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Danti: "Der IS bewirbt die Zerstörung von Kulturdenkmälern"

Gero Schließ/ hjh6. Oktober 2014

Bei den Konflikten in Syrien schreckt der IS nicht vor der Zerstörung kultureller Güter zurück, meint Michael D. Danti von der Boston University. Man wolle so die Identität religiöser Gruppen wie der Schia auslöschen.

Grab des Propheten Jonahs zerstört
Am 24.Juli sprengen IS-Kämpfer die Jonas-Moschee in MossulBild: Reuters

DW: Professor Danti, was wissen Sie über die bewusste Zerstörung von kulturellem Erbe und über Plünderungen in Syrien und im Irak?

Michael D. Danti:Wir wissen eine Menge darüber, weil die IS über 50 Prozent diese Zerstörungen in den sozialen Medien oder in ihrer Publikation "Dabiq" bewirbt. In einigen Fällen hat die IS Kulturdenkmäler zerstört, ohne diese Aktionen zu propagandistischen Zwecken nutzen zu können: Sie wurden nämlich wieder aus der Region vertrieben, bevor sie die Zerstörungen filmen konnten.

Was ist das Ziel der Dschihadistenmiliz IS? Warum zerstören sie kulturelles Erbe?

Der IS versucht, seine salafistische Ideologie voranzutreiben, und ihrer Ansicht nach passen diese Sehenswürdigkeiten nicht zum Islam.

In welchem Ausmaß finden die Zerstörungen statt?

Wir konnten zwar auch die Zerstörung von jesidischen, sunnitischen und christlichen Kulturdenkmälern beobachten, aber der IS konzentriert sich vor allem auf die Zerstörung der Kulturgüter von Schia- und Sufi-Konfessionen. Sie spielen die religiösen Gruppierungen in Syrien und im Irak gegeneinander aus und schüren so Gewalt zwischen ihnen. Sie nutzen die Zerstörungen also in erster Linie dazu, ihre politischen Ziele und ihre Ideologie zu stärken.

Jesidische Flüchtlinge aus MossulBild: Reuters

Welche Ausmaße haben die Zerstörungen des Kulturguts bisher angenommen?

Es ist ziemlich willkürlich, in welchem Ausmaß die Sehenswürdigkeiten zerstört werden. Es scheint kein Muster zu geben. In dieser Region befinden sich sehr viele Kulturgüter, die die IS vernichten könnte, aber es ist kein Schema zu erkennen, wie und wo die Milizen zuschlagen – außer dass sie sich vor allem Schia Kulturgüter vornehmen.

Können Sie spezifizieren, welche historischen Orte von den Zerstörungen und Plünderungen betroffen sind?

Die IS zielt besonders auf die Regionen um Mossul und ar-Raqqa in Syrien ab. In den Städten werden diese Zerstörungen lautstark propagiert, wahrscheinlich aus propagandistischen Zwecken. Die sunnitische Bevölkerung, die Zeuge dieser Zerstörungen wird, soll die salafistische Ideologie des IS direkt zu spüren bekommen.

Was kann der Westen tun, um das kulturelle Erbe zu schützen?

Das ist ein sehr schwieriges Thema, vor allem inmitten so einer humanitären Krise. Denn in erster Linie ist das eine humanitäre Krise. Das kulturelle Erbe ist ebenfalls betroffen, aber bis Frieden und Stabilität in der Region eingekehrt sind, ist es extrem schwierig für uns, vorbeugende Maßnahmen und Projekte zum Schutz der Kulturgüter einzusetzen. Also erst muss Frieden in der Region einkehren, dann können wir uns um das Kulturerbe kümmern.

Propagandabild der IS-KämpferBild: picture-alliance/abaca

Wie wichtig ist es, dieses Thema in den Fokus zu rücken?

Ich denke, es ist extrem wichtig. Angesichts der aktuellen Krise in Syrien und im Nordirak beeindruckt mich besonders die große Anteilnahme auf der ganzen Welt und die ausführliche Berichterstattung in den Medien. Das ist eine sehr positive Entwicklung. Ich glaube, dass das öffentliche Interesse unsere Arbeit wesentlich einfacher macht.

Auch US-Außenminister John Kerry hat sich in einer Rede zu diesem Thema geäußert. Was unternehmen die USA, und wie könnten sie ihr Engagement noch verstärken?

Die USA unternimmt in letzter Zeit ziemlich viel zum Erhalt des syrischen Kulturerbes. Senator Kerry hat verkündet, dass die Projekte jetzt auch in den Nordirak ausgeweitet werden. Die Lage wird wöchentlich ausgewertet. Es wird alles versucht, Schäden zu unterbinden, und es werden auch schon Pläne zum Erhalt der Kulturgüter in der Zukunft geschmiedet. Die USA unternehmen viel, um auf dem Laufenden zu bleiben und sich auf die Zeit nach dem Konflikt einzurichten.

Was ist erforderlich, um die Schätze langfristig zu schützen?

Ich denke wir brauchen zunächst vor allem eine internationale Koalition von Institutionen, Wissenschaftlern und Experten, die im Weltkulturerbe-Management tätig sind und die sich gemeinsam um den Schutz des kulturellen Erbes im Nahen Osten kümmern.


Was bedeutet es für die Menschen vor Ort, die Teil dieser Kultur sind, wenn ihr kulturelles Erbe zerstört wird?

Die meisten Christen aus dem Irak fliehen nach KurdistanBild: picture-alliance/dpa

Im Grunde versuchen die extremistischen Gruppen, die Identitäten der Menschen in Syrien und im Nordirak zu zerstören und ihre Kultur auszuradieren. Das kann man bei den Sufis und den Jesiden beobachten: Die IS und andere extremistische Gruppen greifen ihre kulturelle Identität an, das gehört zu ihrer Kampagne der ethnischen Reinigung.

Wenn sie sich das Ausmaß der Zerstörung und der Plündereien anschauen - was glauben Sie, wie lange es dauern wird, die Kulturgüter wieder aufzubauen?

Vorsichtig geschätzt rechnen wir mit etwa zehn Jahren.

Das Gespräch führte Gero Schließ.

Professor Michael D. Danti lehrt Archäologie an der Boston University, sein Fachgebiet ist der Nahe Osten. Seit 1988 nimmt er an archäologischen Expeditionen teil. Er leitet Ausgrabungen im Irak, in Kurdistan und in Syrien.

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