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Mehr Bürgerbeteiligung

13. Februar 2012

Wie soll Deutschland in zehn Jahren aussehen? Mit dieser Frage ist Bundeskanzlerin Merkel auf einer neuen Online-Plattform an die Bürger getreten. Der Start verlief vielversprechend. Aber was wird dabei herauskommen?

Screenshot www.dialog-ueber-deutschland.de Angela Merkel Bürgerdialog und Bürgerbeteiligung
Bild: dialog-ueber-deutschland.de

Seit knapp zwei Wochen ist die neue Website www.dialog-ueber-deutschland.de - eine sogenannte Bürgerbeteilungsplattform - online. Und schon jetzt gibt es dort rund 4800 Vorschläge mit teilweise hunderten Kommentaren. Den einzelnen Vorschlägen können die anderen Internetnutzern ihre Stimmen geben, sich also dem Vorschlag anschließen. Allein am ersten und zweiten Tag gab es nach Angaben des Bundespresseamts 50.000 Besucher auf der Plattform.

Man kann sagen, das ist ein beachtlicher Erfolg im Vergleich zu ähnlichen aktiven Versuchen der Politik, den Bürgerdialog über das Internet zu suchen. Rein quantitativ betrachtet nimmt das Kritikern den Wind aus den Segeln, die behaupten, Kanzlerin Angela Merkel wolle so allein Bürgernähe simulieren und den Wahlkampf für das Jahr 2013 vorbereiten.

Locker im Internet

"Ich hab den Amtseid geschworen, dass möglichst Beste für Deutschland und seine Bürger zu tun und da kann ich schon mal fragen, wie stellt ihr euch das Land in zehn Jahren vor", verteidigte Angela Merkel ihre Online-Initiative in einem Video-Interview, dass am Donnerstag (09.02.2012) live auf der Dialog-Website gestreamt wurde. Steffen Wenzel vom unabhängigen Politikmagazin politik-digital.de stellte die Fragen. Das Interview dauerte rund 20 Minuten.

Angela Merkel und Steffen WenzelBild: dialog-ueber-deutschland.de

Im Gegensatz zu vielen Interviews im klassischen Fernsehen wirkte Merkel hierbei recht ungezwungen, fast locker. Und die derzeit oft als neue eiserne Lady  bezeichnete Kanzlerin lächelte an vielen Stellen des Interviews. So wurde gewollte Bürgernähe auch schon in der Art des Auftretens sichtbar.

Deutschland in zehn Jahren?

"Lassen Sie uns gemeinsam nachdenken, wie wir in Zukunft leben wollen. In Deutschland. In diesem Jahrzehnt." So lautet die Überschrift auf der Internetplattform. Die Vorschläge und Ideen können drei Fragen zugeordnet werden: Wie wollen wir zusammenleben? Wovon wollen wir leben? Wie wollen wir lernen? Die Fragen seien bewusst recht offen gehalten, so Merkel, damit viele Meinungen zur Sprache kommen können. Die Vorschläge können bis zum 15. April gemacht werden, danach wird sortiert. Die Verfasser der besten zehn Vorschläge werden ins Kanzleramt zu einem Gespräch mit Angela Merkel eingeladen.

Ein generelles Problem derartiger Beteiligungsplattformen ist ihr populistischer Charakter. So bekommen nicht immer die vermeintlich besten Vorschläge auch die meisten Stimmen. Beim "Dialog über Deutschland" wird deshalb zweigleisig gefahren. Ein Team von Wissenschaftlern und Experten wird aus rein qualitativer Sicht ebenfalls zehn Favoriten bestimmen. Die letztendliche Entscheidung fällt dann aber die Kanzlerin, obwohl es ihr nicht darum gehe, "den Herzenswunsch von Frau Merkel durchzubekommen".

Abzuwarten bleibt, ob diese Vorschläge dann konkret oder eher diffus sein werden, wie sehr sich auch ein direkter politischer Handlungsauftrag daraus ableiten lässt. Merkel jedenfalls hofft darauf, dass es ein paar Vorschläge sind, auf die sie sonst nicht gekommen wäre.

Demokratie lernen mit Cannabis

Auf Plattformen dieser Art in Deutschland tritt die Cannabis-Lobby traditionell sehr klickstark auf, so auch dieses Mal. Sie fordern die Legalisierung der Droge. Nein, das sei kein Problem für sie, so Merkel. "Ich habe Respekt davor, wenn sich eine Gruppe für ihr Ziel einsetzt, auch wenn ich es nicht teile." Andere sollten sich daran sogar ein Beispiel nehmen, also am Prinzip des Vernetzens, gemeinsam Interessen zu vertreten, andere Meinung anzuhören und zu bewerten.

Ist die Plattform also auch ein Weg zu mehr direkter Demokratie, fragte Steffen Wenzel die Kanzlerin? "Der Dialog will mehr direkte Kommunikation zwischen Bürgern und Entscheidungsträgern ermöglichen, aber das ist keine neue Form der Entscheidungsfindung", antwortete Merkel. Das Internet sei kein Mittel repräsentativer Demokratie, auch, weil längst nicht alle Zugang dazu hätten.

Bürgerbeteiligung wird wichtiger

Mehrere hunderttausend Euro koste die Internet-Initiative, sagt Merkel. Sie sei damit günstiger als gängige Kampagnen in Zeitungen und Zeitschriften. Außerdem könne im Internet direkt und schnell reagiert werden. Die Kanzlerin deutete an, dass Bürgerbeteiligung speziell im Internet zunehmen werde. Die Kommunikation mit den Bürgern werde besonders bei Infrastrukturprojekten wichtiger, das habe ihr auch der Streit um den neuen Bahnhof in Stuttgart gezeigt. Auszuprobieren sei, an welchem Punkt der Entscheidungsfindung der Bürger am besten einzubeziehen sei.

Die Piratenpartei ist mit ähnlichen Ideen und Forderungen nach mehr Bürgerbeteiligung im letzten Jahr deutschlandweit angetreten und erfolgreich geworden. Dass die Kanzlerin dies nun ähnlich sieht, könnte auch ein Hinweis darauf sein, dass mit dem "Dialog über Deutschland" der Wahlkampf nun doch schon begonnen hat. Denn bundesweit hat die Piratenpartei seit Monaten einen Zustimmungswert über der Fünf-Prozent-Hürde, hätte damit also Chancen, 2013 in den Bundestag einzuziehen.

Autor: Kay-Alexander Scholz
Redaktion: Friedel Taube

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