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Politik

Mexiko will soziale Medien regulieren

10. Februar 2021

Wie können soziale Medien sinnvoll reguliert werden? Mexikos Senatspräsident Ricardo Monreal hat dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt. Experten üben Kritik und sehen wenig Chancen auf Erfolg. Von Sandra Weiss, Mexiko.

Mexiko Mann mit Handy und Gesichtsmaske Coronakrise
Bild: Getty Images/M. Velasquez

Als Twitter im Januar das Konto von US-Präsident Donald Trump sperrte, schellten im benachbarten Mexiko die Alarmglocken. Präsident Andrés Manuel López Obrador, für den ähnlich wie für Trump die Internet- und Medienpräsenz das Herzstück seiner politischen Kommunikation ist, kritisierte das als Eingriff in die Meinungsfreiheit. Er sprach von Zensur und einem bedenklichen Präzedenzfall.

Einen Monat später liegt bereits ein Plan zur Regulierung sozialer Medien in Mexiko auf dem Tisch. In rekordverdächtigem Tempo legte Senatspräsident Ricardo Monreal von der Regierungspartei Morena jetzt einen entsprechenden Gesetzentwurf vor.

Telekommunikationsbehörde als Schiedsrichterin

Doch Experten kritisieren den Vorschlag - aus unterschiedlichen Gründen. Den einen ist er zu bürokratisch, für andere grenzt er an staatliche Zensur, dritte bemängeln, er verstoße gegen internationale Verträge. Auch seine Erfolgsaussichten sind durchwachsen.

Mexikos Senatspräsident Ricardo Monreal will strengere Regelungen für soziale NetzwerkeBild: El Universal/Zuma/picture alliance

Der Gesetzentwurf des Senatspräsidenten umfasst 52 Seiten und 175 Paragrafen und würde Mexikos Telekommunikationsbehörde IFT zur wichtigsten Regulatorin und Schiedsrichterin machen. Monreal verteidigte in einer Videobotschaft seinen Entwurf als opportun, um die Macht privater Firmen zu beschränken. Der Staat müsse sicherstellen, dass die Rechte der Nutzer geachtet und die Informations- und Meinungsfreiheit garantiert werden.

"Eine private Firma kann nicht unwidersprochen deine Meinungsfreiheit beschneiden", sagte er. "Ich unterwerfe mich nicht dem Kapital, sondern will es regulieren."

Verstoß gegen internationale Abkommen?

Mit Zensur habe dies nicht zu tun, verteidigte Monreal sich gegen entsprechende Kritik. Die kam unter anderem von der lateinamerikanischen Internet-Vereinigung ALAI. Die Initiative gefährde die dezentrale Natur des Internets, indem sie eine Aufsichtsbehörde schaffe und damit ein globales Phänomen aus nationaler Sicht behandele.

Dies, so ALAI, bremse Innovation, errichte eine Schranke für neue Dienste und sei kontraproduktiv, weil es die Meinungs- und Informationsfreiheit gefährde. Telekommunikationsbehörden obliege es nicht, über Inhalte zu urteilen. ALAI zufolge verstößt der Vorschlag unter anderem gegen das nordamerikanische Freihandelsabkommen T-MEC.

Vorbild Europa

Senatspräsident Monreal nennt europäische Regularien als Vorbild. Sein Entwurf weicht jedoch in wesentlichen Punkten davon ab. Er will unter anderem, dass soziale Netzwerke sich ab einer Million Nutzer bei der IFT registrieren müssen.

Ab einer Zahl von einer Million Usern sollen sich nach dem Gesetzesvorschlag soziale Netzwerke registrieren müssenBild: Imago Images/Schöning

Irene Levy, die Vorsitzende des Observatoriums für Telekommunikation in Mexiko, Observatel, sieht darin einen Filter, der einer Vorab-Zensur gleichkomme. "So etwas gibt es in der EU nicht", sagte sie der DW. Während für Europäer der Datenschutz und der Schutz vor Manipulation durch Fake News, Bots und Hetzkampagnen im Vordergrund stehe, konzentriere sich Monreals Entwurf auf die Frage, wer über Kontensperrungen entscheide.

Dies legt für die Journalistin Leticia Robles de la Rosa den Verdacht nahe, dass der Entwurf im Zusammenhang steht mit der bevorstehenden Kampagne für die Parlamentswahlen im Juni. Sie gelten als wichtige Nagelprobe für López Obrador und Morena, deren Mehrheit im Kongress durch ein breites Oppositionsbündnis bedroht ist. "Nach der Sperre von Trump ging Twitter auch gegen Nutzer vor, die Propaganda der mexikanischen Regierung und Fake News verbreiten", macht Robles deutlich.

Morenas Eigentor

Die ersten Reaktionen auf den Entwurf seien negativ gewesen, betont Observatel-Chefin Levy, die dem Entwurf daher wenig Erfolgsaussichten einräumt. Es handelt sich ihr zufolge eher um ein Ablenkungsmanöver vom desaströsen Pandemiemanagement. Auch Robles schätzt die Erfolgsaussichten nicht besonders hoch ein, da es vermutlich sehr viel öffentlichen Druck dagegen gebe. "Der Vorschlag ist für Morena eigentlich kontraproduktiv, denn in Mexiko sind es vor allem regierungsnahe Nutzer, die die Netzwerke aufmischen. Sie wären als erstes betroffen", gibt die Journalistin zu bedenken.

Mexikos Präsident Lopez Obrador nutzt gern soziale Medien für seine politische Kommunikation. Bild: Reuters/H. Romero

Sie sieht prinzipiell kein Problem in einer Regulationsbehörde, sofern diese unabhängig sei und auf der Basis technisch-objektiver Kriterien arbeite. "Gerade das ist aber in Mexiko in Gefahr, weil der Präsident autonome Organe abschaffen will." Das IFT laufe außerdem Gefahr, sich mit so einer Aufgabe politisch aufzureiben. "Ich fürchte daher, die Initiative dient weniger der Kontrolle sozialer Netzwerke als dem Ziel, das IFT zu sabotieren", sagt Robles

Irene Levy ist außerdem aufgefallen, dass nur bestimmte Sachverhalte - wie Verbreitung von Fake News, Hassreden oder die Verletzung von Persönlichkeitsrechten - als Grund für Account-Schließungen vorgesehen sind, nicht aber Bots, also falsche, computergesteuerte Profile. Das Gesetz, so fürchtet sie, könne also durch die Hintertür professionellen Manipulatoren die Türe öffnen.