Die Kanzlerin ruft vor dem Holocaust-Gedenktag dazu auf, keine Toleranz gegenüber Antisemitismus und Hass zu zeigen: "Dieser Tag lässt uns daran erinnern, was Rassenwahn, Hass und Menschenfeindlichkeit anrichten können."
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Jeder Einzelne in der Gesellschaft habe die Aufgabe, "auch Verantwortung dafür zu tragen, dass wir null Toleranz gegen Antisemitismus, Menschenfeindlichkeit, Hass und Rassenwahn zeigen", sagte Angela Merkel in ihrem wöchentlichen Video-Podcast. Und das sei leider in unserer heutigen Zeit wieder "von großer Dringlichkeit".
"Verschiedene Formen des Antisemitismus"
Die Kanzlerin verwies auch auf das Engagement der Bundesregierung gegen antisemitische und menschenfeindliche Hetze. Dazu zähle die Einsetzung eines Beauftragten für die Fragen des jüdischen Lebens in Deutschland und für den Kampf gegen den Antisemitismus. Bei ihm solle es künftig eine Meldestelle geben, um antisemitische Vorfälle zu erfassen. "Denn wir sehen heute sehr verschiedene Formen des Antisemitismus: einmal der Hass auf Juden durch die hiesige Bevölkerung, aber auch durch zugewanderte muslimische Menschen, die diesen Hass auf ganz andere Weise noch einmal zum Ausdruck bringen."
Der Internationale Holocaust-Gedenktag wird an diesem Sonntag begangen. An dem Tag wird der sechs Millionen ermordeten europäischen Juden gedacht, der Sinti und Roma, der Zwangsarbeiter und der vielen anderen Opfer des Nationalsozialismus. "Es ist ein Tag der Mahnung, damit sich so etwas niemals wiederholt", sagte Merkel.
Immer weniger Zeitzeugen
In Zukunft werde es darauf ankommen, Gedenken neu zu gestalten, weil die Zeitzeugen immer weniger werden. "Und deshalb glaube ich, sind die verschiedenen Formen des Gedenkens, die wir in Deutschland haben, die Förderung von Gedenkstätten, aber eben auch private Initiativen, wie zum Beispiel die sogenannten Stolpersteine, die an Menschen jüdischer Herkunft vor Ort erinnern, die sind ganz wichtig und werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen."
jmw/jj (dpa, kna)
Jüdische Gedenkorte in Berlin
Der Holocaust liegt acht Jahrzehnte zurück, aber vergessen ist er nicht. Große und kleine Mahnmale erinnern überall in der deutschen Hauptstadt an die Verbrechen der Nationalsozialisten.
Bild: DW/M. Gwozdz
Holocaust-Mahnmal
Ein riesiges Stelenfeld mahnt im Zentrum der deutschen Hauptstadt, entworfen vom New Yorker Architekten Peter Eisenman. Fast 3000 Steinquader erinnern an die sechs Millionen jüdischen Menschen aus ganz Europa, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden.
Bild: picture-alliance/Schoening
Stolpersteine
Ganz klein, 10 mal 10 Zentimeter, sind diese Messingtafeln. Man findet sie überall auf den Gehwegen in Berlin. Die Stolpersteine erinnern an Menschen, die in den angrenzenden Häusern gewohnt haben, bevor sie von den Nationalsozialisten deportiert wurden. Insgesamt gibt es knapp 10.000 dieser Stolpersteine in Berlin.
Bild: DW/T.Walker
Haus der Wannsee-Konferenz
Am 20. Januar 1942 trafen sich in dieser Villa am Wannsee 15 hochrangige NS-Funktionäre, um über die systematische Ermordung der europäischen Juden zu beraten; sie nannten es "Endlösung der Judenfrage". Heute ist das Haus Gedenkstätte. Sie informiert über die unvorstellbare Dimension des Völkermordes, der hier beschlossen wurde.
Bild: Paul Zinken/dpa/picture alliance
Mahnmal Gleis 17
Weiße Rosen am Gleis 17 im Bahnhof Grunewald, im Gedenken an die über 50.000 Berliner Juden, die von hier aus in den Tod geschickt wurden. Auf 186 Stahlplatten sind die Daten und Bestimmungsorte aller Deportationszüge vermerkt, sowie die Anzahl der Deportierten. Der erste Zug fuhr am 18. Oktober 1941 in das Ghetto von Litzmannstadt (Łódź), der letzte am 5. Januar 1945 ins KZ Sachsenhausen.
Bild: imago/IPON
Blindenwerkstatt Otto Weidt
Die Hackeschen Höfe in Berlin Mitte stehen heute in jedem Reiseführer, ein Hinterhof-Labyrinth, in dem auch viele jüdische Menschen lebten und arbeiteten. Zum Beispiel in der Bürstenfabrik des deutschen Unternehmers Otto Weidt. Er beschäftigte in der NS-Zeit viele blinde und gehörlose Juden und rettete sie damit vor Deportation und Tod. Die Blindenwerkstatt ist heute Museum.
Bild: picture-alliance/Arco Images
Modezentrum Hausvogteiplatz
Hier schlug das Herz der Modemetropole Berlins. Ein Denkmal aus hohen Spiegeln erinnert an die jüdischen Modemacher, Näherinnen und Stofffabrikanten, die am Hausvogteiplatz Kleidung für ganz Europa fertigten. Die Nationalsozialisten nötigten die jüdischen Inhaber zu Zwangsverkäufen, erließen Berufsverbote. Im Zweiten Weltkrieg wurde das einstige Modezentrum Berlins unwiederbringlich zerstört.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene
Denkmal am Koppenplatz
Vor dem Holocaust lebten in Berlin 173.000 Juden, 1945 waren es nur noch 9000. Das Denkmal "Der verlassene Raum" steht mitten im Wohngebiet Koppenplatz, in Berlin Mitte. Es erinnert an die jüdischen Mitbürger, die ohne Vorwarnung aus ihren Wohnungen im Scheunenviertel geholt wurden und niemals zurückkehrten. Das Scheunenviertel war das Zentrum der ostjüdischen Auswanderung.
Bild: Jörg Carstensen/dpa/picture alliance
Jüdisches Museum
Der Architekt Daniel Libeskind hat sich für eine dramatische Architektur entschieden: Von oben betrachtet sieht das Gebäude aus wie ein zerbrochener Davidstern. Das Jüdische Museum zählt zu den meistbesuchten Museen Berlins, es gibt einen Überblick über die wechselvolle deutsch-jüdische Geschichte.
Bild: Miguel Villagran/AP Photo/picture alliance
Jüdischer Friedhof Weißensee
In Berlin gibt es noch acht erhaltene jüdische Friedhöfe, der größte liegt im Stadtbezirk Weißensee. Mit über 115.000 Grabstellen ist es sogar der größte jüdische Friedhof Europas. Viele jüdische Verfolgte versteckten sich während der NS-Zeit auf dem unübersichtlichem Gelände. Bereits am 11. Mai 1945, drei Tage nach der Befreiung, wurde hier wieder der erste jüdische Gottesdienst abgehalten.
1866 wurde die Neue Synagoge in der Oranienburger Straße das erste Mal eingeweiht; sie galt als die größte und prächtigste Deutschlands. Im Zweiten Weltkrieg brannte sie aus. 1995 wurde die wiederaufgebaute Synagoge ein zweites Mal eingeweiht. Seitdem prägt die 50 Meter hohe goldene Kuppel wieder die Silhouette Berlins.
Bild: Stephan Schulz/dpa-Zentralbild/dpa/picture alliance