Deutschland will der Ukraine beim Raketenbau helfen
28. Mai 2025
Zum ersten Mal wurde der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj vom neuen Bundeskanzler Friedrich Merz in Berlin empfangen. Der hat schon mit seinen ersten Auslandsreisen deutlich gemacht, dass die Unterstützung der Ukraine für ihn einen hohen Stellenwert hat. Eine seiner ersten Stationen war bereits Kyjiw. Zusammen mit den Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien und Polen sicherte Merz dem Land weitere Hilfe gegen den russischen Angreifer zu.
"Für Merz ist die fortgesetzte Unterstützung der Ukraine Dreh- und Angelpunkt im außenpolitischen Denken. Die russische Bedrohung Europas muss möglichst in der Ukraine gestoppt werden", schreibt Henning Hoff von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik der DW.
Ukraine hat freie Hand beim Einsatz deutscher Waffen
Nach dem Gespräch sagte Merz der Ukraine bei einer gemeinsamen Pressekonferenz Hilfe zur Beschaffung weitreichender Raketen. Ziel sei eine gemeinsame Produktion. Die könne sowohl in der Ukraine wie auch in Deutschland erfolgen. Bei den Waffen werde es "keine Reichenweitenbeschränkungen geben", und "die Ukraine kann sich damit vollumfänglich verteidigen auch gegen militärische Ziele außerhalb des eigenen Staatsgebiets", fügte Merz hinzu.
"Generell scheint die neue Bundesregierung stärker bereit, größere Risiken einzugehen und Russland, gemeinsam mit den Verbündeten, stärker unter Druck zu setzen", meint Henning Hoff.
Der Kreml reagierte umgehend und nannte die Raketenpläne "sehr unverantwortlich".
Ob bei den Waffen mit großer Reichweite auch eine Lieferung deutscher Marschflugkörper vom Typ Taurus gemeint ist, sagte Merz nicht, und das ganz bewusst. "Es ist gut, wenn Putin im unklaren darüber ist, was wir liefern", sagte Jens Spahn, Fraktionschef der Unionsparteien CDU und CSU im Bundestag, dem Fernsehsender ZDF.
Als Oppositionsführer hatte Merz sich immer wieder für die Lieferung der Taurus ausgesprochen, während der damalige sozialdemokratische Kanzler Olaf Scholz das strikt ablehnte. Scholz befürchtete, dass Deutschland dann in den Krieg mit Russland hineingezogen werden könnte.
Trump: "Putin ist verrückt geworden"
Ein wenig Bewegung scheint unterdessen in die festgefahrenen europäisch-amerikanischen Beziehungen in der Ukraine-Frage zu kommen. US-Präsident Donald Trump hatte bis vor kurzem deutlich gemacht, dass er ohne die Europäer mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über einen Frieden in der Ukraine verhandeln will und bereit war, Putin dabei weit entgegenzukommen.
Doch jetzt zeigt sich Trump entnervt über Putin: Nach massiven neuen russischen Luftangriffen auf ukrainische Wohngebiete schrieb Trump auf seiner Plattform Truth Social: "Er ist absolut verrückt geworden!" Putin wolle offenbar die ganze Ukraine und nicht nur ein Stück. "Aber wenn er das tut, wird das zum Untergang Russlands führen!"
Das nährt die Hoffnung in Berlin und Kyjiw, dass man Trump doch noch für ein gemeinsames Vorgehen gewinnen kann. Kann das gelingen? "Das ist buchstäblich die Multi-Milliarden-Dollar-Frage", so Henning Hoff von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. "Der erratische US-Präsident ist eigentlich ein Putin-Bewunderer. Dass er ihn jüngst als 'völlig verrückt' bezeichnet hat, könnte ein Zeichen der Ernüchterung sein. Bislang setzte man im Kreml darauf, dass die USA unter Trump als Ukraine-Unterstützer wegbrechen und danach auch die Europäer den Mut verlieren." Dieses Kalkül Putins könne jetzt möglicherweise wegbrechen.
Buhlen um Amerikas Gunst trotz Demütigung
Nach wie vor befürchten aber sowohl Selenskyj als auch Merz, die USA unter Trump könnten sich aus der Ukraine-Unterstützung wie auch aus der Friedenssuche ganz ausklinken. Die Frage wäre dann, ob die Europäer die Last allein tragen könnten. "Auch wenn es schwer wird: Sie werden es müssen", meint Henning Hoff. Bei den Russland-Sanktionen gebe es durchaus noch Spielraum.
Als Bundeskanzler Friedrich Merz, der französische Präsident Emmanuel Macron, der britische Premier Keir Starmer und der polnische Ministerpräsident Donald Tusk zusammen in Kyjiw waren, da sah es kurz nach einer gemeinsamen Initiative mit Donald Trump aus. Zusammen riefen sie Trump aus der ukrainischen Hauptstadt an.
Doch die Sache ging gründlich schief. Die vier hatten Russland ultimativ aufgefordert, einem 30-tägigen Waffenstillstand zuzustimmen. Für den Fall einer Weigerung hatten sie mit neuen Sanktionen gedroht. Russland ließ die Frist jedoch nicht nur verstreichen, sondern startete einige der heftigsten Angriffe auf zivile Ziele seit Beginn des Krieges.
Konsequenzen blieben trotzdem aus, woraus Merz offenbar eine Lektion gezogen hat. Nach seinem Treffen mit Selenskyj sagte der Bundeskanzler, "dass die Weigerung der russischen Seite, Gespräche zu führen, die Weigerung, einen Waffenstillstand einzuhalten, jetzt wirklich Konsequenzen hat".
Merz und Selenskyj dürften aber auch weiterhin versuchen, Trump an Bord zu halten - beziehungsweise an Bord zu holen, trotz schlechter Stimmung. Trump hatte Selenskyj im Februar vor laufenden Kameras gedemütigt, als er ihm eine Mitschuld am Krieg gab. Trotzdem buhlte Selenskyj in seiner Not immer wieder um Trumps Beistand.
Und Friedrich Merz, der sich nach dem Vorfall mit Selenskyj bitter über Trump beklagte, macht demnächst seinen Antrittsbesuch im Weißen Haus. Beide scheinen noch Hoffnung zu haben, dass man es gemeinsam mit Trump schaffen kann.