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Politik

Merkel: "Langsam habe ich mich eingearbeitet"

Marina Strauß z. Zt. aus Bremerhaven
18. März 2019

In Berlin mögen manche die Kanzlerdämmerung heraufbeschwören, doch beim Bürgerdialog ist Angela Merkel ganz entspannt. Die Mehrheit der Deutschen sagt: Merkel soll bis 2021 bleiben. Marina Strauß aus Bremerhaven.

Deutschland Bürgerdialog mit Bundeskanzlerin Merkel
Bild: picture-alliance/dpa/C. Jaspersen

Angela Merkel lehnt in Bremerhaven lässig am Rednerpult, den rechten Arm aufgestützt, in der linken Hand das Mikrofon. Die Kanzlerin ist in den Norden Deutschlands gereist - mit dem Helikopter, wie einem die Lokaljournalistin verrät - um sich den Fragen von 60 Bürgern zu stellen. Ein Dialog, wie es in den vergangenen Monaten schon einige in Deutschland gab. Die Anwesenden sind alt, jung, manche studieren, arbeiten in der Pflege oder in der Wissenschaft. Jeder Bremerhavener konnte sich bewerben. Wer beim Gespräch mit der Kanzlerin dabei sein durfte, hat nicht die Bundesregierung ausgewählt, sondern die lokale Zeitung, die Hochschule vor Ort und die Handelskammer.

Merkel ist betont gelassen, antwortet bedacht - und sorgt immer wieder für laute Lacher im Saal. Ein aus Indien stammender Student fragt die Kanzlerin, was sie - die studierte Physikerin - ihm - dem jungen Wissenschaftler - für die Zukunft raten könne. Immer Neues ausprobieren müsse man, sich nicht entmutigen lassen, sagt Merkel und gibt ihm noch eine Lebensweisheit mit auf den Weg: Wissenschaftler könnten nicht zweimal das Gleiche sagen, weil das bedeutet, dass sie nichts Neues vorzuweisen hätten. In der Politik sei das anders, da müsse man vieles mehrmals erklären. "Am Anfang war das schwierig", sagt die Kanzlerin, "doch jetzt habe ich mich schon eingearbeitet". Hier in Bremerhaven erntet sie dafür laute Lacher.

Gute Stimmung in BremerhavenBild: picture-alliance/dpa/C. Jaspersen

In Berlin dürfte dieser Witz bei einigen nicht einmal ein müdes Schmunzeln bewirken. "Eingearbeitet", aha. Manche würden wohl eher bevorzugen, dass die Kanzlerin sich bald schon in einen neuen Job "einarbeitet". Seitdem Merkel im vergangenen Jahr den Parteivorsitz ihrer konservativen CDU abgegeben hat, hört das Munkeln nicht auf, dass sie bald - oder zumindest noch vor den nächsten Bundestagswahlen 2021 - ihren Platz räumen könnte. Verstärkt wird dieses Munkeln durch die mitregierenden Sozialdemokraten, aus deren Reihen es in regelmäßigen Abständen heißt, dass sie eigentlich lieber raus wollen aus der Großen Koalition mit der CDU und deren bayerischer Schwesterpartei, der CSU.

Neue CDU-Chefin hält vorzeitigen Rücktritt Merkels für "absurd"

Ein paar ganz Konservative in ihrer Partei forderten Merkel außerdem dazu auf, ihr Amt schon vorzeitig an Annegret Kramp-Karrenbauer abzugeben. Die neue CDU-Chefin bezeichnete einen Rücktritt ihrer Förderin Merkel von kurzem aber noch als "absurd". Auch andere führende CDU-Politiker betonen immer wieder: Merkel ist für vier Jahre gewählt, lassen wir doch die überflüssige Diskussion und kümmern uns um die Arbeit.

Dass noch einiges an Arbeit ansteht, davon sind viele der Bürger hier in Bremerhaven überzeugt. Einige sorgen sich um die Rente für die nächste Generation, andere kritisieren die schlechte Lage in der Pflege, viele fragen sich, was die Bundesregierung gegen den Klimawandel tun will. Merkel antwortet mal konkret, mal ausweichend.

Die Stadt Bremerhaven hat sich Merkel offiziell ausgesucht, weil sie "möglichst Menschen in allen Regionen erreichen will". Unausgesprochen bleibt der Fakt, dass im kleinsten deutschen Bundesland Bremen im Mai parallel zur Europawahl gewählt wird, die Kanzlerin befindet sich hier also auf Wahlkampftour.

Die Wahl fiel auch auf Bremerhaven, da die Stadt einen gehörigen Strukturwandel hinter sich hat. Weil Werften schließen mussten und in der Fischerei viele Jobs verlorengingen, waren hier zwischenzeitlich mehr als 20 Prozent der Bevölkerung arbeitslos. Inzwischen haben der Tourismus, Offshore-Windanlagen und Forschungsinstitute die Hafenstadt wieder ein Stück weit aus der Misere gezogen, die Arbeitslosenquote hier ist trotzdem noch doppelt so hoch wie im Rest Deutschlands.

"Wir brauchen etwas Radikaleres, nicht immer nur Kompromisse"

Beim Bürgerdialog spielen diese Probleme aber nur am Rande eine Rolle. Am Ende sind einige, wie Christine Fiebig, zufrieden mit der Antwort der Kanzlerin. Die Rektorin wünscht sich mehr Geld für ihre neue Schule. Merkel bittet sie, ihr das Anliegen nochmal zu schreiben, vielleicht gebe es eine Stiftung, die ihr helfen könne. Andere, wie der Polarforscher Johannes Freitag, sind weniger glücklich: Frau Merkel tue so, als ob sie etwas erreicht hätte beim Klimaschutz, aber "die Meeresspiegel steigen immer weiter, wir brauchen etwas viel Radikaleres, nicht immer nur Kompromisse", sagt Freitag.

Doch trotz aller Kritik: Der Tenor hier ist, dass Merkel einen doch ganz annehmbaren Job macht, bodenständig und glaubwürdig ist. Und ein vorzeitiger Rücktritt? Nein, den fordert niemand im Saal.

In einer aktuellen Umfrage gaben 59 Prozent der Befragten an, dass Angela Merkel noch bis 2021 Kanzlerin bleiben solle. Und auch Merkel scheint noch Lust zu haben. Auf die Frage, in welchen Momenten sie glücklich sei, antwortet sie unter anderem: "Jedes Mal, wenn ich als Bundeskanzlerin gewählt worden bin. Das ist ein erhebender Moment."