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Musik

Michael Schulte beim ESC

11. Mai 2018

Kurz vor dem Finale des Eurovision Song Contest hat DW-Reporterin Silke Wünsch mit dem deutschen Kandidaten Michael Schulte gesprochen. Vielleicht kann er den Fluch der letzten Jahre brechen.

Michael Schulte Porträt
Bild: DW/Silke Wünsch

Empfang bei der Deutschen Botschaft im Goethe Institut in Lissabon. Ein warmer Frühsommerabend, ein lauschiger Garten, geschäftiges Treiben und angeregte Unterhaltungen bei Tapas und Getränken. Auf der Bühne begrüßt die Fernsehmoderatorin Linda Zervakis den Gastgeber und schließlich auch die musikalischen Gäste: Cláudia Pascoal, die portugiesische ESC-Kandidatin und den deutschen Sänger Michael Schulte.

Nachdem Cláudia ihren Song "O Jardim" (passend: im Garten) vorgetragen hat, kommt Michael auf die Bühne, greift sich seine Gitarre und singt als erstes eins seiner älteren Stücke. Mucksmäuschenstill ist es, Michaels Stimme hallt durch den Garten - er zeigt, was er kann. Als zweites spielt er seinen ESC-Song "You Let Me Walk Alone" und schließlich bringt er ein Medley mit älteren ESC-Gewinnerliedern. Das Publikum ist endgültig verzückt, als er auch den Siegertitel des letzten Jahres singt, ganz ohne Begleitung: "Amar pelos dois". Der 28-Jährige füllt den ganzen Garten aus.

Michael Schulte beeindruckt das Publikum im Garten des Goethe InstitutsBild: DW/Silke Wünsch

Allein vor einer großen Leinwand

Auf der ESC-Bühne sieht es anders aus. Da steht er ruhig und ohne große Geste hinter seinem Mikrofonständer und singt die Ballade, die er für seinen Vater geschrieben hat – der ist gestorben, als Michael 14 Jahre alt war. Hinter ihm eine riesige aufblasbare Leinwand in Halbkreisform. Er wirkt alleine – er ist es aber nicht. "Mein Vater ist immer bei mir. Und ich glaube schon, dass er das mitbekommt. Er war ein ganz toller Mann, und ich war immer sehr stolz sein Sohn zu sein. Immer, wenn ich den Song singe, ist er ganz nah bei mir. Und das merkt man sicher auch auf der Bühne, dass ich da ganz emotionalisiert bin."

Die Bilder, die hinter ihm auf der Bühnenleinwand zu sehen sind, sind zum Teil alte Familienfotos von anderen, die Michael auf einen Aufruf hin zugeschickt bekommen hat. Es sind Väter und Söhne. Michael hat auf eigene Bilder verzichtet, weil er nach längerem Nachdenken zu dem Schluss gekommen ist, dass das Lied ohnehin schon sehr persönlich sei, und er es schließlich nicht übertreiben wolle mit diesen ganz speziellen privaten Dingen. "Außerdem wollte ich den Leuten, die meinen, dieses Persönliche sei nur reinstes Kalkül, nicht noch mehr Stoff geben. Die Bilder, die andere mir geschickt haben und die wir schließlich mit auf die Bühne genommen haben, zeigen ja, dass es nicht nur meine Geschichte ist, sondern auch die Geschichte von vielen anderen."

Bild: DW/Silke Wünsch

Am liebsten Balladen

Zurück im Garten. Michael gibt Interviews, ist freundlich, wirkt überhaupt nicht genervt angesichts der sich wiederholenden Fragen der Journalisten und spricht zu jedem so, als wäre er alleine mit ihm. Die wichtigste Frage ist natürlich: Wie geht es ihm so kurz vor dem Finale?

"Wir sind gut vorbereitet", sagt er. Angst vor einem schlechten Abschneiden habe er nicht. Es gebe ja immer wieder Überraschungen. So sei zum Beispiel das Lied aus Irland, von dem niemand gedacht hätte, dass es weiter käme, sein Lieblingssong. "Auch die Songs aus Frankreich und aus Portugal. Es gibt so viele schöne Lieder - und ich stehe auch eher auf die ruhigeren Songs."

Einige Musiker hat Michael bereits im Vorfeld kennengelernt. In Amsterdam, London und Madrid gab es schon jede Menge Testkonzerte, da viele der Kandidaten schon was zusammen gemacht hatten. Hier beim ESC sei zu wenig Zeit dafür. "Jeder ist in seiner Bubble drin und macht sein Ding." 

Die Schedules seien einfach sehr eng getaktet, mit all den Proben und Terminen, Interviews und Pressekonferenzen. "Deswegen ist es hier nicht so ein starkes Beieinander, aber ich hoffe, dass das nach dem Finale am Samstag noch geschieht." Lockere Freundschaften sind durchaus entstanden. Intensiv habe er sich schon mit dem Iren, dem Tschechen, den Franzosen und dem Bulgaren ausgetauscht. "Da sind schon echt viele tolle Musiker dabei."

Michael Schulte - ein Geheimfavorit?

Bei allem Druck und der Hektik genießt Michael die Zeit in Lissabon. Aber so langsam müsse das Warten auf den großen Moment auch mal ein Ende haben. "Wir sind alle heiß darauf zu wissen, welche Platzierung es wird." Und das wird tatsächlich spannend für den jungen Musiker aus Norddeutschland. Er startet jetzt auf Platz 11, und wird inzwischen bei den Buchmachern in den Top Five gehandelt.

Bild: DW/Silke Wünsch

Bei den Finalwertungen der Jury sieht man Michael Schulte auch ganz weit oben - er gehört zu den Kandidaten, die man als "Dark Horse" bezeichnet - ein Geheimfavorit, einer der aus den hinteren Reihen kommt und plötzlich ein gutes Ergebnis erzielt. "Diese Rolle nehme ich natürlich gerne an", grinst Michael, "lieber jagen als gejagt zu werden. Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn ich in die Top Zehn komme. Ich glaube auch, dass bei den deutschen ESC-Fans gerade so ein kleiner Ruck kommt. Dass die gerade merken, ach Mensch, das ist ja doch ganz spannend, vielleicht passiert dieses Jahr wirklich mal was Gutes. Das genieße ich und das genießen sicher auch die deutschen Fans. Und was es dann schließlich wird, werden wir am Samstag wissen."

Das positive Feedback, das er aus anderen Ländern bekommen habe, stimme ihn schon recht optimistisch, dass der Fluch der letzten Jahre für die deutschen ESC-Kandidaten möglicherweise gebrochen werde. "Und diesen Optimismus werde ich versuchen mit ins Finale zu nehmen."

Private Highlights

Nach dem ESC in ein Loch zu fallen - das ist für Michael Schulte nicht möglich. Egal, wie es am Samstag für ihn ausgehen wird. "Zuerst mal muss ich direkt nach dem ESC Interviews geben, weil die Leute ja schließlich alle wissen wollen, wie es mir danach geht. Dann stehen Proben mit meiner Band an, im Sommer kommt die Tour. Und meine privaten Highlights sind meine anstehende Hochzeit und die Geburt unseres Kindes Ende August." Zunächst möchte er gar nicht sagen, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird. Doch später rückt er dann doch damit raus: "Es wird ein kleiner Junge."

Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online
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