Meyer-Werft will nach Luxemburg gehen
16. Juli 2015Nikolaus Schütte kennt so gut wie jeder in Papenburg. Knapp zwei Meter groß, breites Kreuz, braungebrannt, stets im Anzug und meist ein Handy am Ohr. Er ist Mitglied bei den Grünen und sitzt im Stadtrat und im Kreistag. Keiner in Papenburg kennt so viele bulgarische und rumänische Werkvertragsarbeiter wie Nikolaus Schütte. Seine Freundin stammt aus Rumänien. Nikolaus Schütte steht in einem Hinterhof. Ein zweistöckiges Haus mit Flachdach und einfach verglasten Fenstern und Türen. Dahinter liegen 15 Wohnungen. 30 bis 35 Werkvertragsarbeiter würden hier wohl wohnen. "Zur Über- oder Doppelbelegung kommt es mittlerweile nicht mehr. Die Stadt kontrolliert das stichprobenartig."
Im Sommer vor zwei Jahren brach in einem Wohnhaus, in dem 14 Rumänen lebten, aus nicht geklärten Gründen ein Brand aus. Zwei Bewohner erstickten. Die Meyer-Werft, unverhofft in die Schlagzeilen geraten, suchte die Offensive. Zusammen mit dem Betriebsrat und Vertretern der Gewerkschaft setzte sich das Unternehmen an einen Tisch. Man einigte sich auf einen Haustarif für Werkvertragsarbeiter. Deutsche Arbeitsverträge, 8,50 Euro Mindestlohn, keine Doppelschichten, und Mindeststandard in den Unterkünften, zehn Quadratmeter pro Bewohner, davon entfallen sechs Quadratmeter auf den Schlafraum.
Subventionen in Millionenhöhe
Nikolaus Schütte schätzt, dass auf der Werft und in den Zulieferfirmen insgesamt 21.000 Menschen in Lohn und Brot stehen. Die Geschäftsführung der Meyer-Werft weiß um ihre Stellung in der Region. Und bringt sie immer wieder in Position - wenn die Ems wieder einmal mit Steuergeldern vertieft werden muss, wenn das Ems-Speerwerk gebaut wird oder die Genehmigung und Bau neuer Betriebsgebäude ansteht und öffentlich gefördert wird. Stadt und Land helfen, wo es geht - bislang in dreistelliger Millionenhöhe.
Erbost aber war die Landesregierung in Hannover, als die Meyer-Werft Ende Juni verkündete, ihren Firmensitz nach Luxemburg verlegt zu haben. Ohne Rücksprache zwar, bestätigt Firmensprecher Günther Kolbe, aber aus gegebenem Anlass. "Wir haben die Werft im finnischen Turku übernommen und benötigen neue Strukturen. Deswegen wurde die Gesellschaft in Luxemburg gegründet."
Vorteil liegt auf der Hand
Der Vorteil liegt auf der Hand. In Luxemburg gilt nicht das in Deutschland gültige Gesetz, wonach Betriebe mit mehr als 2.000 Beschäftigten einen Aufsichtsrat einberufen müssen, der zur Hälfte mit Arbeitnehmervertretern besetzt ist. In den vergangenen Jahren, bestätigt Kolbe, hätten IG-Metall und der Betriebsrat keinen Aufsichtsrat angefordert. Kolbe verweist auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit. "Eigentlich arbeiten wir alle zusammen an einem Schiff und das zum Wohle des Unternehmens."
Einen Aufsichtsrat stuft Firmenchef Bernard Meyer, der die Werft in siebter Generation leitet, als extrem hinderlich ein. Unternehmenssprecher Kolbe erklärt warum: "Weil die Entscheidungswege länger werden. Wir würden gerne weitermachen wie bisher." Was war geschehen? Warum ausgerechnet jetzt die Entscheidung, den Stammsitz des Unternehmens nach Luxemburg zu verlegen? Hat der Betriebsrat unversehens auf sein Recht auf erweiterte Mitbestimmung gepocht und einen Aufsichtsrat einberufen wollen? Betriebsratsvorsitzender Ibrahim Ergin winkt ab. "Nein, von unserer Seite aus haben wir das nie diskutiert."
Volle Auftragsbücher bis 2020
Vor kurzem erst unterzeichnete die Geschäftsführung einen Vertrag über den Bau von sieben weiteren Schiffen. Bis 2020 sind die Auftragsbücher voll. Neben der vermeldeten Furcht vor einem Aufsichtsrat, der womöglich Entscheidungen in die Länge zieht, bis die Konkurrenz den Zuschlag erhält, muss es wohl noch andere Gründe für die Verlegung des Firmensitzes nach Luxemburg gegeben haben. Firmensprecher Kolbe: "Wenn wir für drei Standorte einkaufen, dann haben wir eine ganz andere Position."
In Rostock baut die Meyer-Werft Flusskreuzschiffe, in Papenburg und im finnischen Turku die Hochsee-Kreuzschiffe. Ein gemeinsamer Einkauf drückt naturgemäß die Preise. Vorstellbar ist, dass die Firmenzentrale in Luxemburg die eingekauften Teile mit einem Aufschlag an die Produktionsstandorte verbucht. Die Gewinne werden so nach Luxemburg transferiert.
Luxemburg und Steuervorteile
Luxemburg und Steuervorteile - ein Wortpaar, das auch Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies auf die Barrikaden brachte. Er rief zu einem Krisengipfel. Nach zweistündiger Beratung willigte die Geschäftsführung ein, die Verlegung nach Luxemburg erst einmal aufs Eis zu legen - für acht Wochen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, sagt Betriebsratsvorsitzender Ibrahim Ergin und baut schon mal vor. "Was spricht denn gegen einen Aufsichtsrat. Es ist nicht abwegig zu sagen, jetzt wollen wir einen."