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Politik

Merkel rügt Erdogan scharf, aber diplomatisch

23. November 2016

Der große Schlagabtausch läuft: Die Generaldebatte ist traditionell der Höhepunkt der Haushaltsberatungen im Bundestag. Die Kanzlerin richtete den Blick zunächst Richtung Bosporus.

Deutschland Generaldebatte im Bundestag zum Haushalts-Etat 2017 Merkel
Bild: picture-alliance/dpa

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Politik des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan scharf kritisiert, sich aber erneut gegen einen Abbruch der Kontakte ausgesprochen. Die Einschränkung der Pressefreiheit und die Verhaftung von Abertausenden von Menschen sei nicht zu rechtfertigen, sagte Merkel in der Generaldebatte über die Regierungspolitik im Bundestag. "Insofern müssen wir das deutlich kritisieren."

Zugleich werbe sie dafür, den Gesprächsfaden mit der Regierung in der Türkei nicht abreißen zu lassen. Merkel begrüßte in diesem Zusammenhang die jüngste Reise von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in die Türkei.

Erster Parlamentsauftritt nach erklärter Kandidatur

Deutschland habe ein Interesse daran, mit Ankara in einer vernünftigen Art und Weise zu kooperieren. "Das schließt aber nicht aus, dass das, was alarmierend zu sehen ist, klar angesprochen wird", sagte Merkel. Vorwürfe Erdogans, dass sich Deutschland nicht ausreichend am Kampf gegen den Terrorismus beteilige, wies sie zurück: Die Bundesregierung sei wie jeder andere Staat in Europa dem Kampf gegen Terrorismus verpflichtet.

Es war die erste Rede der Kanzlerin im Parlament, nachdem sie am Sonntag angekündigt hatte, bei der Bundestagswahl in rund zehn Monaten wieder als Kanzlerkandidatin anzutreten. Der Bundeshaushalt für 2017 sieht Ausgaben und Einnahmen von jeweils 329,1 Milliarden Euro vor. Die Generaldebatte wird traditionell für einen allgemeinen politischen Schlagabtausch von Opposition und Regierung genutzt.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas OppermannBild: picture-alliance/dpa

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann warf dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan eine systematische Aushöhlung der Demokratie vor. Wer Richter, Staatsanwälte, Journalisten und Opposition ins Gefängnis stecke, "zerstört die Demokratie, auch die moderne Türkei", sagte Oppermann. "Dazu darf Europa nicht schweigen." Sollte die Türkei die Todesstrafe einführen, wäre das das Ende der EU-Beitrittsverhandlungen.

"Deutschland ist zunehmend isoliert"

Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht hatte der Bundesregierung ein zu samtpfötiges Auftreten gegen Erdogan vorgeworfen. Als bevorzugten Partner habe sich Merkel ausgerechnet "einen türkischen Diktator" ausgesucht. Eine ähnlich klare Ansage mit Verweis auf die westlichen Werte, wie sie in Merkels Gratulation an den neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump enthalten war, hätte sie sich auch an die Adresse der türkischen Regierung gewünscht, sagte Wagenknecht zum Auftakt der Debatte.

"Kein Weiter so": Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht.Bild: picture-alliance/dpa

Überdies warf sie der Bundesregierung wirtschaftspolitisches Versagen vor. Selbst der künftige US-Präsident Donald Trump "hat wirtschaftspolitisch noch mehr drauf als Sie", hielt Wagenknecht der Kanzlerin zum Auftakt der Debatte entgegen. Trump habe begriffen, "dass staatliche Industriepolitik besser ist als billige Dienstleistungsjobs", sagte Wagenknecht.

In Deutschland wachse die soziale Ungleichheit, die Bundesrepublik sei in Europa zunehmend isoliert, sagte Wagenknecht. "Trotzdem scheint sich die CDU auf ein 'Weiter so' mit der Kanzlerin zu freuen." Die Menschen in diesem Land freuten sich aber nicht. Trotz boomender Exportwirtschaft lebe jeder sechste Rentner in Armut. Immer mehr Kinder würden mit der Erfahrung aufwachsen, von der "schönen bunten Welt" ausgeschlossen zu sein.

Gemeinsamer Kampf gegen Rechts

Zusammen gegen Demagogen: Grünen-Fraktionschef Anton HofreiterBild: picture-alliance/dpa

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter rief trotz allen Meinungsverschiedenheiten im Bundestag zum gemeinsamen Kampf gegen rechte Parteien auf. Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten gebe es keinen Grund, abfällig auf die USA zu blicken, betonte Hofreiter. Auch in Europa feierten Rechtsextreme und Rechtspopulisten Erfolge. "Wir müssen uns gemeinsam den Demagogen, den Nationalisten und den Autoritären entgegenstellen", sagte Hofreiter. "Freiheit, Solidarität und Humanismus stehen auf dem Spiel - für alle." Weder soziale Not noch "gefühlte Identitätsverunsicherung" rechtfertigten "rassistische, frauenfeindliche oder homophobe Handlungen".

jj/kle (dpa, rtr, bundestags-tv)

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