Für ihr europäisches Engagement ist Bundeskanzlerin Merkel in Spanien der Karl V.-Preis verliehen worden. Merkel nutzte die Gelegenheit, um einen Appell an die EU-Staaten zu senden.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel ist von Spaniens König Felipe VI. mit dem diesjährigen Europapreis Karl V. ausgezeichnet worden. An der feierlichen Zeremonie im Königlichen Kloster von Yuste rund 230 Kilometer westlich von Madrid nahmen auch Regierungschef Pedro Sánchez und der deutsche Botschafter in Spanien, Wolfgang Dold, teil.
Die Christdemokratin erhalte die Auszeichnung in Anerkennung ihrer Verdienste um die europäische Einigung, sagte Guillermo Fernández Vara, Regierungschef der Extremadura und Präsident der Europäischen und Iberoamerikanischen Akademie der Yuste-Stiftung. Der König fügte hinzu, der Preis gehe an eine Persönlichkeit, die ihrer Zeit stets voraus gewesen sei. Merkel habe sich immer für konstruktive Lösungen eingesetzt, Kompromisse gesucht und damit zur europäischen Einigung und auch zu den besonders engen Beziehungen zwischen Spanien und Deutschland beigetragen.
In ihrer Dankesrede wählte die Chistdemokratin klare Worte: "Machen wir uns nichts vor. Seit einiger Zeit wirken Fliehkräfte in der EU". Diese entstünden, wenn der Kitt gemeinsamer Werte brüchig werde, die EU ihre Zusagen nicht erfülle, "gesellschaftliche Entwicklungen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten" erfolgten und wirtschaftliche sowie soziale Unterschiede zu groß würden. "Europa ist nur so stark, wie es einig ist", betonte sie. Dies gelte sowohl für die Außen- und Sicherheitspolitik, die Migration, den Klimaschutz und überhaupt alle Fragen, in denen man die Globalisierung im europäischen Sinne mitprägen wolle.
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Merkel fordert gemeinsame europäische Linie
Konkret forderte Merkel eine gemeinsame europäische Migrationspolitik. Trotz der Schwierigkeiten dürfe man nicht ruhen, bis ein Durchbruch gelinge, sagte sie zu dem jahrelangen Widerstand etwa einiger osteuropäischen Staaten gegen eine Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU. Dies fordert neben Deutschland auch eine Reihe von EU-Staaten mit Außengrenzen wie etwa Spanien, Italien oder Griechenland. Merkel setzte sich zudem für eine solide Finanzpolitik in der EU ein. Nur dies garantiere, dass man in Krisenzeiten dann auch Solidarität üben könne, sagte sie in ihrer Rede. Außerdem betonte die Kanzlerin die Bedeutung einer gemeinsamen Linie im Umgang gegen mit der aufstrebenden Macht China.
Die 1992 gegründete Europäische und Iberoamerikanische Akademie der Yuste-Stiftung verleiht den angesehenen Europapreis Karl V. seit 1995. 2006 erhielt sie auch der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl. Ähnlich wie die Stadt Aachen mit ihrem Karlspreis zeichnet die Organisation damit engagierte Europäer aus.
Was sind "Europäische Werte"?
Menschenwürde, Freiheit, Gleichheit, Demokratie. "Europäische Werte" klingen oft nobel, aber vage. Mal praktisch: Wenn Europa aus 100 Menschen bestünde, worin wären sie sich einig? Was würde sie trennen?
30 von 100 Europäern denken, dass Männer bessere politische Führer sind
Vor der anstehenden Wahl des Europaparlaments geht es oft um "Europäische Werte". Was bedeutet das? Würde Europa aus 100 Menschen bestehen, worin wären sie sich einig? Wobei wären sie verschiedener Ansicht? Alle zehn Jahre fragt die "European Values Study" (EVS) tausende von Europäern – und hat etwa herausgefunden: 29 von 100 Befragten denken, Männer seien generell die besseren politische Führer.
Europäer sind sich einig: Politische Gewalt, Steuerbetrug und Bestechung sind tabu
Fast alle Befragten sind gegen politische Gewalt und Bestechung: Auf einer Skala von 1 bis 10 – wobei 1 "niemals" bedeutete – haben drei Viertel "1" angegeben. Diese Auswertung der ersten Ergebnisse der EVS 2017 beinhaltet Daten aus 14 Ländern: Bulgarien, Deutschland, Island, Kroatien, Niederlande, Österreich, Polen, Russland, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien und Weißrussland
Beim Thema Videoüberwachung sind sich Europäer uneins
Mehr als die Hälfte der Befragten sind der Ansicht, dass die Regierung das Recht haben sollte, in der Öffentlichkeit Videoüberwachung einzusetzen. Menschen in allen Ländern sind sich darin recht uneinig: Polen, Slovenien und Kroatien etwa sind vehementer gegen Videoüberwachung, während selbst einige ihrer unmittelbaren Nachbarn dem gegenüber positiver eingestellt sind.
In Religionsfragen sind Europäer gespalten
Nur 38 von 100 Befragten sagen, dass sie an den Himmel glauben. Von diesen 38 sind 33 religiös. Kurioserweise besteht der Rest aus Atheisten oder Menschen, die sich überhaupt nicht als religiös beschreiben. So oder so ist der Himmel noch immer populärer als die Hölle: Nur 29 von 100 Europäern glaubt, dass die Hölle existiert.
Island ist bei gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kindern toleranter
Je nach Land variiert die Ansicht darüber stark, ob gleichgeschlechtliche Paare genau so gute Eltern abgeben wie andere Paare. In Island bejahen das 88 von 100 Menschen, in Russland nur 10 von 100 Befragten. Die sozialwissenschaftlichen Forschung zum Thema ist klar: Kinder gleichgeschlechtlicher Paare haben keinen Nachteil gegenüber solchen, die bei Eltern verschiedenen Geschlechts aufwachsen.
25 von 100 Befragten hätten in Problem damit, Muslime als Nachbarn zu haben
Nur wenige Befragte haben ein Problem mit Christen als Nachbarn. Im Gegensatz dazu sagen mehr als ein Viertel, dass sie Bedenken hätten, neben Einwanderern zu wohnen. Das gleiche gilt für Muslime. Sie sind damit die religiöse Gruppe, mit der die Befragten die meisten Probleme hatten. 12 von 100 Befragten hätten ein Problem mit Juden als Nachbarn, und nur 5 mit Christen.
Europäische Werte erforschen
Die Informationen stammen von der "European Values Study": Alle 10 Jahre stellen darin Forscher Europäern mehrere hundert Fragen über Politik, Religion, Inklusion und vieles weitere. Die neueste Studie startete 2017. Bereits 16 Länder haben ihre Daten veröffentlicht – sie umfassen etwa 20.000 Befragte – und 10 weitere Länder haben die Feldarbeit bereits abgeschlossen.