Mexiko: Tausende erinnern an die 43 verschwundenen Studenten
27. September 2024Zehn Jahre nach dem Verschwinden von 43 Studenten in Mexiko haben Angehörige und solidarische Demonstranten eine Aufklärung des Falles gefordert. Nach Behördenangaben zogen mindestens 10.000 Menschen zum Nationalpalast, dem Sitz der Regierung am Zócalo-Platz in Mexiko-Stadt. Viele von ihnen skandierten: "Lebendig wurden sie uns genommen, lebendig wollen wir sie wiederhaben!"
Eine Demonstrantin sagte der Nachrichtenagentur AFP, sie fühle "Traurigkeit, Schmerz und Wut". Die Frau, deren Bruder unter den Vermissten ist, war zusammen mit ihrer Mutter aus dem Bundesstaat Guerrero angereist, um an der Kundgebung teilzunehmen. "Weil ich nichts weiß, ist die Wunde noch offen", sagte die 33-Jährige.
Hinterbliebene: Präsident will nicht, dass alles ans Licht kommt
Dem scheidenden Staatsoberhaupt Andrés Manuel López Obrador werfen die Hinterbliebenen vor, er habe zu wenig getan, um das Verbrechen aufzuklären; vor allem habe er kein Interesse daran, dass eine mögliche Verwicklung der Streitkräfte ans Licht komme. Nur wenn die Armee mit den zivilen Ermittlungsbehörden kooperiere, könne in Erfahrung gebracht werden, was tatsächlich geschah, so die Väter und Mütter der Verschleppten.
López Obrador, der zum Ende des Monats von seiner Parteifreundin Claudia Sheinbaum im Amt abgelöst wird, sagte auf einer Pressekonferenz, er habe alles in seiner Macht Stehende getan. Von Vertuschung könne keine Rede sein. Zugleich versprach er, seine Nachfolgerin werde die Ermittlungen weiter vorantreiben. Sheinbaum eröffnete inzwischen einen Dialog mit den Angehörigen.
UN-Menschenrechtskommissariat kritisiert Ermittlungen
Das mexikanische Büro des UN-Hochkommissars für Menschenrechte begrüßte dies als "ersten Schritt" in Richtung einer effizienteren strafrechtlichen Verfolgung. Zugleich kritisierte das Nebenorgan der UN-Generalversammlung das Ergebnis der bisherigen Ermittlungen als unbefriedigend. Weitere Schritte seien notwendig, um den Fall vollständig aufzuklären, die Beteiligten zur Rechenschaft zu ziehen und das Vertrauen zwischen den Familien der Vermissten und der Regierung wiederherzustellen.
Die Studenten waren in der Nacht vom 26. auf den 27. September 2014 verschwunden. Sie wollten ursprünglich mit einem Bus in die Hauptstadt fahren, um wenig später an einer Kundgebung teilzunehmen. Zum weiteren Ablauf gibt es verschiedene Theorien.
Von korrupten Polizisten festgenommen
Noch während der Amtszeit des früheren Präsidenten Enrique Peña Nieto, der bis 2018 im Amt war, hatte die Staatsanwaltschaft erklärt, die Angehörigen eines Lehrerseminars seien in der südlichen Stadt Iguala von korrupten Polizisten festgenommen und an das Drogenkartell Guerreros Unidos übergeben worden - im Glauben, es handele sich um eine rivalisierende Bande. Die Verbrecher hätten die Studenten dann umgebracht.
Eine Wahrheitskommission kam zu dem Schluss, es handele sich um ein "Staatsverbrechen", an dem nicht nur die organisierte Kriminalität, sondern auch offizielle Stellen beteiligt gewesen seien. Der seinerzeit verantwortliche Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam wurde wegen mutmaßlicher Rechtsbeugung festgenommen und angeklagt.
2022 wurden alle 43 Studenten für tot erklärt. Die Eltern sagen jedoch, ohne den Fund der sterblichen Überreste könne man das nicht akzeptieren. Bislang wurden lediglich verbrannte Knochenfragmente von dreien der jungen Männer identifiziert; daher wird befürchtet, dass auch alle übrigen getötet wurden.
jj/se (dpa, afp, epd)