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Politik

War'n doch gar nicht so schlecht, oder?

28. November 2017

Beliebt sind sie nicht, die Koalitionen der Großen. Sie lähmen die Opposition und marginalisieren den Juniorpartner, argumentieren Kritiker. Die SPD kann ein Lied davon singen. Nun steht wohl eine neue bevor.

TV-Duell Angela Merkel und Martin Schulz
Bild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

Als die Stimmen am 24. September ausgezählt waren, herrschte Einigkeit bei den Sozialdemokraten: Das sei ein klarer Oppositionsauftrag. Mit etwas mehr als 20 Prozent hatte sich die Talfahrt der SPD bei den Wählern fortgesetzt. Die nur noch halbe Volkspartei plante die gründliche politische Regeneration auf den Oppositionsbänken - zumindest anfangs. Mit dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen steht die SPD aber doch wieder vor der Frage, ob sie als Serienverliererin erneut zur Macht streben soll. Zum dritten Mal seit 2005 und 2013 als Erfüllungsgehilfin Merkels. Nie ist ihr das gut bekommen.

Erstaunlich gut, erstaunlich wenig

Noch ist die SPD geschäftsführend im Amt, doch die Bilanzen der abgelaufenen Legislaturperiode sind längst geschrieben. Tenor: So schlecht war die zweite Merkel-GroKo gar nicht. Es war vor allem harmonisch. Doch die gute Atmosphäre zwischen Roten und Schwarzen reichte nicht für großkalibrige Politikerfolge.

Merkels Losung von 2013, "…dass wir eine große Koalition sind, um auch große Aufgaben für Deutschland zu meistern", erwies sich als bloßes Lippenbekenntnis. Mit der 80-Prozent-Mehrheit im Bundestag wurde vor allem die Mini-Opposition daran gehindert, auch nur irgendeinen Impuls für die Regierung zu geben. Große Reformen blieben jedenfalls aus. Das Wenige, das beide zustande brachten, ist die Reform der Pflegeversicherung, die Mütterrente, die Rente mit 63, der Mindestlohn und die Frauenquote.

Als Erfolg werten Wohlmeinende die weitgehend unfallfreie Regentschaft in schwieriger Zeit. Die gestiegene Terrorgefahr und der Flüchtlingszuzug wurden vor allem verwaltet. Und: der gesellschaftliche Konsens blieb einigermaßen erhalten, der zeitgleich in Großbritannien durch den Brexit, in den USA durch Trump und in Teilen Osteuropas durch eine Renationalisierungsbewegung in Schieflagen gebracht worden war.

Gute Laune von Beginn an: Merkels zweite Große Koalition besiegelt am 27.11.2013 das BündnisBild: Reuters

Gemischt fällt die Bilanz in sozialpolitischer Hinsicht aus. Trotz kräftig brummender Konjunktur merkten große Teile der Bevölkerung wenig bis nichts davon. Laut Bundesagentur für Arbeit hatten im März 2017 mehr als 3,2 Millionen Menschen mehr als einen Job, die Gesamtzahl der geringfügig Beschäftigten ist in GroKo-Zeiten auf 7,5 Millionen gestiegen. Während das Einkommen der oberen zehn Prozent zwischen 2000 und 2012 zweistellig gestiegen ist, so das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), verzeichnen die 40 Prozent am unteren Ende der Wohlstandsskala Einkommensrückgänge. Soziale Rückkopplungen in einer Wachstumswirtschaft, die die Wähler vor allem der SPD anlasteten.

Der Gerechtigkeits-Wahlkampf, der nicht zündete

Entwicklungen wie diese verzerren das Bild vom Paradies Deutschland, "in dem wir gut und gerne leben", wie es Kanzlerin Angela Merkel immer wieder betont. Das Top-Wahlkampfthema der SPD 2017, Gerechtigkeit, war richtig, so der SPD-Vordenker Nils Heisterhagen. Es wurde nur schwach verkauft, ist sich der langjährige Redenschreiber für die Gewerkschaft IG Metall sicher.

Geblieben ist in der Rückschau der Eindruck, die SPD habe grundsätzlich sozialpolitisch kaum etwas anderes machen wollen als der Mehrheitspartner in der Koalition. Heisterhagen empfiehlt seiner Partei eine klare steuer- und sozialpolitische Linkswende. "Mehr Lafontaine wagen", heißt seine Forderung. Der frühere SPD-Chef Oskar Lafontaine stand zu Beginn der Kanzlerschaft Gerhard Schröders für einen solchen Kurs. Weil er sich nicht durchsetzen konnte, verließ er die Partei und schloss sich den Linken an.

Mit ihrem Marsch in die Mitte und einer großen politischen Schnittmenge zur Union verlor die SPD nicht nur an Profilschärfe. Sie verlor auch an die radikale Rechte. Die populistische AfD hat unter ihren Anhängern inzwischen einen höheren Arbeiteranteil (34 Prozent) als die traditionsreiche Arbeiterpartei SPD. Mehr noch: in den Reihen der AfD gibt es mehr Gewerkschafter (24 Prozent) als in der SPD (19 Prozent). Eine Entwicklung, die auch den bisherigen acht GroKo-Jahren seit 2005 geschuldet ist, in denen die SPD in der öffentlichen Wahrnehmung kaum als Unterschied zu Merkels Union identifiziert werden konnte. 

GroKo 2005-2009: Harmonie, die der SPD nicht bekam

In keinem Kabinett der deutschen Nachkriegsgeschichte ist man freundlicher miteinander umgegangen als in Merkels erster GroKo ab 2005, schrieb der Spiegel 2009. Der SPD ist auch diese politische Liaison nicht bekommen. Bei der Bundestagswahl nur knapp von der Union geschlagen, konnte sie sogar auf Augenhöhe verhandeln. Doch kaum gestartet, degenerierte die Sozialdemokratie in Regierungsverantwortung zum Scheinriesen.

Die Stimmung war das Beste: Vor der zweiten Verhandlungsrunde im Oktober 2005Bild: picture-alliance/AP Photo/F. Bensch

In der Sache haben die Koalitionäre zwar viel verabschiedet. Über 2.000 Gesetze. Zum Beispiel die "Berichtigung der 13. Verordnung zur Änderung des Rückstands-Höchstmengen-Verordnung". Ein gemeinsames Großprojekt gab es jedoch nicht. Stattdessen Freundlichkeiten gegenüber den Bürgern: Abwrackprämien für alte Autos, wenn im Gegenzug ein neues gekauft wurde. Oder länger ausgezahlte Sozialleistungen. Eine Koalition der Mutlosigkeit, in der die SPD Schaden nahm, weil sie hinter der Kanzlerin nicht wahrgenommen wurde, so der einhellige Tenor der politischen Beobachter.

Schon damals wurde die Frage diskutiert, wie die Partei unter den Bedingungen der großen Koalition Profil behalten, bzw. gewinnen kann. Es wurde viel verwaltet und gemanagt, aber wenig gestaltet. Am Ende wurde die SPD abgewählt, und die FDP schlüpfte in die Rolle des kleineren Koalitionspartners. Nun wird die SPD gerufen, weil Jamaika nicht zustande kommt. Das klare Nein zur GroKO weicht täglich mehr auf. Sie kann Forderungen stellen, darf es aber auch nicht übertreiben. Denn Merkel hat noch einen Schuss im Magazin: Die Minderheitsregierung.

 

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