Meuthen und Chrupalla führen AfD
30. November 2019Der 58-jährige Europa-Parlamentarier Jörg Meuthen setzte sich beim Bundesparteitag gegen seine Mitbewerber mit rund 69 Prozent der Stimmen durch. Tino Chrupalla bekam knapp 55 Prozent und setzte sich gegen den Bundestagsabgeordneten Gottfried Curio durch, der rund 41 Prozent erhielt. Der 44-Jährige Chrupalla tritt die Nachfolge von Alexander Gauland an, der ihn als Kandidaten vorgeschlagen hatte.
Meuthen rief die AfD dazu auf, in den nächsten Jahren Regierungsfähigkeit zu erwerben. "Wir müssen bereit sein. Deutschland braucht uns", sagte er. Die Partei habe in den vergangenen Jahren ihre Professionalität deutlich verbessert, dürfe dabei aber jetzt nicht stehen bleiben. "Jetzt kommt erst die eigentliche Bergetappe."
"Kein Rechtsruck"
Meuthen bezeichnete seinen politischen Kurs als "konservativ, freiheitlich und patriotisch". Der alte und neue AfD-Vorsitzende wandte sich strikt gegen einen Rechtsruck seiner Partei: Für eine Rechtsaußenpolitik stehe er nicht zur Verfügung. Er werde "sein Gesicht nicht für eine Partei hergeben, die schleichend in rechtsextremistische Positionen abrutscht".
Der Wirtschaftsprofessor steht seit Juli 2015 an der Spitze der AfD. Seit Ende 2017 führte er die Partei gemeinsam mit Alexander Gauland, der nicht mehr kandidierte. Meuthen setzte sich gegen die Bundestagsabgeordnete Höchst und den Baden-Württemberger Gedeon durch, gegen den wegen Antisemitismus- und Rassismusvorwürfen ein Parteiausschlussverfahren läuft. Höchst erhielt 24,8 Prozent, für Gedeon stimmten 3,8 Prozent der Delegierten.
Zuvor hatte der scheidende AfD-Chef Alexander Gauland die Partei auf einen einheitliche Linie eingeschworen: Die AfD müsse ihren Kurs als Anwalt "des Volkes und der kleinen Leute" konsequent fortsetzen, um Regierungsfähigkeit zu entwickeln. "Wenn Grüne, Rote und Dunkelrote zusammengehen, wird der Tag kommen, an dem die geschwächte CDU nur noch eine Option hat: uns", sagte Gauland auf dem Bundesparteitag in Braunschweig. "Das heißt, dass wir unseren Weg weitergehen, ohne Anpassung oder gar Anpasserei."
Er sehe die Zukunft der AfD nicht in einer Anpassung an eine "verrottete CDU". Es sei "damit zu rechnen, dass einfache Mitglieder ihrer Führung die Frage nach bürgerlichen Mehrheiten stellen". Gauland verwies auf entsprechende Forderungen von CDU-Kommunalpolitikern nach der Landtagswahl in Thüringen. Das sei "erst der Anfang" gewesen. Die rund 600 Delegierten wollen an diesem Wochenende einen neuen Bundesvorstand wählen.
Kein Zugang für "Identitäre"
Im Umgang mit der rechtsextremen Identitären Bewegung (IBD) hat die AfD vorerst eine Zusammenarbeit abgelehnt. So soll Aktivisten der IBD vorerst nicht erlaubt werden, in die Partei einzutreten. Die Mehrheit der rund 560 Delegierten des Bundesparteitages lehnte es ab, einen entsprechenden Antrag auf die Tagesordnung zu setzen. Dieser sah vor, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte Bewegung von der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der Partei zu streichen.
Für den Antrag warb der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Stefan Räpple. Er sagte: "Jeder von Ihnen, der schon einen Wahlkampf geführt hat, weiß genau: Die Identitäre Bewegung hilft uns, unterstützt uns. Sei es beim Austeilen von Flyern, sei es bei der tatkräftigen Unterstützung bei Demonstrationen oder anderen Gelegenheiten." Die Identitäre Bewegung warnt vor einem angeblichen "Bevölkerungsaustausch" in Europa.
Joe Kaeser sieht AfD als Gefahr
Siemens-Chef Joe Kaeser sieht durch die AfD Arbeitsplätze in Deutschland in Gefahr. "Eine Partei, die Deutschland abschotten will und andere Kulturen ausgrenzt, schadet unserem Ansehen und unseren Exportinteressen in der Welt und gefährdet damit Arbeitsplätze in unserem Land", sagte Kaeser der "Rheinischen Post".
Deshalb sei die beste Alternative für Deutschland Exportkraft und faire Offenheit gegenüber der ganzen Welt. Die AfD sei eine demokratisch zugelassene Partei, aber sie habe "rechtsnationale Elemente". Kaeser sagte weiter: "Das jagt mir Schauer über den Rücken." Der Manager fügte an: "Ich wähle die AfD nicht und werde sie auch nie wählen."
VW will nichts mit AfD-Parteitag zu tun haben
Der Parteitag findet unter starken Sicherheitsvorkehrungen der Polizei statt. Vor der Volkswagen-Halle, in der die AfD tagt, demonstrierten rund 10.000 Menschen. Die Veranstalter sprachen sogar von 15.000. Der "Volkswagen"-Schriftzug war auf Betreiben des Autokonzerns abgedeckt worden. Die Polizei hatte die Halle weiträumig abgesperrt und war mit starken Kräften präsent. Auch Wasserwerfer standen bereit. Gegner der rechtspopulistischen Partei blockierten auch Zufahrtsstraßen. Im Braunschweiger Dom fand auf Initiative von Landesbischof Christoph Meyns eine Solidaritätsandacht statt.
cgn/jj (afp, dpa)