1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Kunst

Metropolitan Museum benennt Degas-Gemälde um

Shlomit Lasky
17. Februar 2023

Ursprünglich führte das New Yorker Museum das Bild des französischen Malers Edgar Degas unter dem Titel "Die russische Tänzerin". Nun wurde es umbenannt in "Tänzerin im ukrainischen Kleid".

Gemälde, auf dem eine Tänzerin mit hellem Oberteil und blau-gelben Farben im Haar zu sehen ist
"Tänzerin im ukrainischen Kleid" von Edgar DegasBild: Liszt Collection/picture alliance

Es ist nicht das erste Bild, das eine neuen Titel bekommen hat. Im April 2022, kaum zwei Monate nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, taufte die Londoner National Gallery Edgar Degas' Gemälde "Russische Tänzerinnen" in "Ukrainische Tänzerinnen" um. Die Umbenennung erregte damals sehr viel Aufmerksamkeit und wurde als politisches Statement zu Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine wahrgenommen.

Nun folgt diesem Schritt auch das New Yorker Metropolitan Museum of Art (MET). Seit dem 8. Februar 2023 heißt das Pastellbild "Die russische Tänzerin" offiziell "Tänzerin im ukrainischen Kleid" - auch weil das Kleid in den ukrainischen Nationalfarben Gelb und Blau gestaltet ist. "Schritt für Schritt erlangt die Ukraine ihre kulturelle Identität zurück", twitterte begeistert Anton Geraschtschenko, Berater des ukrainischen Innenministers, als Reaktion auf die Umbenennung des Degas-Werks.

Anerkennung für ukrainische Kunst

Das Metropolitan Museum nahm auch noch weitere Änderungen vor. Maler wie Ivan Aivazovsky, Illia Repin und Arkhyp Kuindzhi werden nun als ukrainische und nicht mehr als russische Künstler bezeichnet. "Kuindzhi wurde an der Küste in Mariupol geboren, als die ukrainische Stadt Teil des Russischen Reiches war", heißt es beispielsweise in der geänderten Bildlegende zu dem etwa 1905-08 entstandenen Gemälde "Roter Sonnenuntergang", das einen Blick auf den ukrainischen Fluss Dnipro zeigt.

Mariupol war Schauplatz heftiger Kämpfe in den letzten Monaten. Viele wertvolle Kulturgüter wurden zerstört - auch das nach dem Künstler benannte Kuindzhi-Museum wurde in Schutt und Asche gebombt. "Im März 2022 wurde das Kuindzhi Kunstmuseum in Mariupol, Ukraine, durch einen russischen Luftangriff zerstört", heißt es nun in der Bildunterschrift des Metroplitan Museum.

Ein Sprecher des Museums erklärte gegenüber der DW, dass es nicht ungewöhnlich sei, Objekte nach eingehender Recherche umzubenennen oder neu in der Ausstellung zu präsentieren. "Die Erfassung im Katalog wurde in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aktualisiert", heißt es in einer Erklärung.

Zur Zeit prüft das Museum auch noch den Namen eines anderen Werks von Edgar Degas, das den Titel "Russische Tänzerinnen" trägt und dem Bild in London, das nun "Ukrainische Tänzerinnen" heißt, sehr ähnlich ist.

Degas' Werke - Porträts der ukrainischen Kultur

Die "Tänzerin im ukrainischen Kleid" gehört zu einer Serie von Pastellzeichnungen, die der französische Impressionist Degas zwischen 1890 und den frühen 1900er-Jahren schuf. Die Serie zeigt ukrainische Frauen in traditioneller Nationaltracht und blauen und gelben Bändern im Haar - den ukrainischen Nationalfarben. Inspiriert wurde Degas von einer Gruppe von Tänzerinnen, die er bei einem Gastauftritt in Paris entdeckte und die er als Motiv für seine Gemälde verarbeitete. Frankreich ging damals ein politisches Bündnis mit dem Russischen Reich ein - das damals auch die Ukraine mit einschloss. So kam es zur Präsentation ukrainischer Kunst und Kultur in der französischen Hauptstadt. 

Londoner Nationalgalerie 2022: Aus Degas' Gemälde "Russische Tänzerinnen" wurde "Ukrainische Tänzerinnen"Bild: Photo12/Ann Ronan Picture Library/picture alliance

Fehlende Unterscheidung zwischen russischer und ukrainischer Kultur

Im Rahmen des ukrainischen Völkermords - dem Holodomor - unterdrückte das sowjetische Regime unter der Führung von Josef Stalin durch brutale Säuberungsaktionen und Hungerterror gezielt die Herausbildung einer ukrainischen Identität. Diese Russifizierung hatte zur Folge, dass auch nach der Unabhängigkeit der Ukraine in den frühen 1990er Jahren kulturelle Zugehörigkeiten schwer zu erkennen waren, so Daria Badior, eine ukrainische Journalistin und Redakteurin. "Im Mainstream der Medien können nur wenige erkennen, ob ein Kunstwerk in der ukrainischen, georgischen, estnischen oder russischen Sozialistischen Sowjetrepublik entstanden ist", schreibt sie im Online-Kunstmagazin Hyperallergic. "Für die Öffentlichkeit scheint alles sowjetische Kunst zu sein - und damit russisch."

Die Historikerin, Schriftstellerin und Direktorin des Ukranian Institute London, Olesya Khromeychuk, schreibt im März 2022 im Magazin Der Spiegel: "Jeder Besuch einer Galerie oder eines Museums in London mit Exponaten zu Kunst oder Kino aus der UdSSR offenbart eine Fehlinterpretation der Region als ein endloses Russland." Kuratoren hätten kein Problem damit, jüdische, weißrussische oder ukrainische Kunst als russisch zu präsentieren, "ganz so, wie es der derzeitige Präsident der Russischen Föderation gerne sehen würde".

"Red Sunset" von Arkhyp Kuindzhi Bild: Public domain - Rogers Fund, 1974

Ein Bericht des Europäischen Parlaments weist darauf hin, dass die Aneignung ukrainischer Kultur durch Russland auch zentraler Bestandteil des aktuellen Angriffskrieges ist. "Russische Aggressoren haben Artefakte aus öffentlichen und privaten Sammlungen geplündert, sie in russische Sammlungen aufgenommen und sie als Teil der russischen Geschichte und Kultur deklariert."

Weitere Umbenennung möglich

Die Umbenennung der Bilder-Serie von Edgar Degas über ukrainische Tänzerinnen - die etwa 18 Werke umfasst - liegt letzten Endes in den Händen derer, die die Werke besitzen. Zwei befinden sich im Museum of Fine Arts, Houston, und eines im schwedischen Nationalmuseum in Stockholm. 

"Auf Grundlage der Informationen, die jetzt über die gesamte Serie von Zeichnungen, die Degas anfertigte, vorliegen, gibt es für uns durchaus einen Grund, eine Änderung des Titels in Betracht zu ziehen", so das schwedische Museum in einer Stellungnahme gegenüber der DW. 

Adaption aus dem Englischen: Sabine Oelze