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Merkel vor der Höhle des Löwen

Michaela Küfner, Kreuth / ch20. Januar 2016

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird bei der Klausurtagung der CSU in Wildbad Kreuth erwartet, schon zum zweiten Mal in diesem Jahr. Die CSU-Abgeordneten fordern von ihr ultimativ eine andere Flüchtlingspolitik.

Merkel in Wildbad Kreuth Anfang Januar (Foto: AFP)
Bild: Getty Images/AFP/J. Simon

Das verschneite Wildbad Kreuth sieht aus wie ein idealer Rückzugsort, um dem Alltag zu entfliehen. Für Angela Merkel ist Kreuth das Gegenteil. Das Tagungszentrum brodelt geradezu von aufgebrachten Delegierten von Merkels bayerischer Schwesterpartei. Die Stimmung angesichts der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin reicht von Fassungslosigkeit bis zu offener Wut. Auch nach unzähligen unionsinternen Debatten zu dem Thema liegen beide Seiten so weit auseinander, dass diesmal ein konstruktives Miteinander praktisch ausgeschlossen werden kann.

Als Merkel ursprünglich ihre Teilnahme zusagte, sollte es unter anderem um "e-governance" gehen, Online-Verwaltung und -Kommunikation zwischen Bürgern, Behörden und Unternehmen. In normalen Zeiten könnten die CSU-Delegierten stolz sein, dass die Bundeskanzlerin nun schon zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen von Berlin aus zu ihnen nach Kreuth in einen der abgelegensten Orte Deutschlands kommt.

Doch im momentanen Klima hätte es wohl wie Feigheit vor ihren Kritikern ausgesehen, hätte Merkel die erneute Einladung nach Kreuth ausgeschlagen. Die Kanzlerin scheint diese Kritik wieder frontal anzugehen, auch wenn die scharfe Auseinandersetzung innerhalb der Union aus CDU und CSU inzwischen zur täglichen Routine geworden ist.

Drohungen und Ultimaten

34 CSU-Landtagsabgeordnete haben diese Woche einen Brandbrief an Merkel unterschrieben, in dem sie eine Kehrtwende fordern. In einem weiteren Schreiben sichern sie ihr aber grundsätzliche Unterstützung zu. Die Angriffe reichen von "politischem Scheitern" bis zu einem weiteren "Ultimatum". Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, CSU, brach jetzt aus der Kabinettsdisziplin aus und forderte, sich auf Grenzschließungen vorzubereiten. Längst sind die ständigen Vorwürfe aus der Union an Merkel lautstärker als die Angriffe der wirklichen Opposition.

Der Strom der Flüchtlinge reißt auch im Winter nicht abBild: Getty Images/AFP/C. Stache

Seehofer hat kurz vor Merkels erwartetem Auftritt in Kreuth seine Forderung wiederholt, die Kanzlerin solle binnen weniger Wochen einen Kurswechsel vollziehen. Sein Ruf nach einer Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen für dieses Jahr kommt auch in dem Zwölfpunkteplan vor, den die CSU-Abgeordneten aus dem bayerischen Landtag Merkel in Kreuth übergeben wollen. Sie verlangen darin auch eine Wiedereinführung von Grenzkontrollen, sollten die EU-Außengrenzen nicht geschützt werden. Wenn das nicht passiert, hat Seehofer mit einem Gang vor das Bundesverfassungsgericht gedroht.

Der CSU-Chef hat offenbar genug von den Appellen aus Berlin und Brüssel, mehr Geduld zu haben, und hat seine Abgeordneten auf "schwere Entscheidungen" vorbereitet. Darin liegt eine kaum verhüllte Drohung, dass das bisher Undenkbare, nämlich Merkels Position infrage zu stellen, bald durchaus möglich werden könnte. Genau das ist hier in Kreuth wohl die Frage, der die CSU-Abgeordneten am häufigsten ausweichen. Ein ranghohes CSU-Mitglied sagte, ein Kurswechsel "in die eine oder andere Richtung" sei unausweichlich. Solche Drohungen wollen wohlüberlegt sein, könnten sie doch bei den anstehenden drei Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt der rechtspopulistischen AfD nützen.

Merkel rinnt die Zeit davon

Doch Merkel hält bisher eisern an ihrem Ansatz einer breiteren, europäischen Lösung fest. Das wird in Kreuth als klarer "Fehler" gesehen. Die Abgeordneten meinen, Merkel solle sich den nackten Zahlen stellen. Und die sprechen eine eindeutige Sprache. Während 2015 mehr als 1,1 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland kamen, waren es allein in den ersten beiden Januarwochen schon rund 44.000. Integration bei rund 3000 Neuankömmlingen pro Tag, so die CSU-Abgeordneten, sei schlicht nicht machbar, während europäische Solidarität weiterhin nicht in Sicht sei.

Auch der österreichische Außenminister Sebastian Kurz hat sich kurz in Kreuth gezeigt, nachdem er am Montag in Brüssel gedroht hatte, wenn es nicht bald einen Durchbruch bei der Sicherung der europäischen Außengrenzen gebe, werde sich Wien sehr bald zu einseitigen nationalen Maßnahmen gezwungen sehen.

Am Mittwochmittag dann der Knall: Österreich führt tatsächlich eine Obergrenze für Asylbewerber ein. Das Land hat auch bereits Soldaten an die slowenische Grenze geschickt, die helfen sollen, Migranten schärfer zu kontrollieren. Kurz hofft, dass solche Kontrollen einen Dominoeffekt auslösen werden.

Für Angela Merkel, die Bundeskanzlerin und mächtigste Frau Europas, wird die Zeit knapp zu zeigen, dass ihr Plan Erfolg hat. Wenn die Flüchtlingszahlen nicht in wenigen Wochen und in jedem Fall vor den Landtagswahlen am 13. März deutlich zurückgehen, könnte sie zu einer Kehrtwende gezwungen sein.

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