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Ballack: "Löw hätte gehen müssen"

Michael Da Silva
11. Oktober 2018

Der frühere Kapitän der Nationalmannschaft, Michael Ballack, geht im DW-Interview mit Bundestrainer Joachim Löw und dem DFB hart ins Gericht - glaubt aber trotz WM-Pleite an eine positive Zukunft des deutschen Fußballs.

Porträt Michael Ballack
Bild: picture-alliance/dpa/B. Jutrczenka

Ballack: "Löw-Verbleib hat mich überrascht"

01:27

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Ex-Nationalmannschaftskapitän Michael Ballack hat nach eigenen Worten eigentlich damit gerechnet, dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nach dem schlechtesten WM-Abschneiden eines DFB-Teams seit 1938 Nationaltrainer Joachim Löw vor die Tür setzen würde. "Ich war wie viele andere Leute überrascht, dass er seinen Job behalten hat", sagt Ballack im DW-Interview. "Irgendwann muss man sich doch eingestehen, dass die Dinge nicht mehr funktionieren, wenn jemand so lange mit einer Mannschaft zusammenarbeitet wie er."

Der ehemalige Kapitän des DFB-Teams, der zwischen 1999 und 2010 insgesamt 98-mal das Nationaltrikot trug, geht mit dem DFB hart ins Gericht. "Die Weltmeisterschaft war eine große Enttäuschung, und dafür gab es Gründe", sagt der 42-Jährige. "Man sollte sie ernsthaft analysieren und nicht sagen: 'Wir analysieren das', während in Wahrheit bereits beschlossen ist, am Trainer festzuhalten. Das ist keine echte Analyse."

Mario Gomez (l.) und Mats Hummels nach dem WM-K.o.Bild: Reuters/M. Dalder

Ballack fordert eine Strukturreform des DFB: "Es sollte nicht nur eine Person geben, die diese Entscheidungen trifft." Der bestehende Reformbedarf beim DFB dürfe jedoch nicht als Entschuldigung für die schwache Leistung der Nationalspieler herhalten, von denen viele bei der WM 2014 in Brasilien noch den Titel geholt hatten. Ballack vermutet, dass sich der DFB nach dem Triumph von Rio zu sehr zurückgelehnt habe: "Auch wenn wir acht Jahre lang auf hohem Niveau gespielt haben und Weltmeister geworden sind - du musst dich im Fußball jeden Tag wieder neu fordern, im Fußball geht es so schnell", mahnte Ballack. "Wir sollten das, was wir über die Jahre aufgebaut haben, nicht verlieren, nur weil wir denken, wir sind so gut."

Positionen nicht optimal besetzt

Das spielerische Potential im deutschen Fußball sei auch 2018 immer noch groß, an guten Spielern mangele es nicht. "Es war ein Mentalitätsproblem. Denn fußballerische Qualität sinkt in vier Jahren nicht so stark, dass man in der Vorrunde nicht bestehen kann", sagt Ballack. "Aber worin lag das Problem? Fehlender Erfolgshunger, kein Kampfgeist, dazu noch jede Menge Spekulationen. Die einzig verbindliche Antwort können nur die Spieler selbst geben."

Mesut Özils letztes Spiel für das DFB-TeamBild: picture-alliance/SvenSimon/F. Hoermann

Er kritisiere Löw nicht prinzipiell dafür, dass er sein WM-Team um die Weltmeister von 2014 gebaut habe, so Ballack. Es sei "völlig normal", dass er weiter an sie geglaubt habe. Doch Löw trage die Verantwortung für seine Entscheidungen und müsse auch "professionell genug" sein, um die richtigen Konsequenzen für seine Zukunft zu ziehen. "Es war ganz offensichtlich, dass einige Spieler nicht auf der Höhe waren. Und man konnte es schon vorher sehen, dass eine oder mehrere Positionen nicht optimal besetzt waren. Deshalb sollten die Verantwortlichen beurteilen, ob Löw immer noch der richtige Mann ist."

Affäre, die niemand braucht

Nach Ansicht Ballacks hat auch die Affäre um die Fotos der Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ihren Teil zum WM-Scheitern beigetragen. "Niemand braucht so etwas vor einer Weltmeisterschaft", sagt Ballack der DW. "Ganz allgemein braucht niemand eine solche Diskussion."

Die Entscheidung Özils, aus der Nationalmannschaft zurückzutreten, müsse man akzeptieren, für das Nationalteam gehe es jetzt darum, nach vorne zu schauen. Ballack empfahl Özil, sich jetzt voll und ganz auf den FC Arsenal zu konzentrieren. "Er sollte wieder glücklich sein, wenn er auf dem Platz steht", sagt Ballack. "Das ist es, was Fußballer tun sollten: Schlagzeilen auf dem Spielfeld machen, nicht abseits davon."

"Goldene Jugend"

Leroy Sane (r.) - einer der jungen Hoffnungsträger im deutschen FußballBild: Reuters/A. Gebert

Trotz seiner Kritik an Löw und dem DFB hat Ballack den Glauben an eine positive Zukunft des deutschen Fußballs nicht verloren. Man müsse auf die "Goldene Jugend" Deutschlands setzen, sagt der Ex-Mittelfeldspieler, der sein Geld beim 1. FC Kaiserslautern, bei Bayer 04 Leverkusen, dem FC Bayern und beim FC Chelsea verdient hatte. Das 0:0-Unentschieden Anfang September gegen Weltmeister Frankreich stimme ihn zuversichtlich. "Da habe ich wirklich gute Spieler gesehen, die sich mit den Franzosen messen konnten."

Frankreich habe in den vergangenen Jahren "einen richtig guten Job" gemacht in Sachen Spielweise und Spielerauswahl, daran könne man sich in Deutschland orientieren. "Wir müssen uns um den Nachwuchs kümmern, mit einem echten Konzept, mit den besten Leuten als Verantwortliche für die Jugend. Denn das ist das Gold, das wir haben", meint Michael Ballack. "Wenn wir eine qualitativ hochwertige Jugendarbeit leisten, haben wir auch gute Chancen, mehr Talente hervorzubringen." Bleibt die Frage, ob Ballack mit dieser Aussage selbst Interesse an der Gestaltung eines Neuanfangs beim DFB signalisiert hat...

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