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Kann Fleisch klimaneutral werden?

Tim Schauenberg
4. April 2021

Forscher haben herausgefunden, dass Kühe weniger klimaschädliches Methan ausstoßen, wenn sie eine bestimmte Algenart fressen. Sind solche Futterzusätze der Durchbruch zur grünen Kuh?

Fünf Kühe stehen in einem Stall
Kühe stoßen klimaschädliches Methangas aus - sind Algen jetzt die Rettung?Bild: Jens Büttner/dpa/picture alliance

Ein nachhaltiger Grillabend mit klimafreundlichen Steaks? Laut einer Studie von Wissenschaftlern an der University of California in Davis könnte das bald möglich sein. Das Geheimnis heißt Asparagopsis taxiformis. Die Forscher mischten für einen längeren Zeitraum kleine Mengen dieser roten Algenart unter das Mastfutter von 20 Angus-Hereford Ochsen. Das Ergebnis ist erstaunlich. Die Algen senkten den Methanausstoß der Wiederkäuer um 80 Prozent. Ist das der Durchbruch des klimaneutralen Steaks?

Bekannt ist, dass Rinder große Mengen des klimaschädlichen Gases ausstoßen, wenn sie rülpsen oder pupsen. Methan ist etwa 25-Mal klimaschädlicher als CO2. Rinder für die Milch- und Fleischproduktion verursachen über neun Prozent der gesamten menschengemachten Treibhausgasemissionen.

Bei weltweit einer Milliarde Kühe sind die Auswirkungen unseres Fleisch- und Milchkonsums auf das Klima enorm. Industrieländer haben daran einen überproportionalen Anteil. Dort essen die Menschen pro Kopf fast dreimal so viel Fleisch wie in Entwicklungsländern. Spitzenreiter sind Australien, die USA und Spanien mit über hundert Kilo pro Jahr.

Würde der Fußabdruck von Rindern durch die Algen drastisch sinken, hätte das einen bedeutenden Effekt auf die Verlangsamung des Klimawandels. Medien weltweit hatten darüber berichtet. Wer jetzt in Jubelschreie ausbrechen will, sollte allerdings noch warten – und weiterlesen.

Der Effekt der Algenart Asparagopsis taxiformis ist bemerkenswert, die Klimawirkung aber begrenztBild: www.natuurlijkmooi.net

Algen-Einfluss "massiv überschätzt"

Der Einfluss, den die Ergebnisse tatsächlich auf die Klimabilanz von Fleisch haben, sei "massiv überschätzt", sagt Matthew Hayek, Assistenz-Professor am Department of Environmental Studies der New York University. Er warnt vor voreiliger Euphorie, bald ein klimaneutrales Steak auf dem Teller zu haben. 

Die Studie wurde mit Tieren in Masthaltung gemacht, obwohl ein Großteil der Rinder in den USA auf Weiden und auf Wiesen lebe, argumentiert Hayek. "Rinder stoßen das meiste Methan aus, über 80 Prozent, wenn sie auf der Weide sind und Gras fressen." In der Mast, der letzten Phase ihres Lebens, würden die Kühe lediglich 11 Prozent Methan ausstoßen. Erst hier kämen aber die Algen ins Spiel. Ihr Effekt auf die gesamte Bilanz wäre deutlich geringer.

Die Algen müssen unter das Futter gemischt werden - schwierig, wenn die Tiere auf Weiden grasenBild: picture-alliance/F. Lanting

Für Hayek sind die Algen durchaus eine Lösung, die machbar sei - "aber es ist eine Lösung, die nur den kleinsten Teil des Problems löst." Denn die Verdauung der Kühe ist nur für rund 40 Prozent der gesamten Klimabilanz der Tiere verantwortlich.60 Prozent entfallen auf Futterproduktion, Transport, Verarbeitung und Emissionen durch Gülle in der Landwirtschaft.

Giftiges Bromoform nachgewiesen

Ein weiteres Problem: Die Algen produzieren Bromoform. Den Stoff findet man in geringen Mengen in chlorhaltigem Trinkwasser und Schwimmbädern. Bromoform ist in höheren Dosen extrem giftig. Es beeinflusst die Hirnfunktion und kann Leber- und Nierenschäden verursachen. In früheren Studien aus den Niederlanden und Australien mit Asparagopsis taxiformis habe man die Substanz im Fleisch oder der Milch der Tiere nachweisen können, so Hanne Helene Hansen, Associate Professor am Department für Veterinär- und Tierwissenschaften an der Universität Kopenhagen. Zwar hätte man damals mehr Algen ins Futter gemischt und die Rückstände waren gering. Das zählt für Hansen aber nicht. Egal wie viel, "wir wollen das ganz sicher nicht in unserem Fleisch oder der Milch haben [...] und auch nicht in den Tieren."

Die Algen kommen vor allem an der West- und Ostküste Australiens vorBild: Landsat365/USGS/NASA

In der aktuellen Studie wurden keine Rückstände von Bromoform in den Tieren festgestellt. Die Autoren der Studie sehen großes Potenzial, die Futterkosten mit den Algen zu senken. Es stellt sich aber die Frage, woher das Seegras für eine Milliarde Rinder weltweit kommen soll. Asparagopsis taxiformis kommt bisher vor allem in Australien vor.

"Die logistische Umsetzung wäre eindeutig ein Problem", sagt Pekka Pesonen von Copa-Cogeca, dem europäischen Dachverband der Landwirte. Auch zu gesundheitlichen Effekten auf die Tiere "brauchen wir mehr Informationen", so Pesonen. Generell findet er den Ansatz aber vielversprechend. Auch Forscherin Hansen verweist auf Forschungsansätze, die sich auf den Anbau von Seegrassorten in der nördlichen Hemisphäre fokussieren und kein Bromoform produzieren.

Auch Rapsöl könnte den Methanausstoß von Kühen senkenBild: picture-alliance/dpa/A. Weigel

Pflanzenfette, die bessere Alternative?

Vielleicht müssen es ja auch keine Algen sein. Auch pflanzliche Fette können den Methanausstoß von Kühen senken. Dazu gehören unter anderem Raps-, Distel- und Leinöl. 

Aber das Potenzial der Öle ist limitiert. Eine zu fettige Diät "reduziert die Futteraufnahme" der Tiere, so Alireza Bayat, leitender Wissenschaftler am Natural Resources Institute in Finnland. Das führe zu Problemen, denn Kühe sind Wiederkäuer. Anders als Schweine vertragen sie keine großen Mengen Fett.

"Mit der Zugabe von Öl ist eine Reduzierung des Methans um zehn Prozent zu erwarten, ohne die Tierleistung zu beeinträchtigen", so Bayat weiter. Pesonen vom europäischen Dachverband der Landwirte schätzt gegenüber der DW, dass durch die Beimischung von fetthaltigen Pflanzen in der EU pro Jahr in Zukunft so viel Methan eingespart werden könnte, was einer Menge von rund 140,000 Tonnen CO2 entspräche. Das klingt nach viel, ist es aber nicht. Die Emissionen der Rindfleischproduktion würden sich in der EU pro Jahr gerade mal um 0.04 Prozent verringern. 

Mit Medikamenten gegen Methan? 

Forscher fanden außerdem heraus, dass Antibiotika, die den Tieren zur Wachstumssteigerung oder zur Vorbeugung von Krankheiten gegeben wurden, ebenfalls die Methanproduktion verringern. Allerdings warnen beispielsweise australische Behörden davor, Medikamente einzusetzen, um Methan zu reduzieren. "Wir haben genug Probleme mit Antibiotikaresistenzen", warnt auch Hansen. "Das ist keine brauchbare Lösung."

Doch kein klimaneutrales Steak?

So schnell werden wir wohl doch kein klimafreundliches Steak auf den Grill werfen können. Geht es nach Forscher Hayek, sollten wir auch nicht darauf warten, dass der Fußabdruck unseres Burgers bald schrumpft. Oberste Priorität sei es, so schnell wie möglich das zu tun, von dem wir wissen, dass es den Ausstoß von Treibhausgasen begrenzen wird, so der Forscher: Unsere Städte, das Transportwesen, den Energiesektor nachhaltig und umweltfreundlich zu gestalten, weniger Essen wegzuwerfen, weniger Fleisch zu essen und zu produzieren. Am Klimabeitrag unseres Fleisch- und Milchkonsums werden Algen und Rapsöl jedenfalls erstmals nicht viel ändern.

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