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Politik

Merkel: Man mag sie, man mag sie nicht…

7. Dezember 2017

Angela Merkel ist längst eine Marke. Die lange Regentschaft, ihre Flüchtlingspolitik haben ihr Ansehen beschert - vor allem im Ausland. Zuhause jedoch schmilzt ihr Image langsam dahin.

Deutschland Sondierungsgespräche scheitern Angela Merkel
Bild: Reuters/H. Hanschke

Größe und Normalität liegen bei ihr eng beieinander. Gerade erst vom US-Magazin "Forbes" zum siebten Mal (!) zur mächtigsten Frau der Welt gekürt, verliert sie die Bundestagswahl im September klar und deutlich. Minus 14 Prozentpunkte für ihre schwarz-rote Koalition wären ein Grund zurückzutreten. Doch sie hat Ja gesagt zur vierten Amtszeit. Und sie ist mit ihrer Union immer noch die einzige politische Kraft, die, mit welchem Partner auch immer, eine Regierung bilden kann. Aber die Zeiten, in denen sie als Säulenheilige präsidial das Land regierte, sind vorbei. Das, was vom Ruhme übrig bleibt, findet sich vor allem im Ausland. 

"Mutti Internationale" - eine Heldin aus Deutschland

Zum Beispiel in Island, am Rande einer internationalen Frauenkonferenz. Rund um den Erdball fasziniert Merkel immer noch die Gemüter. "In Jordanien beten die Frauen für Frau Merkel." Ein verblüffter Blick zu unserer Gesprächspartnerin. Sie ist Abgeordnete im jordanischen Parlament, hat einen Doktortitel und lange in den USA gelebt. "Warum beten die Frauen?", erkundige ich mich. "Weil wir wollen, dass Frau Merkel bleibt", sagt sie und beginnt mich auszufragen. "Wie sind die Chancen für Angela Merkel, wie könnte eine Regierungsbildung funktionieren?"

Ihr Nachbar arbeitet an einer internationalen Universität in Bahrein und ergänzt: "Wir Araber sind Angela Merkel sehr dankbar, für uns ist sie eine Heldin. So wie sie in der Flüchtlingsfrage reagiert hat." Wo immer man sich in diesen Tagen als Deutsche im Ausland zu erkennen gibt, kommt die unvermeidliche Frage: "Bleibt Angela Merkel Kanzlerin?" Als sei die vierte Kanzlerschaft der Frau, die mit ihrer Handraute Politik und Gesellschaft narkotisieren kann, eine Schicksalsfrage der Welt.

Als die Merkel-Euphorie begann: die Kanzlerin 2007 in Bayreuth als Polit-Popstar Bild: picture alliance/S. Radke

Viele können sich Deutschland ohne die Frau, die das Land seit 2005 regiert, offenbar überhaupt nicht mehr vorstellen. Sie wird in Zeiten von Trump, Putin, Erdogan und Brexit als Garant für Stabilität empfunden. Aber nicht überall.

Merkels Niedergang? Europäisches Mitleid hält sich in Grenzen 

Gisela Stuart, deutschstämmige Labour-Politikerin in Großbritannien, freute sich unverblümt über das Ende der Jamaika-Verhandlungen. Eine Niederlage für Merkel wirkt auf der Insel wie eine Verschnaufpause im zähen Brexit-Prozess, bei dem die Kanzlerin gegenüber den Briten harte Kante zeigt. 

In Frankreich sehen sie Merkels Wahlniederlage vor allem als Dämpfer für Europa. Deutschland als EU-Verbündeter ist für Paris nur noch ein geschwächter Partner. Sie wünschen sich Merkel auch mit kleinerem Machtfundament als Regierungschefin für die nächsten Jahre.

Davon kann in Italien keine Rede sein. Ihre Flüchtlingspolitik wird kritisiert, den Brexit habe sie unterschätzt und zum vierten Mal an den Start zu gehen sei ein Fehler, sind sich die Leitmedien einig. Lob bekommt die Deutsche ausgerechnet von Silvio Berlusconi, der sie als Meisterin des politischen Überlebens und als Stabilitätsanker schätzt.

Hat vor nichts und niemand Angst - außer vor Putins Hund. Die Provokation hat sie gut überstanden.Bild: Imago/ITAR-TASS

In der Türkei, in der Merkel vor allem als Europa-Chefin wahrgenommen wurde, bekommt ihr Bild Risse. Aufgrund der deutsch-türkischen Verstimmungen ist in den Erdogan-freundlichen Medien eine gewisse Schadenfreude nicht zu überhören.

Ähnlich der Medien-Tenor in Russland. Im Staatssender RT wird Merkel als "Eiserne Frau Europas" bezeichnet, was nicht als Kompliment gemeint ist. 

Die Stunde der parteiinternen Kritiker

In Deutschland verlaufen die Debatten über Merkels Restmacht vor allem entlang der Parteihierarchie innerhalb der CDU. An der Parteispitze herrscht mehr oder weniger Schweigen über ihre neue, geschwächte Rolle. Noch springt kein Prominenter aus den Reihe, der den Königinnenmörder geben will. Doch in den unteren Parteiebenen rumort es gegen Merkel. In Baden-Württemberg, einer einstigen CDU-Hochburg, die inzwischen von einem grünen Ministerpräsidenten regiert wird, fühlen sich viele Mitglieder nicht mehr repräsentiert von ihr. Das Konservative, der Markenkern der Partei, sei unter Merkel verloren gegangen, heißt es.

In den vergangenen zwei Jahren seit dem großen Flüchtlingszuzug haben ausnahmslos alle Merkel-Kritiker ihre Quittung für ihre Unbotmäßigkeit bekommen. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich sorgte sich ums konservative Profil. Kaum einer sprang ihm bei, inzwischen ist er zurückgetreten. Wolfgang Bosbach, rebellischer Innenpolitiker der Union und fleißiger Merkel-Nörgler, wurde gerne zu Talk-Shows eingeladen, blieb aber in der Partei isoliert. Die überzeugtesten Freunde findet Merkel interessanterweise im gegnerischen politischen Lager. Vor allem viele Grüne sind begeistert von ihrer humanen Flüchtlingspolitik und haben sie längst programmatisch eingemeindet. 

Merkel steht im Ausland für sich, ganz ohne Partei dahinter

Zurück zur Frauenkonferenz in Island: Der außenpolitische Berater der litauischen Präsidentin, den wir dort treffen, betont, welche Unterstützung sein Land durch die deutsche Bundeskanzlerin erfahren habe. Die Abgeordneten des bolivianischen Parlaments sehen in ihr eine Freundin Lateinamerikas und ein Vorbild für die politische Gleichberechtigung von Frauen.

Politik ist nicht mehr lustig: Jamaika gescheitert und die SPD ziert sich. Vorladung beim Bundespräsidenten am 30.11. Bild: picture alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Es grenzt an Heldenverehrung, und uns Deutschen ist das eher peinlich. Wir erzählen von den anderen Kanzlern, die es schon gegeben hat und die es sicher auch wieder geben wird, wir loben die Kraft der Demokratie, und, ja, wir sagen auch, dass die Bundeskanzlerin im eigenen Land nicht unumstritten ist.

Allein, das will niemand hören. Helen Clark, viele Jahre Premierministerin Neuseelands und bis Jahresende Leiterin des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, fragt uns deutsche Journalisten, welche politischen Koalitionen möglich wären, wie die nächste Kanzlerschaft Angela Merkels gesichert werden könne.

Wir wundern uns, schließlich ist Helen Clark Mitglied der Labour-Partei in Neuseeland, einer Schwesterpartei der SPD. Eigentlich würde man bei ihr keine Sympathien für die eher konservative Angela Merkel vermuten. Doch die deutsche Kanzlerin steht für sich allein. Sie wird fern der Heimat überhaupt nicht mit einer Partei in Verbindung gebracht. Ein politischer Solitär.

 

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