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Merkel: Russland hat Vertrauen verspielt

7. Juli 2016

In einer Regierungserklärung hat die Kanzlerin die NATO-Truppenstationierung in Polen und im Baltikum als Reaktion auf Moskaus Politik verteidigt. Ausdrücklich verwies Merkel dabei auf das Prinzip der Abschreckung.

Berlin Kanzlerin Merkel in Rede vor dem Bundestag
Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in einer Regierungserklärung zum bevorstehenden NATO-Gipfel Russland für einen Vertrauensverlust durch den Ukraine-Konflikt verantwortlich gemacht. Das Grundprinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen sei "durch Worte und Taten in Frage gestellt worden", sagte Merkel im Bundestag. Das russische Vorgehen habe die NATO-Mitglieder im Osten zutiefst verstört. "Sie bedürfen daher der eindeutigen Rücksicherung durch die Allianz."

Merkel verteidigte daher die geplante Truppenstationierung der NATO in den östlichen Mitgliedstaaten. Es reiche nicht aus, Soldaten in Krisensituationen schnell verlegen zu können. Das Bündnis müsse stärker Präsenz im Baltikum und in Polen zeigen. Die NATO will bei ihrem Gipfeltreffen in Warschau am Freitag und Samstag die Stationierung von jeweils einem Bataillon mit etwa 1000 Soldaten in den drei baltischen Staaten und in Polen beschließen. Die Bundeswehr soll das Bataillon in Litauen mit mehreren hundert Soldaten anführen.

"Wir schlagen die Tür nicht zu"

"Deutschland trägt zu diesen Maßnahmen substanziell bei", sagte Merkel weiter. Sie verteidigte das Prinzip der Abschreckung: "Das ist ein zutiefst defensives Konzept." Abschreckung und Dialog gehörten untrennbar zusammen. Ausdrücklich unterstrich die Kanzlerin, dass die NATO offen für die Aufnahme weiterer Mitglieder bleibe. Das Westbalkanland Montenegro wird bald der NATO beitreten. Die ehemaligen Sowjetrepubliken Georgien und die Ukraine dringen ebenfalls darauf, Mitglied werden zu können.

Widerspruch bekam die Kanzlerin von den oppositionellen Linken und Grünen. Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, warf der NATO Kriegstreiberei vor. Das Bündnis gebe 13-mal so viel für Rüstung aus wie Russland. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter warnte, man könne nicht jedes russische Manöver mit einem NATO-Manöver beantworten. Zudem schüre die NATO die Spannungen mit dem beschlossenen Raketenabwehrsystem. "Das Verhältnis zu Russland ist so schlecht wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr", warnte er.

Vorwürfe an den Iran

Merkel begründete den geplanten Abwehrschirm in Südosteuropa in ihrer Regierungserklärung mit dem vom Iran verfolgten Raketenprogramm. Damit verstoße Teheran gegen UN-Vorgaben. "In eindeutigem Widerspruch zu den einschlägigen Bestimmungen des UN-Sicherheitsrats entwickelt der Iran sein Raketenprogramm unvermindert weiter", sagte die Kanzlerin. Daran habe auch das Wiener Abkommen zur Kontrolle des Nuklearprogramms nichts geändert.

Die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite forderte derweil eine militärische Führungsrolle Deutschlands in Europa. Für Deutschland sei es "an der Zeit, mehr Vertrauen in sich selbst zu haben und nicht dauernd zurückzublicken und nach historischen Empfindlichkeiten zu suchen", sagte sie gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Nur ein großes und wirtschaftlich starkes Land wie Deutschland könne die zusätzliche politische und militärische Verantwortung übernehmen, die in Europa jetzt notwendig sei. Litauen ist seit 2004 NATO-Mitglied.

Kanzlerin begrüßt auch Awacs-Einsatz gegen IS

Merkel hieß vor dem Bundestag schließlich auch den geplanten Einsatz von NATO-Flugzeugen im Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" gut: "Durch NATO-Awacs können wir den Einsatz unserer Aufklärungstornados im türkischen Incirlik sinnvoll ergänzen." Die Awacs könnten sicherstellen, dass der Luftraum ordentlich koordiniert und überwacht sei und so für ein mehr an Sicherheit sorgen. Vor allem das Auswärtige Amt hatte sich lange klar gegen die von den Amerikanern erbetene NATO-Beteiligung am Kampf gegen den IS ausgesprochen. Als ein Grund wurde genannt, dass ein solches Engagement die Friedensbemühungen im Syrien-Konflikt erschweren könnte.

Die Bündnispläne sehen nun vor, dass die mit moderner Radar- und Kommunikationstechnik ausgestatteten Flugzeuge von der Türkei und der Mittelmeerküste aus den Luftraum über Syrien und dem Irak überwachen. Wenn der Einsatz wie geplant nach dem Sommer beginnt, werden aller Voraussicht nach auch deutsche Soldaten zum Einsatz kommen. Die Bundeswehr stellt nach eigenen Angaben rund ein Drittel der Besatzungsmitglieder für die aus 16 Flugzeugen bestehende Awacs-Flotte der NATO.

sti/jj (apf, dpa, rtr)

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