Merz: "Einigkeit in der Koalition" bei Israel-Hamas-Krieg
23. Juli 2025
Deutschlands Bundeskanzler Friedrich Merz sieht nach eigenen Worten "keine Meinungsverschiedenheiten" in der schwarz-roten Koalition über den Israel-Hamas-Krieg. Ungeachtet anderslautender Äußerungen von Sozialdemokraten sagte der CDU-Politiker: "Wir sind uns in diesen Fragen vollkommen einig." Zugleich forderte Merz die israelische Regierung mit "großem Nachdruck" auf, die "massiven militärischen Interventionen" zu stoppen, einen Waffenstillstand und "vor allem die humanitäre Hilfe für die Bevölkerung" im Gazastreifen zu ermöglichen.
Auf die Frage von Journalisten, warum Deutschland einen Appell von Außenministern aus 27 Staaten und der EU-Kommission an die Kriegsparteien nicht unterzeichnet habe, antwortete der Christdemokrat Merz, eine bereits zuvor beschlossene Erklärung des Europäischen Rates sei "praktisch inhaltsgleich". Er selbst nehme für sich in Anspruch, "dass ich einer der Ersten gewesen bin, der in aller Deutlichkeit auch in Deutschland gesagt hat, dass die Zustände dort nicht länger hinnehmbar sind".
Frei: "Vielfältige Kontakte"
Kanzleramtsminister Thorsten Frei sagte dem Zweiten Deutschen Fernsehen, aus Sicht der Bundesregierung sei in dem jüngsten Schreiben die Abfolge der Ereignisse nicht deutlich geworden. So müsse klargestellt werden, dass der Ausgangspunkt für den Krieg, der Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 gewesen sei und dass die Hamas, die von vielen Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, noch immer verschleppte israelische Zivilisten als Geiseln gefangen halte.
Jenseits des Briefes gebe es "natürlich vielfältige Kontakte" zur israelischen Regierung, betonte Frei. Der CDU-Politiker fügte hinzu, die humanitären Verhältnisse im Gazastreifen müssten verändert werden. "Bei allem Respekt auch vor dem Selbstverteidigungsrecht Israels" sei der Schutz der Zivilbevölkerung ein "völkerrechtliches Gebot".
Miersch: "Nicht ausscheren"
Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Matthias Miersch, hatte mit Blick auf den Appell verlangt: "Deutschland sollte sich der Initiative Großbritanniens anschließen und hier nicht ausscheren." Wenn internationales Recht "systematisch verletzt" werde, müsse dies Konsequenzen haben. Das menschliche Leid in dem abgeriegelten Palästinensergebiet sei erschütternd.
Deutschland habe eine besondere Verantwortung für die Sicherheit Israels - aber auch für die Einhaltung des Völkerrechts und den Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung. "Doppelte Standards untergraben unsere internationale Glaubwürdigkeit", so Miersch.
In der internationalen Erklärung wird ein sofortiges Ende des Krieges im Gazastreifen verlangt. Laut britischer Regierung haben außer Großbritanniens Ressortchef David Lammy die Außenminister folgender Staaten das gemeinsame Statement unterzeichnet: Australien, Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Japan, Kanada, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Neuseeland, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, die Schweiz , Slowenien, Spanien und Zypern sowie EU-Kommissarin, Hadja Lahbib, in der Europäischen Kommission zuständig für Krisenmanagement.
Sie kritisieren Israels Umgang mit der humanitären Hilfe. Die 28 Unterzeichner aus aller Welt verlangen zugleich, dass die militant-islamistische Hamas alle von ihr festgehaltenen Geiseln bedingungslos freilässt.
Das israelische Außenministerium hatte den Appell zurückgewiesen. Dieser sei "ohne Bezug zur Wirklichkeit".
Unterdessen forderten mehr als 100 Organisationen erneut freien Zugang für bereitstehende Hilfsgüter. Wegen der Blockade durch Israel blieben Tonnen von Nahrung, Wasser, Arzneimitteln und Treibstoff ungenutzt in Lagerhäusern außerhalb des Gazastreifens, schreiben insgesamt 111 Hilfswerke aus aller Welt, darunter mehrere kirchliche Einrichtungen.
Hilfsorganisationen: "Mangelernährung und Hunger"
Seitdem die von Israel und den USA unterstützte Gaza Humanitarian Foundation (GHF) Ende Mai die Verteilung der Lebensmittel übernommen habe, litten besonders Kinder und alte Menschen zunehmend unter Mangelernährung und Hunger, heißt es in diesem Aufruf.
Beinahe täglich komme es zu tödlichen Vorfällen an den Ausgabestellen. Nach Angaben den UN-Menschenrechtsbüros wurden seither mindestens 1000 Palästinenser bei der Nahrungssuche, auf für humanitäre Hilfe angelegten Wegen oder an Essensausgabestellen getötet.
Die GHF zeigte sich bereit, Hilfslieferungen bei der Einfuhr nach Gaza und UN-Helfer am Ort zu schützen. Die Stiftung forderte die Vereinten Nationen auf, mit ihr zusammenzuarbeiten. Die GHF verteilte nach eigenen Angaben seit Aufnahme ihrer Tätigkeit rund 82 Millionen Mahlzeiten an die palästinensische Bevölkerung. Sie lässt sich dabei von privaten US-Sicherheitsdiensten unterstützen.
Die UN und etablierte internationale Hilfsorganisationen hatten wiederholt Kritik an der GHF geübt. Israel hatte das neue Verteilsystem nach eigener Darstellung durchgesetzt, um zu verhindern, dass die Hamas Hilfsgüter abzweigt.
jj/AR/pgr (dpa, afp, rtr, kna GOV.UK)
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