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Politik

Eine Schutzzone für Idlib

6. März 2020

Ein sicheres Gebiet für die Menschen in der syrischen Region Idlib fordert jetzt auch die Bundeskanzlerin. Doch ob eine Schutzzone verwirklicht wird, hängt vor allem von Moskau und Ankara ab.

BG Flüchtlinge Idlib
Bild: Getty Images/AFP/A. Watad

Eine Schutzzone im Nordwesten Syriens, die Idee ist nicht neu. Vorgebracht hatte sie im Oktober die CDU-Vorsitzende und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer nach Absprache mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Kritiker äußerten jedoch damals den Verdacht, dass es AKK, wie die Ministerin kurz genannt wird, vor allem um Selbstprofilierung ging. Sie war erst wenige Wochen Ministerin und sah sich im Herbst noch als mögliche Kanzlerkandidatin für die Nachfolge von Angela Merkel. Inzwischen kündigte sie ihren Rückzug an.

Die Initiative verlief im Sande, weil selbst aus der CDU/CSU wenig Unterstützung kam. Mehr als das, AKKs Vorschlag legte die Spannungen innerhalb der großen Koalition offen. Vor laufenden Kameras tat SPD-Außenminister Heiko Maas in einer Pressekonferenz mit seinem türkischen Amtskollegen Mavlüt Cavusoglu die Idee als unwichtig ab. Die deutsche Seite müsse sich wohl erst einmal sortieren, amüsierte sich darauf Cavusoglu. Die Bundesregierung hatte sich blamiert.

Moskau hat es in der Hand

Jetzt, ein halbes Jahr später, wirbt die Kanzlerin selbst für die Idee einer Schutzzone. Wo genau sie liegen könnte, das sollten die Präsidenten Russlands und der Türkei, Putin und Erdogan, festlegen, erklärte später eine Regierungssprecherin.

Idlib ist die letzte Region unter der Kontrolle der Rebellen

Den ergänzenden Vorschlag einer Flugverbotszone haben die Türkei, aber auch mehrere EU-Mitgliedsstaaten dann ins Gespräch gebracht. Aber sowohl eine Sicherheitszone als auch ein Flugverbot müssten militärisch durchgesetzt werden. Der CDU-Abgeordnete Johann Wadephul ist skeptisch: "Ohne ein UN-Mandat wird es dort keinen militärischen Einsatz geben können", gab er am Donnerstag im Bundestag zu bedenken. Was bei seinen Worten mitschwingt: Russland hat ein Vetorecht im Weltsicherheitsrat und könnte jedes Mandat verhindern, das ihm nicht passt. Und da die syrischen Regierungstruppen zusammen mit russischer Unterstützung auf dem Vormarsch sind, dürfte Moskau alles verhindern, was den militärischen Erfolg gefährdet. Die Region um Idlib in Nordwestsyrien ist die letzte Hochburg, die von Rebellen gehalten wird. Sie werden von türkischen Truppen unterstützt.

Flüchtlinge in der Falle

Die humanitäre Lage in Nordsyrien verschlimmert sich zusehends. Fast eine Million Menschen sind dort nach UN-Angaben seit Anfang Dezember vertrieben worden, meist Frauen und Kinder. Sie sind in Richtung der türkischen Grenze geflohen, doch die ist geschlossen. So sitzen sie in der Falle zwischen den vorrückenden syrischen Truppen und der geschlossenen Grenze. Das Gebiet, in das sie fliehen könnten, wird immer kleiner.

Ziel einer Schutzzone ist nach den Worten von Kramp-Karrenbauer, die Region so zu stabilisieren, "dass eine sichere Zuflucht für die Menschen, humanitäre Hilfe, ziviler Wiederaufbau und später eine freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen möglich sind".

Die Grenze zur Türkei ist für syrische Flüchtlinge geschlossenBild: Getty Images/AFP/A. Watad

Doch wer soll eine Schutzzone, sollte sie denn eingerichtet werden, absichern? Für die Verteidigungsministerin kommen zwar dafür grundsätzlich die Streitkräfte von EU-Staaten und damit auch die Bundeswehr infrage. Für wahrscheinlicher hält sie aber eine Verantwortung durch die Vereinten Nationen. Der CDU-Außen- und Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter glaubt, es gehe "nicht direkt um eine europäische Absicherung und die Rolle der Bundeswehr", sondern in einem ersten Schritt müssten sich Russland und die Türkei einigen. Omid Nouripour, Außenpolitiker der Grünen, vermisst an Merkels Vorschlag einer Schutzzone schlicht deren Durchsetzbarkeit, vor allem angesichts der russischen Lufthoheit, und fordert die Kanzlerin zu einer Konkretisierung der Idee auf.

Tatsächlich ist vor allem Russland das Problem. "Sichere Versorgungsräume als mögliche Voraussetzung einer künftigen Schutz- oder Sicherheitszone", so Roderich Kiesewetter, seien "nur im Einvernehmen mit Russland zu erreichen". Merkel hat offenbar von Präsident Wladimir Putin eine Abfuhr für ihren Vorschlag bekommen, dass sich er, Erdogan, Merkel und Frankreichs Präsident  Macron zu einem Vierertreffen über die Lage in Idlib zusammensetzen. Der russische Außenminister Lawrow bemerkte unterdessen schneidend, sein Land werde den Kampf gegen "Terroristen" in Idlib nicht stoppen, nur um Europas Flüchtlingsprobleme zu lösen.

"Hilflose" EU

Die Ideen einer Schutzzone und einer Flugverbotszone haben nichts mit der jüngsten Vereinbarung zwischen den Präsidenten  Putin und Erdogan zu tun. Diese sieht eine Waffenruhe und einen zwölf Kilometer breiten "Sicherheitskorridor" entlang der strategisch wichtigen Schnellstraße M4 vor. Von einer größeren Schutzzone oder einer Flugverbotszone ist darin keine Rede.

Zerstörte Wohngebiete in IdlibBild: picture-alliance/AP Photo/G. Alsayed

Offenbar hat die Kanzlerin auch die lange gehegte Hoffnung des Westens aufgegeben, es werde eine Zukunft in Syrien ohne Assad geben. Merkel zufolge habe sich gezeigt, so berichten Teilnehmer einer Fraktionssitzung, dass ein von außen initiierter Wechsel der Regierung in Damaskus nicht möglich sei. Offiziell vertritt die Bundesregierung nach wie vor die Position, ein politischer Neubeginn in Syrien sei mit Assad undenkbar. Doch bereits die Frage einer Sicherheitszone kann nicht ohne Zustimmung Russlands gelöst werden. Der CDU-Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter sieht denn auch Zeichen einer "außenpolitischen Hilflosigkeit der Europäischen Union". Ob die neue, alte Idee einer Schutzzone verwirklicht wird, hängt wohl vor allem von Russland und der Türkei ab, aber nicht von der EU oder von Deutschland.

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