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Politik

Merkel ohne Mehrheit - Wie geht es weiter?

Fabian von der Mark
26. September 2018

Angela Merkel musste eine herbe Niederlage einstecken. Die Unions-Fraktion hat den Kandidaten der Kanzlerin von der Spitze gestürzt. Was heißt das für die Regierung Merkel?

Unionsfraktion im Bundestag, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Volker Kauder (CDU)
Bild: picture alliance/dpa/K. Nietfeld

1. Weiter so - Merkel regiert als wäre nichts gewesen

Angela Merkel könnte den neuen Fraktionsvorsitzenden, Ralph Brinkhaus, beim Wort nehmen. Brinkhaus sagte nach seiner überraschenden Wahl: "Zwischen der Kanzlerin und mir passt kein Blatt Papier". Auch viele bekennende Brinkhaus-Wähler haben betont, dass sie zwar eine Veränderung wollten, aber nicht die Regierung Merkel in Frage stellen. Die Kanzlerin könnte also versuchen so zu tun, als sei nichts gewesen. Schon am heutigen Mittwoch hat sie sich mit Brinkhaus getroffen, um die konstruktive Zusammenarbeit zu besprechen. Wenn Merkel eng am Koalitionsvertrag die ausgehandelten Themen abarbeitet und der Fraktion in strittigen Fragen das Gefühl gibt, gehört zu werden, könnte ihr Brinkhaus, wie zuvor Kauder, die nötigen Mehrheiten organisieren.

2. Vertrauensfrage - Merkel kämpft um ihre Macht

Ralph Brinkhaus (CDU) wurde mit 53% zum neuen Fraktionsvorsitzenden gewählt Bild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Merkel hat von der konservativen Fraktion ein "Nein" zu ihrem Wunschkandidaten bekommen. Keine Mehrheit bei den eigenen Leuten zu haben heißt aber auch, keine sichere Mehrheit im Parlament insgesamt zu haben. Um zu prüfen, ob die große Koalition aus CDU/CSU und SPD noch hinter ihr steht, könnte Angela Merkel im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Würde die Kanzlerin eine klare Zustimmung bekommen, könnte sie zeigen: die Abgeordneten stehen hinter ihr, die Niederlage in der Unions-Fraktion war keine Anti-Merkel-Revolution. Sollte sie die Abstimmung verlieren, könnte der Bundespräsident das Parlament auflösen. Die Ära Merkel wäre beendet. Im Falle einer gewonnen Vertrauensfrage bleibt Merkel Kanzlerin.

3. Koalitionskrach -  die selbstbewusste Fraktion sucht Ärger

In der Vergangenheit haben sich die Abgeordneten der Unions-Fraktion oft wie Marionetten des Kanzleramts gefühlt. Jetzt wollen sie ihre Eigenständigkeit und ihre Kompetenz zeigen. Mit eigenen Gesetzesinitiativen oder Gegenvorschlägen zur Regierung könnten sie versuchen, sich zu profilieren. Das könnte nicht nur die Stabilität der Kanzlerin gefährden sondern auch den Koalitionsfrieden mit der SPD. Volker Kauder hat in der Vergangenheit der Fraktion oft Kompromisse vorgeschlagen, und an die Anliegen des sozialdemokratischen Koalitionspartners schon mitgedacht. Wenn die CDU/CSU-Fraktion unter Ralph Brinkhaus jetzt konservative Politik in Reinform fordert, könnte das die Sozialdemokraten ärgern und zum vorzeitigen Bruch der Koalition führen.

SPD-Chefin Andrea Nahles steht selbst unter Druck. Eine geschwächte Kanzlerin könnte auch zum Problem für die Sozialdemokraten werden. Bild: Reuters/F. Bensch

4. Rückzug - Merkel gibt noch mehr Macht ab

Die Niederlage bei der Wahl des Fraktionsvorsitzenden zeigt, dass Angela Merkel bei den eigenen Leuten massiv an Zustimmung verloren hat. Viele Unions-Poltiker hat schon das schlechte Bundestags-Wahlergebnis vor einem Jahr und Merkels Analyse ("Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssen") alarmiert. Sollte Merkel nach den anstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen durch schlechte Wahlergebnisse der Konservativen weiter unter Druck geraten, könnten Rücktrittsforderungen laut werden. Merkel hätte dann die Wahl, beim CDU-Parteitag im Dezember in Hamburg nicht wieder anzutreten und den Weg für andere Parteivorsitzende frei zu machen. Danach könnte Merkel entweder stark geschwächt weiter regieren, oder auch direkt ihre Kanzlerschaft beenden. In der Vergangenheit hatte Angela Merkel immer wieder betont, dass sie es für sinnvoll hält, wenn die Kanzlerin auch Parteivorsitzende ist.

Angela Merkel (CDU) ist seit 13 Jahren Kanzlerin - jetzt bröckelt ihre MachtBild: picture alliance/dpa/BELGA/T. Roge

5. Lame Duck - Merkels internationaler Spielraum schrumpft

International droht Merkel ein Schicksal, dass schon viele Staatenlenker vor ihr erleiden mussten: Der Status einer "lame duck", einer lahmen Ente. Einer Figur also, die auf dem absteigenden Ast ist und nicht mehr lange über Macht verfügen wird. Schon seit der Bundestagswahl ist  auch im Ausland klar, dass Merkel vor ihrer letzten Amtszeit steht. Mit der Kauder-Abstimmungsniederlage ist noch einmal klarer geworden, dass Merkels Machtbasis bröckelt. Zwar wird Merkel international immer noch stark respektiert und geachtet, aber die Schwäche zu Hause wird wahrgenommen. Dazu kommt, dass die neue Konstellation auch ihren Spielraum in der Weltpolitik einschränken könnte. In der Vergangenheit haben deutsche Kanzler immer wieder außenpolitische Probleme mit Geld gelöst. Der harte Haushaltspolitiker Brinkhaus könnte Merkel da enge Grenzen setzen. Für Frankreichs Präsident Macron, EU-Kommissionspräsident Juncker oder Griechenlands Präsident Tsipras könnte das  eine schlechte Nachricht sein.

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