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CSU erwartet gespannt Merkel-Rede

Bernd Gräßler, z.Zt. München19. November 2015

Der CSU-Parteitag In München steht im Zeichen der Flüchtlingskrise. Gespannt erwarten rund 1000 Delegierte die Rede der Kanzlerin. Deren Beliebtheit in der Schwesterpartei hat stark gelitten. Aus München Bernd Gräßler.

Vorbereitung auf den CSU-Parteitag in München (Foto: Bernd Grässler/dw)
Das Rednerpult steht bereit für Merkels AuftrittBild: DW/B. Grässler

Die Halle C 1 auf der Münchner Messe ist in den CSU-Farben geschmückt, die zugleich die Bayerns sind, Hellblau und Weiß. Dazu als Symbol des Mutes und der Angriffslust: der bayrische Löwe. Ob es Bundeskanzlerin Angela Merkel gelingt, Letzteren zu zähmen, ist offen. Gerda Hasselfeldt, die Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, geht davon aus, dass Merkel von den über eintausend Delegierten des CSU-Parteitages "herzlich und mit großem Respekt" empfangen wird. "Denn das ist auch das, was die Parteimitglieder der Bundeskanzlerin entgegenbringen: hohen Respekt vor ihrer mittlerweilen zehnjährigen Amtstätigkeit als Bundeskanzlerin", sagt Hasselfeldt im DW-Interview.

Ob das Hasselfelds Parteifreunde im heimatlichen Bayern auch so sehen, wird sich zeigen. Denn der Ärger über die Bundeskanzlerin, deren Entscheidung Bayern praktisch über Nacht Zehntausende Flüchtlinge bescherte, die nur mit größter Mühe unterzubringen und zu betreuen sind, sitzt bei vielen CSUlern aus den Landkreisen und Kommunen noch tief. Im Leitantrag des Parteivorstandes heißt es ganz am Anfang: "Wir können nicht alle aufnehmen, die zu uns wollen". Und gleich danach: "Kein Land der Welt nimmt unbegrenzt Flüchtlinge auf." Das klingt wie ein Vorwurf, der sich nur an eine Adresse richten kann: Angela Merkel, die Bundeskanzlerin und Vorsitzende der Schwesterpartei CDU.

Nur noch jeder zweite CSUler will Merkel als Kanzlerin

Merkel wird am Freitag in München als Gastrednerin auftreten, wie es zwischen den beiden christlichen Schwesterparteien bei Parteitagen üblich ist. Von Ausnahmen abgesehen, wie der zeitweiligen Aufkündigung der Bundestags-Fraktionsgemeinschaftmit der CDU im Jahr 1976 auf Betreiben des damaligen CSU-Chefs Franz-Josef Strauß. Damals stand sogar die Ausdehnung der bayrischen CSU auf das ganze Bundesgebiet zur Debatte. Der Gedanke, dass der Zwist über offene Grenzen und Asylrecht ähnliche Folgen haben könnte, tauchte in den vergangenen Wochen nur kurz und nicht wirklich ernsthaft auf.

Trotzdem: Selten war ein Auftritt so brisant wie dieser, nach monatelangem Zoff zwischen der Kanzlerin und der CSU über den richtigen Umgang mit Asylbewerbern. Wie wird Merkel von den Delegierten begrüßt? Welche Reaktionen gibt es, wenn sie womöglich ihre Aussage wiederholt, wonach das deutsche Asylrecht keine Begrenzung nach Oben kennt? Die Beliebtheit der CDU- Chefin bei der bayrischen Schwesterpartei ist enorm gesunken. Einer jüngsten Umfrage von Forsa zufolge würde sich in einer Kanzler-Direktwahl nur noch reichlich die Hälfte der CSU-Sympathisanten für Angela Merkel entscheiden. Bei den Anhängern ihrer eigenen Partei, der CDU, sind es immerhin noch fast 90 Prozent.

Hasselfeldt: Wir können nicht allen helfen

12:05

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Der Streit um die Obergrenzen

Ihr Kontrahent in der Flüchtlingsfrage, der bayrische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer, versucht allerdings seit Tagen, die Atmosphäre zu entkrampfen Denn in wichtigen Punkten hat die Kanzlerin dem Drängen der CSU schon nachgegeben. Zwar will sie weiterhin keine Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen festlegen. Aber ihr Bemühen, den Flüchtlingszustrom mit Hilfe der Türkei bereits an den EU-Außengrenzen zu stoppen und anstelle unkontrollierter Zuwanderung künftig Flüchtlingskontingente auf legalem Wege nach Deutschland zu lassen, kommt faktischen Obergrenzen schon recht nahe.

Als Erfolg kann Seehofer auch die geplante Einrichtung sogenannter Aufnahmezentren nach bayrischem Vorbild vorweisen. In ihnen sollen alle Flüchtlinge gesammelt und schneller abgeschoben werden, die von vornherein keine Aussicht auf Asyl haben. Die CSU-Forderung, den Familiennachzug so weit wie möglich zu reduzieren und damit eine Vervielfachung der Flüchtlingszahl zu verhindern, ist das schwierigste Projekt. Aber auch hier zeigt sich Angela Merkel kompromissbereit. Seehofer hofft deshalb auf ein gutes Ergebnis bei seiner auf dem Parteitag anstehenden Wiederwahl als Parteichef.

Söder (links) und Seehofer: Zwist wegen MerkelBild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Doch manche Mitglieder in der CSU sind unzufrieden. Allen voran Bayerns Finanzminister Markus Söder, der als ein Anwärter auf Seehofers Nachfolge im Amt des bayrischen Ministerpräsidenten gilt. Er möchte, dass Merkel endlich eine Obergrenze für die Flüchtlingsaufnahme verkündet. In einem Zeitungsinterview warf Söder vor wenigen Tagen Merkel noch einmal vor, die Zuwanderungswelle aus Syrien, Irak, Afghanistan und Pakistan ausgelöst zu haben. Die Kanzlerin solle endlich zugeben, "dass die zeitlich unbefristete Öffnung der Grenzen ein Fehler war". Ein solches Eingeständnis wünschten sich viele beim Parteitag der CSU, verkündete der forsche 48-Jährige. Von Seehofer wurde er für seine Attacke auf die Kanzlerin heftig gerüffelt. Doch niemand weiß ganz genau, wie viele CSU-Mitglieder und Parteitagsdelegierte Söders Meinung teilen. Ein Indiz wird sein Abschneiden bei der Vorstandswahl sein.

Parteitagsvorbereitung mit schwerem GerätBild: DW/B. Grässler

"Wir haben recht behalten"

Auf einen Kotau Merkels sollte man in München allerdings nicht hoffen. In öffentlichen Erklärungen bleibt die Kanzlerin bei ihrer Linie des "freundlichen Gesichts", das Deutschland zeigen müsse. "Jeder, der zu uns kommt, hatte einen Grund zu fliehen", erklärte sie zuletzt in einem Fernsehinterview.

Um die Delegierten versöhnlich zu stimmen, wird Merkel die Bayern voraussichtlich zum wiederholten Male überschwänglich dafür loben, wie sie die große Herausforderung der vielen tausend Flüchtlinge gemeistert haben. Doch in München will man nicht nur die Hauptlast der Flüchtlingskrise tragen, sondern man ist auch überzeugt, die richtigen Lösungen zu deren Bewältigung zu haben. So steht es im Leitantrag des CSU-Vorstandes. Als Beispiel wird auf den einstigen Streit um das Erlernen der deutschen Sprache durch Zuwanderer verwiesen. Damals habe man der CSU Zwangs-Germanisierung vorgeworfen. Heute sei klar, dass Sprache den Schlüssel zur Integration darstelle: "Wir haben recht behalten", heißt es triumphierend.