir Rabie erwartungsgemäß den gemeinsamen Kampf beider Länder gegen den islamistischen Terrorismus. Die Eröffnung des ersten, kürzlich in Betrieb genommenen Teils des Siemens-Kraftwerks wird an diesem Donnerstag gefeiert. Merkel und al-Sisi sollen per Videokonferenz aus Kairo zugeschaltet werden.

Kritik an Partnerschaft mit Ägypten

Der offizielle Schulterschluss erfolgte im Juli 2016 durch das gemeinsame Sicherheitsabkommen, das Bundesinnenminister Thomas de Maizière bei seinem Kairo-Besuch im März vorbereitet hatte. Bei dieser Gelegenheit hielt de Maizière auch eine Rede an der Al-Azhar-Universität - zum Thema "Religiöse Toleranz". Mitte Februar 2017 ratifizierte das ägyptische Parlament das bilaterale Sicherheitsabkommen mit überwältigender Zustimmung.

So beliebt wie im ägyptischen Parlament ist das Sicherheitsabkommen im Bundestag nicht. Auch die deutschen Rüstungsexporte an den Nil - im Jahre 2016 belief sich ihr Wert auf rund 400 Millionen Euro - werden in Deutschland teils heftig kritisiert: Man festige damit lediglich die autoritäre Herrschaft al-Sisis, dessen bevorzugtes Herrschaftsmittel Präsidialdekrete seien - ähnlich wie beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Flüchtlingsdeal mit Ägypten?

Ungeachtet dieser Kritik wird die neuerliche deutsch-ägyptische Annäherung energisch vorangetrieben. Die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern soll nicht nur in diesem Bereich weiter vertieft werden. Die Rede ist auch davon, dass Berlin ein Flüchtlingsabkommen nach dem Vorbild des EU-Deals mit der Türkei anstrebe.

Die bilaterale Kooperation soll zudem in der Landwirtschaft ausgebaut werden, worüber im Januar in Berlin der inzwischen ausgeschiedene ägyptische Agrarminister Essam Fayed mit seinen deutschen Partnern sprach.

Der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Kairo markiert eine weitere Etappe im Ausbau der deutsch-ägyptischen Beziehungen. Und er wird in Ägypten mit Spannung erwartet: In Kairo sieht man es gerne, wenn Merkel von Ägypten als "Regionalmacht" und einem "stabilisierenden Element in der Region" spricht. Der umstrittene Staatspräsident al-Sisi sieht sich dadurch weiter gestärkt. Ein Grund für manchen Ägypter, ihn als "Führer der Araber" zu feiern.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen