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Politik

Merz tritt Debatte über Asylrecht los

22. November 2018

Mit seinen Äußerungen zum Asylrecht hat Friedrich Merz eine Grundsatzdiskussion in der Union entfacht. Der Kandidat für den CDU-Parteivorsitz versucht zu beschwichtigen: Er stelle das Grundrecht auf Asyl nicht in Frage.

Friedrich Merz und Jens Spahn
Konkurrenten Friedrich Merz (links) und Jens SpahnBild: picture-alliance/AP Photo/J. Meyer

Der Ex-Unionsfraktionschef hatte am Mittwochabend auf einer CDU-Regionalkonferenz das individuelle Recht auf Asyl hierzulande in Frage gestellt: "Deutschland ist das einzige Land auf der Welt, das ein Individualrecht auf Asyl in seiner Verfassung stehen hat", sagte Friedrich Merz im thüringischen Seebach. Er sei schon seit "langer Zeit der Meinung, dass wir bereit sein müssten, über dieses Asylgrundrecht offen zu reden, ob es in dieser Form fortbestehen kann, wenn wir ernsthaft eine europäische Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik wollen."

Merz rudert zurück

Nach heftiger Kritik an seinen Äußerungen zum Asylrecht ruderte Merz einen Tag später zurück. "Für alle Interessierten noch einmal zum Mitschreiben: Ich bin für die Beibehaltung des Grundrechts auf Asyl. Punkt", sagte er auf der vierten Regionalkonferenz in Halle an der Saale. Er wolle aber eine gemeinsame europäische Asylgesetzregelung. Und die ist aus seiner Sicht nicht möglich, weil im deutschen Grundgesetz das Individualrecht auf Asyl stehe ohne Gesetzesvorbehalt.

Zuvor hatte Merz bereits auf Twitter versucht, seine Haltung noch einmal deutlich zu machen. "Ich stelle das Grundrecht auf Asyl selbstverständlich nicht in Frage, weil wir Politik aus christlicher Verantwortung und vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte machen", schrieb er in dem Kurznachrichtendienst. "Für mich steht aber fest, dass wir die Themen Einwanderung, Migration und Asyl nur in einem europäischen Kontext lösen können." Er kenne kaum jemanden, der das ernsthaft bezweifle.

Angesichts einer Anerkennungsquote bei den Asylanträgen "von deutlich unter zehn Prozent ist es erforderlich, dass wir uns mit der Frage beschäftigen, wie das Grundrecht auf Asyl und ein europäischer Lösungsansatz gemeinsam wirken können", betonte Merz. Diese Debatte müsse "in aller Ruhe und Sachlichkeit von der CDU geführt werden".

Kontra von den direkten Konkurrenten

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Mitbewerber um den CDU-Vorsitz, hat sich grundsätzlich hinter das geltende Grundrecht auf Asyl gestellt - und sich damit von seinem Mitbewerber Merz abgegrenzt: "Das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte ist vor dem Hintergrund zweier Weltkriege, von großem Leid und Vertreibungen eine große Errungenschaft unseres Grundgesetzes." Eine Debatte über das Asylrecht im Grundgesetz halte er nicht für das Entscheidende. "Das eigentliche Thema ist, wie wir die EU-Außengrenze sichern." Wenn jeder Europa erreichen könne, stimme etwas nicht. Man brauche einen europäischen Grenzschutz, der an der Grenze diejenigen abweise, die keine Flüchtlinge seien.

Auch Annegret Kramp-Karrenbauer, ebenfalls Bewerberin um den CDU-Parteivorsitz, lehnt Merz' Forderung, das individuelle Grundrecht auf Asyl einzuschränken, ab. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes hätten ihre Formulierungen mit Bedacht gewählt und dabei auch den Blick auf die deutsche Geschichte und die Judenverfolgung gerichtet. Sie sei offen dafür, über eine Verbesserung der Verfahren und konsequentere Rückführungen von abgewiesenen Asylbewerbern zu reden, warne aber davor, leichtfertig am Grundgesetz zu schrauben.

Angst vor "Pull-Effekt"

Zustimmung bekam Merz von dem CSU-Europaabgeordneten Markus Ferber. Es sei tatsächlich eine deutsche Besonderheit, das Asylbewerber aus sogenannten sicheren Drittstaaten nicht pauschal abgelehnt werden könnten, sondern jeder Fall einzeln geprüft werde. Deshalb habe Merz einen richtigen Punkt getroffen: "Deutschland ist momentan mit der Hinderungsgrund, zu europäischen Lösungen zu kommen, aufgrund dieses individuellen Rechtsschutzes."

Auch Sachen-Anhalts Innenminister und CDU-Landeschef Holger Stahlknecht unterstützt die Forderung von Merz, über das Asylrecht zu diskutieren. Sollte Deutschland den UN-Migrationspakt annehmen, müsse aufgepasst werden,  "dass da nicht so ein 'Pull-Effekt' eintritt, dass alle nach Deutschland kommen, weil wir die besten Voraussetzungen schaffen."

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) hingegen warnte davor, das Grundrecht auf Asyl in Frage zu stellen. Es sei aus gutem Grund in der Verfassung verankert. Das habe auch mit der Geschichte der Bundesrepublik zu tun. Reul bezeichnete die Regelung als wertvoll, von einer Änderung halte er nichts.

Versuchen ihr Profil im Kampf um den CDU-Vorsitz zu schärfen: Merz (links), Kramp-Karrenbauer und SpahnBild: picture-alliance/dpa/C. Rehder

Auf Stimmenfang mit Asylrecht

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) rief die Kandidaten für den CDU-Vorsitz auf, ihren Wettbewerb nicht auf Einwanderungsthemen und den UN-Migrationspakt zu verengen. "Ich glaube, dass andere Zukunftsherausforderungen für die Menschen eine größere Rolle spielen", sagte Günther. Dazu gehörten Fachkräftemangel, die Folgen der Digitalisierung, die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme und eine vernünftige Versorgung in der Pflege.

Deutliche Kritik erntete Merz von der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl. Geschäftsführer Günther Burkhardt warf dem Politiker vor, "im Heuhaufen ahnungslos tuend zu zündeln". Er warnte davor "Parolen und Zerrbilder der extremen Rechten zu übernehmen". Wahr sei, dass das internationale und europäische Flüchtlingsrecht Vorrang hätten vor dem deutschen Grundgesetz. Vor Zurückweisung in Verfolgungssituationen schützten die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention. "Ein Spitzenpolitiker muss dies wissen", sagte Burkhardt.

jv/rk/kle (dpa, afp, kna)

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