1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Merkel und Macron spielen sich die EU-Bälle zu

29. Juni 2020

Die Kanzlerin und der Herr des Élysée-Palasts inszenieren in Brandenburg die Idylle - obwohl der deutsch-französische Motor stottert und die EU vor ihrer bislang größten Zerreißprobe steht.

Deutschland Treffen Merkel und Macron im Schloss Meseberg
Merkel und Macron wollen die deutsch-französische Freundschaft wieder zum Blühen bringen ...Bild: Getty Images/AFP/H. Jeon

Kurz vor Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft haben Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron Einigkeit bei der Bewältigung der Corona-Pandemie demonstriert. Im Ringen um ein Programm für den wirtschaftlichen Wiederaufbau wolle man gemeinsam "einen positiven Impuls in die richtige Richtung für die europäische Zukunft geben", sagte Merkel bei einem Treffen mit Macron auf Schloss Meseberg bei Berlin.

"Für mich ist wichtig, dass wir zum Schluss mit einem starken Instrument aus der Debatte kommen", erklärte die CDU-Politikerin. Der französische Präsident verlangte eine Einigung auf das Programm bereits im Juli. "Dies ist unsere oberste Priorität." Im Zentrum stünden dabei Haushaltszuschüsse, so Macron. Denn Darlehen und Kredite erhöhten nur die Verschuldung der Empfängerstaaten.

... auch wenn das Küsschen zur Begrüßung Coronabedingt ausfallen mussBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

Macron und Merkel hatten im Mai einen Hilfsfonds in Höhe von 500 Milliarden Euro vorgeschlagen, um die europäische Wirtschaft aus der Krise zu bringen. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen präsentierte anschließend einen schuldenfinanzierten Wiederaufbauplan mit einem Volumen von 750 Milliarden Euro. Davon sollen 500 Milliarden Euro als Zuschüsse und 250 Milliarden als Kredite an EU-Staaten vergeben werden. Verhandelt wird der Plan zusammen mit dem nächsten siebenjährigen EU-Finanzrahmen, für den die Kommission 1,1 Billionen Euro ansetzt.

Widerstand der "sparsamen Vier"

Merkel und Macron werben unter den EU-Mitgliedern für dieses Vorhaben - und stoßen dabei auf heftigen Widerstand. Österreich, die Niederlande, Schweden und Dänemark, die sogenannten "sparsamen Vier", sperren sich gegen Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Eine Entscheidung könnte Mitte Juli beim EU-Gipfel in Brüssel fallen. Die Bundesregierung will dort mit einer Einigung den Grundstein legen für eine erfolgreiche deutsche Ratspräsidentschaft - die erste seit 13 Jahren.

Reporter vor Schloss Meseberg, einem Barockschloss aus dem 18. JahrhundertBild: Getty Images/M. Hitij

Die Geschlossenheit der Regierungen in Berlin und Paris sei ein Schlüssel für die Bewältigung der Krise, sagte die Kanzlerin. "Wenn Deutschland und Frankreich einig sind, ist nicht Europa sich einig. Aber wenn Deutschland und Frankreich sich uneinig sind, dann ist es mit der Einigkeit Europas nicht besonders gut bestellt." Berlin und Paris wollten in den kommenden Monaten gemeinsam eine Rolle spielen, die deutlich mache: "Europa ist unsere Zukunft".

Für Frankreich, das hart von der Pandemie getroffen wurde, geht es bei den Verhandlungen über den Wiederaufbaufonds nicht allein um viel Geld: Paris erhofft sich aus dem Programm 30 bis 40 Milliarden Euro. Präsident Macron indes braucht nach der langen Corona-Krise und einem herben Rückschlag bei den Kommunalwahlen auch außenpolitisch Erfolge, die seine Strahlkraft erhöhen.

Macron - innenpolitisch angeschlagen - sucht den Ausgleich zwischen Ökonomie und ÖkologieBild: Getty Images/M. Hitij

In einer Frage, die bisher zwischen Berlin und Paris für Kontroversen gesorgt hatte, konnte der Gast schon einmal einen Punkt gutmachen: Die deutsche Kanzlerin stellte sich in Meseberg hinter Macrons Initiative zur Einführung einer europäischen CO2-Grenzsteuer - die sie bis dahin skeptisch kommentiert hatte. "Wenn wir ganz ambitionierte Klimaschutzziele haben, dann müssen wir uns vor denen schützen, die Produkte klimaschädlicher oder unter viel mehr Ausstoß von CO2 zu uns importieren", sagte Merkel nun.

Mission geglückt: Merkel und Macron verlassen die gemeinsame PressekonferenzBild: Getty Images/K. Nietfeld

Macron sieht im Kampf gegen den Klimawandel eine "moralische Pflicht" und fordert mehr Ehrgeiz. Erst am Sonntag hatten die Grünen und ihre Verbündeten die Rathäuser großer Städte wie Straßburg, Lyon oder Bordeaux erobert - eine Schlappe für Macron und die Mitte-Regierung, die nun auch grüne Akzente setzen muss.

Schwere Vorwürfe gegen die Türkei

Auf einem ganz anderen Konfliktfeld positionierte sich der französische Präsident bei seinem Besuch in Brandenburg auffällig pointiert: Mit Blick auf den Bürgerkrieg in Libyen erhob er schwere Vorwürfe gegen die Türkei. Das dortige Vorgehen des NATO-Partners sei "inakzeptabel". Der Regierung in Ankara wies er eine "kriminelle und historische Verantwortung" zu. Die Türkei habe ihre militärische Präsenz in Libyen ausgeweitet und "massenhaft dschihadistische Kämpfer aus Syrien" in das Land gebracht. Sie missachte damit die Beschlüsse der Berliner Libyen-Konferenz. Bei dem Treffen im Januar waren Schritte zur Deeskalation vereinbart worden.

Ankara steht im Libyen-Konflikt an der Seite der von den Vereinten Nationen anerkannten Einheitsregierung in Tripolis. Die Türkei wirft Frankreich vor, den abtrünnigen libyschen General Chalifa Haftar zu unterstützen, was Macron in Meseberg klar dementierte. Ägypten, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate stehen hinter Haftar. Der Konflikt hat sich seit einigen Wochen wieder verschärft.

jj/qu (dpa, afp, rtr)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen